Die Baustelle der zweiten S-Bahn-Stammstrecke
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Fragen und Antworten Einigung zu Finanzpaket: Wie geht es jetzt weiter mit Sondervermögen und Schuldenbremse?

15. März 2025, 16:05 Uhr

Union und SPD mussten lange bangen: Jetzt sieht es so aus, als könne ihr Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur im Bundestag bestehen. Wie geht es jetzt weiter mit Sondervermögen und Schuldenbremse?

Was ist ein Sondervermögen?

Normalerweise finden sich Einnahmen und Ausgaben Deutschlands im Bundeshaushalt wieder. Sondervermögen bilden davon eine Ausnahme. Sie werden wirtschaftlich getrennt vom übrigen Bundesvermögen verwaltet und abgerechnet. Sie unterliegen aber ebenso der Kontrolle des Parlaments und des Bundesrechnungshofs. Sondervermögen werden zumeist für klar definierte Zwecke angelegt, für die oft ein Finanzbedarf von mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten besteht, wie etwa bei der Aufrüstung der Bundeswehr.

Für die Bundesregierung bieten Sondervermögen Vorteile. Da die Geldtöpfe außerhalb des Bundeshaushalts stehen, lässt sich mit ihnen die Schuldenbremse umgehen. Außerdem werden die Schulden oft erst viel später und über einen langen Zeitraum zurückgezahlt. Es gibt zwar auch Sondervermögen, die werthaltig sind, die also auf reellen Vermögen oder Einnahmen fußen. Laut Bundesrechnungshof sind aber 90 Prozent aller bestehenden Sondervermögen schuldenbasiert. Insofern müsste von "Sonderschulden" gesprochen werden, kritisiert der Rechnungshof.

Wo kommt das Geld für Sondervermögen und Bundeswehr her?

Das von Union und SPD angekündigte Sondervermögen für Infrastruktur im Umfang von 500 Milliarden Euro ist ebenfalls kreditfinanziert. Und auch die anvisierten zusätzlichen Mittel für Verteidigung werden mit Schulden bezahlt.

Deutschland wird sich das Geld am Kapitalmarkt leihen müssen. Dort ist Deutschland wegen seiner Top-Bonität ein gefragter Schuldner. Um für Investoren den Kauf von Bundesanleihen im Wert von Hunderten Milliarden Euro attraktiv zu machen, müssen aber wohl höhere Zinsen geboten werden. Nach Ansicht von Volkswirten dürften die Anleger eine Risikoprämie fordern. Das würde die Schuldenaufnahme für den Bund teurer machen als bislang.

Wie begründet das die Union, die sich bislang stets gegen neue Schulden und eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen hat?

Die Union weist auf die außenpolitische Lage und speziell die geänderte Politik der USA unter Präsident Donald Trump hin. Mit Blick auf die Verteidigungsausgaben gelte jetzt das Prinzip "Whatever it takes" – "Alles, was nötig ist", sagte CDU-Chef Friedrich Merz.

Allerdings war schon vor der Wahl klar, dass die Bundeswehr nach Aufbrauchen des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens neue Mittel brauchen wird. Und auch vor der Wahl galt die Infrastruktur als marode.

Grünen-Chef Felix Banaszak wies Merz am Mittwoch auf seine Kehrtwende hin: "Einen Tag nach der Wahl stellt Friedrich Merz fest: Huch, da fehlen ja ein paar Hundert Milliarden Euro! Da müssen wir jetzt aber dringend mal was machen."

Wie wird das neue Sondervermögen geschaffen?

Sondervermögen müssen per Gesetz eingerichtet werden. Zur Umgehung der Schuldenbremse müssen sie ins Grundgesetz geschrieben werden. Dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat notwendig.

Im Bundestag der ablaufenden Legislaturperiode würden dafür die Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen ausreichen, im neuen Bundestag müsste hingegen zusätzlich die Linksfraktion zustimmen. Die Linke sprach sich am Mittwoch zwar für das Sondervermögen für Infrastruktur aus, jedoch stellte sie sich gegen die Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Union, SPD und Grüne haben zwischenzeitlich eine entsprechende Einigung erzielt. Somit gilt eine Einrichtung des Sondervermögens im alten Bundestag wahrscheinlich.

Wofür soll das Geld genau ausgegeben werden?

Das steht nur in Grundzügen fest. In der schriftlichen Einigung von Union und SPD wird erwähnt, dass die Ausgaben insbesondere für Zivilschutz, Verkehr, Krankenhäuser, Energie, Bildung, Betreuung, Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Digitalisierung gehen sollen. Das lässt Spielraum für Interpretationen. Im neuen Bundestag soll ein Ausführungsgesetz mit Details beschlossen werden. Das Ringen, in welche Bereiche das Geld genau fließt, beginnt dann erneut.

100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollen Länder und Kommunen erhalten. Die Grünen setzten außerdem durch, dass 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen.

Wie ist die Höhe der neuen Schulden einzuschätzen?

Es handelt sich um vergleichsweise riesige Summen. Zu den 500 Milliarden Euro Ausgaben für Infrastruktur dürften jährlich hohe zweistellige Milliardenbeträge für Verteidigung kommen. Die Verteidigungsausgaben sollen den Plänen zufolge ab einer Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht derzeit etwa 43 Milliarden Euro. Ziel waren schon bislang Ausgaben von zwei Prozent des BIP für Verteidigung. Das würden mit der neuen Regelung also jährliche Sonderausgaben von mindestens weiteren 43 Milliarden bedeuten. Bei einer ebenfalls zehnjährigen Laufzeit – wie beim Infrastrukturvermögen – ergeben sich Ausgaben in Richtung von einer Billion Euro. Eine Billion hat zwölf Nullen, in Zahlen: 1.000.000.000.000 Euro.

Zur Einordnung: Der vorläufige Bundeshaushalt 2025 liegt mit 488 Milliarden Euro bei knapp einer halben Billion Euro; sämtliche aktuell bestehenden Sondervermögen haben einen Umfang von 869 Milliarden Euro.

Kann sich Deutschland so viele neue Schulden leisten?

Bislang hat Deutschland einen relativ geringen Schuldenstand. Er liegt 2025 bei 62,7 Prozent des BIP. Der Durchschnitt im Euroraum beträgt 89,5 Prozent. Andere Industriestaaten wie die Frankreich (110 Prozent), die USA (127 Prozent) oder Japan (250 Prozent) sind deutlich höher verschuldet. Durch die anvisierten Kreditaufnahmen würde der Schuldenstand allerdings rasch steigen. Allein durch das Infrastruktur-Sondervermögen um zehn Prozentpunkte, bei Verteidigungsausgaben von 3,5 Prozent des BIP jährlich um zusätzliche 2,5 Prozentpunkte.

Allerdings nimmt der Bund schon im regulären Haushalt jährlich neue Schulden auf. In diesem Jahr soll die Neuverschuldung bei über 51 Milliarden Euro liegen. 2024 waren es auch über 50 Milliarden Euro.

Der Bund muss dadurch bereits jetzt hohe Summen für den Schuldendienst aufwenden. Die Ausgaben für Bundesschulden lagen 2024 bei rund 39,5 Milliardden Euro, was etwa 7,8 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes entspricht.

Welche anderen Sondervermögen gibt es?

Erst in den vergangenen Jahren schufen die verschiedenen Regierungskoalitionen mehrere neue Sondervermögen. So kamen 2022 gleich zwei neue Sondertöpfe hinzu – 200 Milliarden Euro zur Bewältigung der zwischenzeitlich sprunghaft gestiegenen Energiepreise sowie 100 Milliarden zur Modernisierung der Bundeswehr. 2021 lagerte die Regierung Kosten für den Wiederaufbau nach der Flut in vier Bundesländern aus. 2020 gab es in der Coronavirus-Pandemie umfangreiche Extra-Töpfe zur Stabilisierung der Wirtschaft.

Andere Sondervermögen sind älteren Datums. 2008 wurde mit einem Sondervermögen auf die Turbulenzen am Finanzmarkt reagiert. Mit Hilfen wurden unter anderem die Commerzbank und die Hypo Real Estate aufgefangen. Seit 2011 gibt es einen Energie- und Klimafonds, der mittlerweile Klima- und Transformationsfonds heißt.

Sollte die Schuldenbremse so eine hohe Neuverschuldung nicht verhindern?

Dafür wurde sie in die Verfassung geschrieben. Grundsätzlich darf der Bund demnach maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr als neue Schulden aufnehmen.

Die Regel kann nur bei außergewöhnlichen Notsituationen ausgesetzt werden. Eine solche Notsituation muss sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Von dieser Notfall-Regelung hat der Bund in den vergangenen Jahren ebenfalls häufiger Gebrauch gemacht.

Ob die Schuldenbremse in dieser jetzigen Form noch zeitgemäß ist, wurde in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert. Viele Ökonomen sprachen sich mindestens für eine Lockerung der Schuldenregeln aus. Dies wollen SPD und CDU bei einer Regierungsbildung nun auch prüfen lassen.

Wie geht es nun weiter mit dem Sondervermögen?

Das von Union und SPD geplante Sondervermögen muss noch mehrere Hürden nehmen, bevor es beschlossen werden kann.

  • Zunächst berät der Haushaltsausschuss am Sonntag (16. März) über den Entwurf und gibt eine Beschlussempfehlung ab.
  • Anschließend steht die zweite und dritte Lesung im Bundestag für Dienstag (18. März) an. Die finale Abstimmung erfolgt namentlich – dabei verfügen Union, SPD und Grüne derzeit über eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit.
  • Parallel dazu müssen die Landesregierungen über die Pakete beraten, denn auch im Bundesrat ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Besonders Bayern könnte hier eine Schlüsselrolle spielen: Sollte sich die FDP, das BSW oder die Linke enthalten, wäre die Zustimmung der bayerischen Staatsregierung entscheidend.
  • Der Bundesrat tagt regulär am Freitag (21. März). Erst wenn dort ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, wäre das Sondervermögen endgültig beschlossen.
  • Zeitlich drängt die Entscheidung, denn am Dienstag (25. März) konstituiert sich der neue Bundestag. Falls es bis dahin keine Einigung gibt, wäre eine Mehrheit nur noch mit den Stimmen von Linken oder AfD möglich.

mit Material von Reuters und DLF

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Fernsehen | 05. März 2025 | 19:30 Uhr

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