Auf dem Richtertisch liegen 3 Ordner für einen Prozess für ein Strafverfahren. 3 min
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Schnellverfahren ziehen großen Personalaufwand nach sich

MDR AKTUELL Do 26.12.2024 16:07Uhr 02:52 min

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Strafjustiz Weniger beschleunigte Verfahren an mitteldeutschen Gerichten

26. Dezember 2024, 18:04 Uhr

"Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen." Das hat Carsten Linnemann vor anderthalb Jahren gesagt. Damals war der CDU-Generalsekretär frisch im Amt. Es folgte eine Debatte über sogenannte beschleunigte Verfahren. Was ist seitdem passiert? Wir haben uns in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umgehört.

Kurzer Rückblick: Wenige Tage vor der Landtagswahl in Sachsen. Ein Abend Ende August in Dresden. Ein 28-jähriger Deutscher, betrunken, nähert sich einem Wahlkampfstand der CDU, wirft Werbematerial auf den Boden, pöbelt, beleidigt eine Wahlkampfhelferin, zeigt den Hitlergruß. Die Justiz reagiert umgehend. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellt beim Amtsgericht einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren.

Konkrete Anhaltspunkte notwendig

Der Fall habe sich dafür angeboten, erklärt Staatsanwalt Jürgen Schmidt. Eine klare Beweislage und der Beschuldigte war geständig: "Wir haben dann gegen den Beschuldigten Hauptverhandlungshaftbefehl beantragt. Bedeutet, dass das beschleunigte Verfahren binnen einer Woche durchgeführt werden muss. Sie brauchen dafür aber konkrete Anhaltspunkte, dass sich der Beschuldigte einer mündlichen Verhandlung nicht stellen wird."

Das wird angenommen bei Beschuldigten, die schwer greifbar sind, weil sie etwa obdachlos sind oder keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Bei dem Dresdner Pöbler traf genau das zu. Im vorliegenden Fall war der Wohnsitz unsicher.

Als weitere Kriterien für das beschleunigte Verfahren gelten: ein einfacher Sachverhalt, klare Beweislage und maximal ein Jahr Haft als Strafe. Vor allem konservative Politiker fordern immer wieder mehr Schnellverfahren. Diese sollen auf potentielle Täter abschreckend wirken und einen konsequent handelnden Rechtsstaat demonstrieren.

Rückgang in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

In Sachsen ist der Verfahrenstyp ein schwindendes Phänomen. 2020 waren es noch rund 500 Schnellverfahren. Setzt sich das Niveau aus dem ersten Halbjahr 2024 fort, werden es Ende 2024 nicht einmal halb so viele sein. Ganz ähnlich sieht es in Thüringen aus – allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. In den vergangenen Jahren hat es dort nie mehr als 95 Schnellverfahren gegeben. Tendenz seit 2020 sinkend. In Sachsen-Anhalt schwanken die Zahlen seit 2017 mehr. Doch auch hier geht der Trend Richtung weniger Schnellverfahren. Knapp 70 waren es im ersten Halbjahr.

Christian Löffler, Vorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt, erklärt, dass die Belastung der Strafjustiz ständig steige: "Es gehen immer mehr Richter und Staatsanwälte in Ruhestand." Und der Aufwand für beschleunigte Verfahren sei für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte eben besonders hoch. Dies gilt umso mehr als diese Verfahren ja nur Straftaten kleiner und mittlerer Kriminalität betreffen. Und bei diesen wird üblicherweise kein so großer Ermittlungsaufwand betrieben.

Ablehnen aufgrund von Überlastung können die Amtsgerichte einen Antrag auf beschleunigtes Verfahren jedoch nicht, erklärt der Dresdner Staatsanwalt Jürgen Schmidt: "Der Wahlkampfpöbler stand schon einen Tag nach der Tat vor Gericht. Er bekam eine Geldstrafe."

MDR (dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. Dezember 2024 | 16:07 Uhr

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