Ein Notarzt des DRK-Rettungsdienstes fährt mit einem VW-Bus und Blaulicht durch die Stadt.
Bei der Notfallversorgung gibt es einem Rechtsgutachten zufolge deutliche regionale Unterschiede in Deutschland. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Notfallversorgung Gutachten: Staat erfüllt Pflicht beim Rettungsdienst nicht

18. Juli 2024, 22:29 Uhr

Bund und Länder kommen ihrem Auftrag zur Notfallversorgung nur unzureichend nach. Ein Rechtsgutachten der Björn Steiger Stiftung kommt zu dem Schluss, dass es an einem flächendeckenden funktionierenden Rettungsdienstsystem fehlt.

Bund und Länder kommen ihrem Pflicht zur Notfallversorgung nur ungenügend nach. Das geht aus einem Rechtsgutachten der Björn Steiger Stiftung hervor, dass der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio erstellt hatte.

Regionale Unterschiede bei der Qualität des Rettungsdienstes

Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio bei der BPK
Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio Bildrechte: IMAGO/Jürgen Heinrich

Di Fabio sagte bei der Vorstellung des Gutachtens, zwar funktioniere das Rettungssystem in vielen Regionen, aber es gebe erhebliche qualitative Unterschiede in der Fläche. Das zeige sich vor allem bei der Länge der Hilfsfristen, also dem Zeitraum bis zur Ankunft der Rettungskräfte vor Ort.

Di Fabio identifizierte mehrere Probleme. Die Fallzahlen in der Notfallversorgung seien stark gestiegen. Rettungsdienste würden stark und häufig für einfache Erkrankungen beanspruchte. Sie hätten schlecht ausgestattete Einsatzfahrzeuge und Leitstellen würden nicht zusammenarbeiten.

Probleme durch Zuständigkeiten bei Bund und Ländern

Als wesentliche Ursache für die Probleme im Rettungsdienst hat Di Fabio die Aufsplitterung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern ausgemacht. Zuständig für den Rettungsdienst seien bislang die Bundesländer. Diese Zuordnung verstehe sich allerdings nicht von selbst. Der Bund habe eine Steuerungsverantwortung, die er nicht richtig wahrzunehmen bereit sei.

Di Fabio forderte den Bund auf, seine Steuerungsverantwortung stärker wahrzunehmen. So könnte er beispielsweise einheitliche Qualitätsstandards für die Notfallrettung stärker formulieren und einfordern.

Das deutsche Rettungswesen befindet sich gegenwärtig in einer Systemkrise.

Udo Di Fabio, Bundesverfassungsrichter
Greiner Wahnsinn: Wenn kein Notarzt mehr kommt 1 min
Bildrechte: MDR JUMP

Deutsches Rettungswesen im internationalen Vergleich abgefallen

Der Präsident der Björn Steiger Stiftung, Pierre-Enric Steiger, sieht das Rettungswesen in Deutschland im internationalen Vergleich weit abgefallen. Es sei auf dem Niveau von Entwicklungsländern. Sein Zustand sei so prekär, dass in Deutschland jeden Tag Menschen systembedingt sterbern würden.

Die Björn Steiger Stiftung Die gemeinnützige Björn Steiger Stiftung wurde 1969 von Ute und Siegfried Steiger nach dem Unfalltod ihres damals achtjährigen Sohnes Björn gegründet. Die Stiftung setzt sich für die Verbesserung des Rettungswesens in Deutschland ein. Nach eigenen Angaben hat zahlreiche Standards vorangetrieben, so etwa die Leitstellen und die Ausstattung der Rettungswagen.

Grundrecht auf Leben verpflichtet Staat zu funktionierendem Rettungsdienst

Di Fabio erklärte, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit führe zur Schutzpflicht des Staates. Der Staat sei deshalb verpflichtet, ein funktionierendes Rettungsdienstsystem zur Verfügung zu stellen. Dabei hätten alle Menschen in Deutschland Anspruch auf die gleiche Versorgung.

AFP, KNA (jsk)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 18. Juli 2024 | 19:30 Uhr

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