Personalmangel in Justiz Experten kritisieren Linnemann: Mehr Urteile an Wochenenden nicht zu rechtfertigen

18. Juli 2023, 07:19 Uhr

Nach der Schlägerei in einem Berliner Freibad hat der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann beschleunigte Gerichtsverfahren gefordert. Konkret forderte er einen Richterspruch noch am selben Tag, auch an Wochenenden. In Sachsen sind die Anträge auf Schnellverfahren rückläufig. Die Justiz hält Gerichtsverfahren an Wochenenden für nicht zielführend und macht auf die angespannte Personalsituation aufmerksam.

"Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen." Das hat Carsten Linnemann, der neue CDU-Generalsekretär, vergangene Woche gesagt. Verbunden mit dem Zusatz: "Auch am Wochenende".

Das verbringt Reinhard Schade – wie vermutlich der allergrößte Teil der arbeitenden Bevölkerung – am liebsten nicht mit Arbeit. "Ich hatte gerade Bereitschaft. Das ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, wie sie sich vorstellen können."

Schade ist Richter am Landgericht Bautzen und Vorsitzender des Sächsischen Richtervereins. Er wolle explizit den Eindruck vermeiden, Straftaten würden nicht entschlossen verfolgt, aber, "wer solche Sonntagsreden hält, muss natürlich auch was dafür tun, dass so etwas möglich wird und dafür brauchen wir sowohl im richterlichen Bereich als auch im Bereich der Urkundsbeamten und der Wachtmeister mehr Personal."

Richter: Schlägerei in Freibad nicht für beschleunigtes Verfahren geeignet

Als Richter arbeitet er auch im Bereitschaftsdienst. Denn rechtliche Maßnahmen fielen auch am Wochenende an. Strafverfahren allerdings seltener. Aus Sicht von Reinhard Schade ist der Aufwand dafür nicht zu rechtfertigen. "Weil, Sie müssen ja auch einen Verhandlungssaal bereitstellen. Sie müssen die Öffentlichkeit herstellen können und ob das am Samstag und Sonntag so möglich ist, ich weiß nicht, ob das Sinn der Sache ist. Ich denke, es würde auch ausreichen, in den geeigneten Verfahren Montag oder Dienstag zu verhandeln."

Eine Schlägerei in einem überfüllten Freibad eignet sich aus seiner Sicht nicht für ein beschleunigtes Verfahren. Diese Ansicht vertritt auch Sabine Wylegalla von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden: "Das Gesetz gibt vor, dass im beschleunigten Verfahren die verhandelt werden können, denen ein einfacher Sachverhalt zu Grunde liegt oder eine klare Beweislage."

Das wäre zum Beispiel ein Ladendiebstahl, beobachtet von einem Ladendetektiv, der gleich als Zeuge vor Gericht aussagen kann. Im Idealfall ist der mutmaßliche Ladendieb auch noch geständig.

Weniger Schnellverfahren in Sachsen

Seit dem Rekordjahr 2020 wurden an den sächsischen Amtsgerichten jährlich weniger Schnellverfahren beantragt. Das geht aus Zahlen des Sächsischen Justizministeriums hervor. Laut Sabine Wylegalla hängt das mit den Kontaktbeschränkungen in der Pandemie zusammen. Doch auch danach ist Zahl beschleunigter Verfahren nicht wieder gestiegen. Warum, wisse man noch nicht genau. Letztlich könnten die Staatsanwaltschaften aber die Fälle, die sich für ein beschleunigtes Verfahren eignen, nicht beeinflussen: "Wir können nur die Kriminalität bearbeiten, die tatsächlich vorliegt."

CDU-Politiker: Gerichte zu Schnellverfahren motivieren

Martin Modschiedler – rechtspolitischer Sprecher der in Sachsen mitregierenden CDU – sagt hingegen, Gerichte müssten motiviert werden, wieder mehr Schnellverfahren anzugehen: "Das ist ein Zeichen nach außen und das ist wichtig, auch für die Menschen vor Ort. Damit sie wissen: Hier bleibt nichts liegen, sondern hier wird auch geurteilt."

Damit das funktioniere, müsse aber ein Kernproblem angefasst werden: Die vielen Stellen in den Staatsanwaltschaften und von Richterinnen und Richtern, die jetzt in den Ruhestand gehen, nachzubesetzen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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