
Um Gewalttaten vorzubeugen Psychisch auffällige Menschen werden zum Teil genauer überprüft
Hauptinhalt
15. April 2025, 19:00 Uhr
Von wie vielen psychisch auffälligen Menschen in Sachsen-Anhalt könnte potenziell eine Gefahr ausgehen? Das will das Innenministerium nach dem Anschlag von Magdeburg künftig besser erfassen. Das Ergebnis einer Überprüfung liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor.
In Sachsen-Anhalt werden psychisch auffällige Menschen teilweise genauer auf ihr mögliches Gefahrenpotenzial untersucht. Das ist das Ergebnis einer Prüfung, die das Innenministerium veranlasst hat. Die Auswertung liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor. Um wie viele Personen es sich dabei genau handelt, teilte das Innenministerium auf Nachfrage nicht mit.
Anlass für die Überprüfung sind laut Ministerium der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sowie die jüngsten Gewalttaten in Aschaffenburg und Mannheim. Das Ministerium beauftragte demnach Anfang Februar 2025 die Polizeiinspektionen Dessau-Roßlau, Halle, Magdeburg und Stendal sowie das Landeskriminalamt (LKA), umgehend Prüfgruppen einzusetzen, um mögliche Gefahren zu erkennen.
Polizei erfasst Risikopersonen bundesländerübergreifend
Dabei geht es den Angaben nach um Personen mit Risikopotenzial, "die nach polizeilichem Kenntnisstand psychische Auffälligkeiten aufweisen". Diese Menschen seien in einem bundesländerübergreifenden Informationssystem der Polizei mit dem personengebundenen Hinweis "Psychische und Verhaltensstörung" gespeichert. Aus Sachsen-Anhalt betraf das zum Zeitpunkt der Prüfung insgesamt 180 Menschen.
Wann ein Hinweis auf "Psychische und Verhaltensstörung" erfolgt
Wie das Innenministerium mitteilte, kann ein solcher Hinweis laut bundesweit geltenden Vorgaben nur erfolgen und polizeilich gespeichert werden, "wenn ärztlich festgestellt ist, dass die betroffene Person an einer psychischen Erkrankung leidet und daraus Gefahren für sich selbst oder andere, insbesondere für Polizeivollzugsbeamte, resultieren können". Die Information über das Vorliegen einer solchen Erkrankung müsse der Polizei in schriftlicher Form vorliegen.
Zudem sollten Menschen, von denen psychische Auffälligkeiten bekannt waren und die in der "AG Aurist" – einer Arbeitsgruppe, die sich in Sachsen-Anhalt mit "gefährlichen oder besonders sicherheitsrelevanten Ausländern" befasst – ebenfalls einer aktuellen Bewertung unterzogen werden. Hier gehe es um eine Personengruppe im mittleren zweistelligen Bereich.
Weitere Prüfungen bei etwa der Hälfte der Personen
Das Ergebnis der Prüfung: In weniger als der Hälfte der Fälle soll es vorsorglich weitere Überprüfungen geben. Dazu könnten auch Fallkonferenzen gehören. Bei den anderen überprüften Personen liegt demnach kein Hinweis auf einen Gefahrenverdacht vor.
Das passiert bei einer Fallkonferenz Bei den von der Polizei initiierten Fallkonferenzen werden dem Ministerium zufolge weitere zuständige Behörden einbezogen – etwa Gesundheitsämter, sozialpsychiatrische Dienste oder Ausländerbehörden. Bei der Besprechung werden bisherige Ermittlungsergebnisse vorgestellt und das weitere Vorgehen beraten. Die Umsetzung des dabei erstellten Konzepts soll im Nachgang überprüft und dokumentiert werden.
Mehr als 70 dieser Personen unter möglichem Gefahrenverdacht befinden sich den Angaben zufolge in einer Haft- oder Unterbringungsanstalt. Es werde Vorsorge dafür getroffen, dass sie vor Entlassung erneut einer Prüfung unterzogen werden. Bei keiner der betroffenen Personen liegen demnach Erkenntnisse vor, "welche ein unmittelbares Einschreiten der Polizei erforderlich machen", so das Innenministerium.
Zum Zeitpunkt der Prüfung lagen bei keiner Person Erkenntnisse vor, welche ein unmittelbares Einschreiten der Polizei erforderlich machten.
Personen mit Risikopotenzial: Neues Konzept soll ebenfalls helfen
Neben der Gefahrenüberprüfung ist auch ein neues Konzept geplant, um besser mit womöglich gefährlichen psychisch auffälligen Personen umzugehen. Laut Innenministerium soll es von der Polizeiinspektion Dessau-Roßlau gemeinsam mit der Polizeiinspektion Stendal und dem LKA entwickelt werden und sich an einem ähnlichen Konzept der Polizei in Nordrhein-Westfalen orientieren. Es soll Ende 2025 bzw. Anfang 2026 landesweit ausgerollt werden und Zwischenergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Früherkennung und Bedrohungsmanagement" der Innenministerkonferenz enthalten.
Weitere Prüfungen geplant
Die Prüfgruppen von Polizei und LKA sollen laut Innenministerium auch künftig tätig sein und in Betracht kommende Personen in den Blick nehmen. Dennoch: Durch die Polizei könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass einzelne Personen strafrechtlich in Erscheinung treten, so das Innenministerium.
"Daher ist die Polizei zwingend auf Hinweise Dritter angewiesen, wenn z.B. deutliche Verhaltensänderungen festgestellt werden", heißt es. Informationen und Erkenntnisse müssten behördenübergreifend zusammengeführt werden, um zielgerichtet zu handeln, so Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).
MDR (Jana Merkel, Kalina Bunk)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. April 2025 | 05:00 Uhr