Bundeshaushalt Wo die Parteien nach der Wahl kürzen wollen
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15. Februar 2025, 10:24 Uhr
Vor der Wahl versprechen die Parteien Steuersenkungen und soziale Wohltaten. Wo sie Geld sparen wollen, erklären Politikerinnen und Politiker dagegen ungern. Dabei gibt es Ideen – von Bürgergeld bis zu Waffenlieferungen.
- In den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl finden sich nur wenige Sparvorschläge.
- Auf Nachfrage nennen mitteldeutsche Haushaltspolitiker Kürzungspläne.
- Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler macht es sich die Politik zu einfach.
Die Kassen sind leer. Wer auch immer nach der Bundestagswahl Kanzleramt und Finanzministerium übernimmt, kommt an dieser Erkenntnis nicht vorbei. Allein im laufenden, vorläufigen Haushalt 2025 fehlen nach Angaben des geschäftsführenden Finanzministers Jörg Kukies (SPD) mindestens 16 Milliarden Euro. Oder wie es Kanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz kürzlich im TV-Duell mit seinem CDU-Kontrahenten Friedrich Merz sagte: "Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden". Scholz' Ampel-Koalition zerbrach letztlich sogar daran, den Haushalt aufzustellen.
Vorläufige Haushaltsführung
Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat im Bundestag keinen Haushalt für das Jahr 2025 verabschiedet. Deshalb gilt momentan eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung. Dabei kann die Regierung nur noch eingeschränkt handeln. Zwar werden sämtliche festgelegte Leistungen, etwa Renten oder Kindergeld, weiter ausgezahlt. Neue Projekte oder Förderprogramme können aber nicht gestartet werden – außer sie sind mit guter Begründung "sachlich und zeitlich unabweisbar".
Das Verfahren ist erprobt und gilt häufig bei Regierungswechseln. Es kann allerdings sein, dass es durch den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen noch sehr lange dauert, bis ein ordentlicher Haushalt für 2025 vorliegt. Neue Regierungen benötigten in der Vergangenheit häufig mehrere Monate, um einen Haushalt aufzustellen.
Bundesministerium der Finanzen/MDR
Die akuten Haushaltslücken stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. In den kommenden Jahren braucht es zusätzlich unter anderem hohe Milliardenbeträge für die Bundeswehr, für die marode Verkehrsinfrastruktur oder für die Unterstützung der Wirtschaft – all dies weitgehend Konsens bei CDU, SPD, Grünen und FDP. Kaum finanzierbar sind vor diesem Hintergrund die zahlreichen Wahlversprechen, mit denen die Parteien um Stimmen buhlen. Zumindest bräuchte es drastische Einsparungen an anderen Stellen, um Steuersenkungen oder weitere Sozialausgaben zu finanzieren.
Sparen kommt in Wahlprogrammen kaum vor
Doch Sparvorschläge finden sich in den Wahlprogrammen der Parteien nur wenige. Die SPD präsentiert in ihrem Programm sogar keinerlei konkrete Ideen, wie sie Ausgaben reduzieren will. Die Linke möchte lediglich die Rüstungsausgaben drastisch reduzieren. Die Grünen setzen "umweltschädliche Subventionen" auf die Streichliste und nennen konkret das Dienstwagenprivileg.
Ein paar mehr Stellen finden sich bei Union, FDP und BSW. Alle drei Parteien wollen Personal in der Bundesverwaltung abbauen sowie die Zahl der Beauftragten der Bundesregierung reduzieren. Letzteres betrifft insgesamt 43 Posten, darunter zum Beispiel der Beauftragte für Ostdeutschland oder die Beauftragte für Antidiskriminierung. FDP und BSW schlagen zudem vor, Ministerien und Behörden zu schließen oder zusammenzulegen. Beispielsweise machte die FDP bereits öffentlich den Vorschlag, das Umweltbundesamt in Dessau zu schließen.
Als einzige im Bundestag vertretene Partei macht die AfD eine größere Zahl an Sparvorschlägen in ihrem Wahlprogramm. Sie will Beitragszahlungen an die EU reduzieren, Zahlungen an Nichtregierungsorganisationen kürzen und bei der Entwicklungshilfe streichen. Zudem möchte die Partei etwa Leistungen für Ausreisepflichtige "auf ein menschenwürdiges Existenzminimum" absenken.
CDU möchte beim Bürgergeld kürzen
Auf Nachfrage nennen Fachpolitiker aus der Region gleichwohl eine Reihe weiterer Ansatzpunkte. Carsten Körber, Bundestagsabgeordneter der CDU aus dem Landkreis Zwickau, sieht vor allem beim Bürgergeld Sparpotenzial: "Wir werden als erstes daran gehen, das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abzuschaffen." Das Bürgergeld verursache deutlich höhere Kosten als das frühere Hartz-IV-System. "Und deshalb müssen wir da ganz klar ran, und wir müssen natürlich auch zurückkehren zum Prinzip des Forderns und Förderns. Wer nicht bereit ist, Arbeit aufzunehmen, obwohl er dazu in der Lage ist, der muss mit harten Sanktionen rechnen."
Grundsätzlich setzt die Union auf Wirtschaftswachstum, um mehr Einnahmen zu generieren und Kosten einzusparen. Körber, Mitglied des Haushaltsausschusses und Spitzenkandidat seiner Partei in Sachsen, rechnet vor: "Wenn es uns gelingt, einhunderttausend Bürgergeldempfänger in eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen, dann sparen wir in Summe 1,5 Milliarden." Nur ein Prozent Wirtschaftswachstum brächte für den Bund Mehreinnahmen von ungefähr fünf Milliarden Euro jährlich.
Grüne wollen investieren
Menschen in gut bezahlte Jobs bringen und damit den Haushalt entlasten – diesen Ansatz befürworten auch die Grünen. Die Leipziger Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta, ebenfalls Mitglied im Haushaltsausschuss, lehnt Kürzungen beim Bürgergeld jedoch ab, insbesondere bei der Höhe der Bedarfssätze: "Da hat man kaum Spielraum nach unten, weil – und das wissen auch die Kollegen von der Union und von der FDP – wir sind gerichtlich dazu verpflichtet, dass wir in Deutschland ein Existenzminimum jedem zusichern müssen." Deswegen sieht sie beim Bürgergeld kaum Einsparmöglichkeiten.
Grundsätzlich könne im Haushalt wenig gekürzt werden, erklärt Piechotta weiter. Die meisten Ausgaben seien verpflichtend und damit fix. Bei Investitionen wollen die Grünen zudem nicht sparen, sagt Piechotta: "Denn das würde bedeuten, dass in Deutschland noch mehr Brücken in die Vollsperrung gehen, dass wir noch mehr Zugstrecken nicht saniert bekommen. Und es würde auch bedeuten, dass wir spätestens 2028 bei der Bundeswehr richtig große Probleme bekommen." Gleichwohl müssten Prioritäten gesetzt werden. So sei etwa im Verkehrsbereich denkbar, Neubauprojekte zu stoppen und zunächst die bestehende Infrastruktur zu sanieren.
FDP plädiert für schlanken Staat
Investitionen erhöhen möchte auch die FDP. Anders als CDU und Grüne sieht die Partei Einsparmöglichkeiten in allen Ressorts. Torsten Herbst, Bundestagsabgeordneter aus Dresden und Spitzenkandidat der FDP in Sachsen, sagt: "Wir haben ein Haushaltsvolumen von 490 Milliarden Euro und fünf Prozent zu sparen, wäre aus unserer Sicht gar kein Problem. Da wären wir schon bei knapp 25 Milliarden Euro." Als weitere Ansatzpunkte nennt Herbst die Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten sowie Subventionen für Klimaschutzmaßnahmen und andere staatliche Förderprogramme. Nötig sei ein insgesamt schlankerer Staat.
Linke möchte Subventionen für Kerosin und Diesel streichen
Komplett anderer Ansicht ist die Linke. Sie möchte insgesamt nicht sparen, sondern mehr Geld ausgeben – und das durch höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen gegenfinanzieren. Janina Böttger, Spitzenkandidatin der Partei in Sachsen-Anhalt, sagt: "Wir sehen, dass die letzten Regierungen maßgeblich bei der Daseinsvorsorge und dem Sozialstaat Lücken hinterlassen haben". Auf Nachfrage nennt Böttger als Sparposten zusätzlich noch klimaschädliche Subventionen, konkret die Steuerbefreiung beim Kerosin und das Dieselprivileg.
BSW für Stopp von Waffenlieferungen
Das BSW will – wie auch die Linke – den Rotstift bei den Rüstungsausgaben ansetzen. Der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsgruppe, Christian Leye, antwortet schriftlich: "Die Erzählung von der 'kaputtgesparten' Bundeswehr ist aus Sicht des BSW ein Mythos." Die deutschen Militärausgaben hätten sich seit 2014 verdoppelt. Das BSW wolle die Bundeswehr wieder und ausschließlich zu einer Verteidigungsarmee machen. Abrüstung, eine diplomatische Beendigung des Ukrainekrieges und ein Stopp der Waffenlieferungen würden im Bundeshaushalt "mehrere Milliarden freigeben".
SPD ohne Sparvorschläge
Ebenfalls schriftlich antwortet die SPD-Politikerin Kathrin Michel, Abgeordnete aus Bautzen und Mitglied im Haushaltsausschuss. Sie verweist auf Steuererhöhungen und eine Reform der Schuldenbremse, um Wahlversprechen wie einen "Deutschlandfonds" für Investitionen zu finanzieren. Konkrete Sparvorhaben nennt sie nicht.
Der Thüringer AfD-Haushaltspolitiker Marcus Bühl, Abgeordneter aus dem Wahlkreis Gotha - Ilm-Kreis, reagierte nicht auf die MDR-Anfrage.
Bund der Steuerzahler spricht sich für Personalabbau aus
Der Bund der Steuerzahler mahnt seit Langem einen sorgsamen Umgang mit den öffentlichen Geldern an. Dass die Parteien zur Wahl neue Ausgaben versprechen, aber kaum Kürzungsvorschläge machen, kritisiert Präsident Reiner Holznagel: "Man macht es sich hier relativ einfach und umgeht natürlich auch notwendige Diskussionen", sagt er. Die Parteien wollten nicht anecken und Streit provozieren, denn Sparen tue weh.
Nach Ansicht von Holznagel ließe sich in allen Bereichen kürzen. Er nennt an erster Stelle einen Abbau bei Staatsbediensteten. Es gäbe zu viele Minister, zu viele Staatssekretäre und Beauftragte. "Diese Bundesregierung hat den größten Personalaufwuchs aller Zeiten", sagt Holznagel.
Weitere dicke Brocken sind aus Sicht des Bundes der Steuerzahler verschiedene Subventionen. Der Staat leiste es sich immer noch, dass gut verdienende Dax-Konzerne Fördergelder von Steuerzahlern erhalten. "Wir sind sogar soweit gegangen, dass wir einem US-amerikanischen Chiphersteller fast zehn Milliarden Euro Subventionen bereitstellen", spielt Holznagel auf die gescheiterte Intel-Ansiedlung bei Magdeburg an.
Auch beim Bürgergeld sieht der Steuerzahlerbund Möglichkeiten durch ein Anreizsystem. So würden die Heizungskosten für Bürgergeldempfänger heute komplett übernommen. Stattdessen könne man etwa Menschen belohnen, die weniger Energie verbrauchen. "Das würde Geld sparen und dem Klima nutzen", sagt Holznagel.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Februar 2025 | 08:08 Uhr