Zulagen für Pensionäre Mehr Geld für Ex-Beamte stößt auf Kritik
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20. Oktober 2023, 17:03 Uhr
Kaum etwas eignet sich besser für Neiddebatten als die Diskussion um Beamtenpensionen. Aktuell sind es Zulagen, die Beamte nicht nur während ihres aktiven Dienstes, sondern auch danach als Pensionäre gezahlt bekommt sollen. Der Bundesrechnungshof kritisierte das als "nicht sachgemäß". Was ist dran an der Debatte? Frank Frenzel erklärt das Vorhaben und schaut auch auf bestehende Unterschiede von Renten und Pensionen.
Kein Einzelbeispiel: 228 Euro extra im Alter
228 Euro für pensionierte Polizisten – zusätzlich zur Pension: Das erhitzt derzeit die Gemüter. "Ampel plant Extra-Zulagen – mehr Geld für Pensionäre und Ex-Soldaten", titelte zum Beispiel die "Bild". Und der "Spiegel" schreibt: "Rechnungshof rüffelt Regierung wegen geplanter Zulagen für Beamte."
Konkret geht es um Zulagen für Beamte, die ihnen auch nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als Pensionäre weitergezahlt werden sollen. So steht es im "Gesetz zur Anpassung der Beamtenbesoldung und -versorgung 2023/24", das der Bundestag demnächst verabschieden soll. Der Bundesrechnungshof hat die Weiterzahlung der Zulagen im Ruhestand als "nicht sachgemäß" kritisiert. Die Regelungen seien "zum Teil ohne fundierte Begründung und ohne Beteiligung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung" in den Entwurf gelangt, rügt nun der Rechnungshof.
Berufsgruppen und ihre Zulagen
Ehemalige Bundespolizisten, BKA-Beamte und Zöllner sollen die Polizei-Zulage von derzeit 228 Euro im Monat auch im Ruhestand erhalten – und nicht nur sie, sondern auch: ehemalige Beamte der Feuerwehr (190 Euro Zulage im Monat), Soldaten in Führungspositionen (150 Euro Zulage im Monat), Gebietsärzte der Bundeswehr (415 Euro Zulage im Monat), Rettungsmediziner (615 Euro Zulage im Monat) und Soldaten bei der Marine (700 Euro "Zulage im maritimen Bereich" monatlich).
Nicht jede Zulage ruhegeldfähig
Eignen sich diese Zulagen tatsächlich für eine Neiddebatte? Zunächst muss man berücksichtigen, dass es die sogenannte Polizeizulage für Pensionäre schon früher gab: bis 1998. Dann wurde sie komplett gestrichen. Die Zahlung ist also eine Wiederbelebung einer alten Praxis.
Weiter muss man berücksichtigen, dass es nicht unüblich ist, dass Zulagen für Beamte auch bei der Pension berücksichtigt werden. So gibt es für Beamte eine ganze Reihe von Zulagen, zum Beispiel:
- Amtszulagen und Stellenzulagen
- Prämien und Zulagen für besondere Leistungen
- Prämie für besondere Einsatzbereitschaft
- Personalgewinnungs- und Personalbindungsprämie
- Zulage für die Wahrnehmung befristeter Funktionen
- Zulagen für besondere Erschwernisse
- Auslandszuschlag
- Kaufkraftausgleich (bei Dienst im Ausland)
- Auslandsverwendungszuschlag
Die wenigsten sind zwar ruhegeldfähig, wie es im Amtsdeutsch heißt, einige jedoch schon: zum Beispiel die Amtszulage und die Stellenzulage.
So gibt es aus der Politik auch keine Kritik an den Zulagen für Pensionäre, selbst von den Linken nicht. Matthias Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag erklärt: "Ich finde, wer beispielsweise gefährlich gearbeitet und dafür eine Gefahrenzulage erhalten hat, soll davon auch im Ruhestand etwas haben. Wer sich und seine Gesundheit im Dienst für die Allgemeinheit gefährdet hat, der oder die soll dafür auch im Alter eine Anerkennung erhalten."
Zulagen bringen auch bei gesetzlicher Rente mehr Geld
Auch das gehört zu Wahrheit: Zulagen, die Angestellte und Arbeiter als Lohn oder Gehalt beziehen, gehen in die Rente ein, sofern sie als Bestandteil des Bruttolohnes rentenversicherungspflichtig sind. Eine angestellte Krankenschwester zum Beispiel, die in ihrem Job vom Arbeitgeber Zulagen bezieht, zahlt darauf Rentenbeiträge, die im Alter ihre Rente erhöhen.
Darauf weist Michael Eufinger, stellvertretender Pressesprecher des "DBB Beamtenbund und Tarifunion", hin, der die Debatte um die Zulagen für Pensionäre als "irreführend" bezeichnet. "Zulagen sind seit einer Kürzungsreform von 1998 grundsätzlich nicht mehr ruhegehaltfähig. Es sei denn, die Ruhegehaltfähigkeit ist ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Während Zulagen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts verbeitragt werden und die spätere Rente erhöhen, verschwinden für Beamte grundsätzlich alle Zulagen im Ruhestand", sagt er.
Durchschnittspensionen vs. Durchschnittsrenten
Der Vergleich von Beamtenpensionen mit gesetzlichen Renten führt immer wieder zu Neiddebatten. Einerseits sind da die Pensionäre, die für ihre üppigen Pensionen selbst keine (Renten-)Beiträge zahlen müssen – und andererseits die gesetzlich Rentenversicherten, die fleißig Beiträge zahlen (aktuell 18,6 Prozent, davon die Hälfte vom Versicherten selbst) und die selbst nach 45 Arbeitsjahren nicht annähernd das Niveau einer Pension erreichen. So erhielt ein ehemaliger Bundesbeamter im Jahr 2022 im Durchschnitt eine Pension von 3.227 Euro im Monat, ein Rentner kam 2022 auf durchschnittlich 1.373 Euro je Monat (Männer) beziehungsweise 822 Euro je Monat (Frauen). Ein Bundesbeamter erzielt im Durchschnitt 65,6 Prozent seines letzten Gehaltes (in der Spitze 71,75 Prozent), der Rentner schafft es auf 48,15 Prozent netto des Durchschnittseinkommens.
Große Unterschiede gibt es auch bei der "Grundversorgung". So haben Beamte einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestpension. Die lag 2022 für Bundesbeamte bei rund 1.866 Euro brutto im Monat. Das ist mehr als bei einem besonders langjährigen versicherten Rentner, der nach 45 Arbeits- und Beitragsjahren auf 1.636 Euro kommt.
Noch größer wird der Abstand, wenn man die Mindestpension für Beamte mit der Grundrente für gesetzlich Rentenversicherte vergleicht, die zum 1. Januar 2021 eingeführt wurde und die Ruheständler mit geringen Renten als staatlichen Zuschuss bekommen. Der Zuschuss beläuft sich auf maximal 460 Euro brutto pro Monat. Damit die Hilfe fließt, muss ein Arbeitnehmer mindestens 33 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Bei Beamten reicht für die Mindestpension übrigens eine Wartezeit von fünf Jahren.
Gewerkschaften und Sozialverbände fordern schon seit Jahren die Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung. Verena Bentele, Präsidentin des VdK, sagt, das Beispiel Österreich sei auch in Deutschland möglich: "Hier ist man den Weg gegangen, dass inzwischen wirklich alle Erwerbstätigen in die Rentenversicherung einbezogen werden, also auch Beamtinnen und Beamte sowie Selbstständige und Politikerinnen und Politiker. Es geht hier allein um den politischen Willen."
Problem: Gesetzliche Rente zu niedrig
Im Klartext: Nicht die Beamtenpensionen sind zu hoch, sondern die gesetzliche Rente ist zu niedrig. Kaum ein Land innerhalb der OECD-Staaten hat ein ineffektiveres Rentensystem als Deutschland. Während das Rentenniveau in Deutschland bei circa 48 Prozent des durchschnittlichen Lebensnettoverdienstes liegt, bekommen Senioren in Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder den skandinavischen Ländern weitaus mehr.
In den Niederlanden können Senioren durch gesetzliche und betriebliche Renten auf bis zu 90 Prozent ihres früheren Nettos kommen. In Österreich lässt sich der Unterschied am besten bei sogenannten Neurentnern (also ein Rentner, der erst kürzlich in Rente gegangen ist) festmachen: Ein männlicher Neurentner in Österreich (2.174 Euro) erhält im Durchschnitt rund 80 Prozent höhere Bezüge als in Deutschland (1.199 Euro), hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) berechnet. Bei den Frauen sind es immerhin fast 60 Prozent (822 zu 1.308 Euro). Allerdings sinkt der Unterschied mit fortschreitendem Alter im Durchschnitt auf etwa 50 Prozent, weil die Rentenerhöhungen in Österreich nicht den in der Regel stärker ansteigenden Löhnen folgen, sondern der Inflation.
Und: Die Rentenbeiträge sind in Österreich (22,8 Prozent) höher als in Deutschland (16,8 Prozent), wobei der Arbeitgeber (12,55 Prozent) in Österreich einen höheren Anteil als der Arbeitnehmer (10,25 Prozent) zahlt. Dafür bekommen Rentner in der Alpenrepublik nicht zwölf, sondern 14 Monatsrenten gezahlt. Das Land hat es, wie bereits erwähnt, geschafft, Beamte ins gesetzliche Rentensystem zu integrieren, wenn auch die Umstellung über einen langen Zeitraum erfolgt.
Auch in der Kritik: Inflationsausgleich nur für Pensionäre
Die jetzige Diskussion um Zulagen für Ex-Beamte dürfte die Neiddebatte weiter anheizen. Schon bei der Inflationsausgleichsprämie fühlen sich Rentner vom Staat im Stich gelassen. Pensionäre sollen einen Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro (in mehreren Raten steuerfrei) ausgezahlt bekommen, Rentner erhalten ihn nicht.
Diesen jedoch fordert VdK-Präsidentin Verena Bentele für Rentnerinnen und Rentner, geht aber noch weiter: "Neben einer Inflationsprämie für alle Rentnerinnen und Rentner müssen vor allem langfristige Maßnahmen her, die die Renten stabilisieren. Wir brauchen eine Steigerung des Rentenniveaus auf 53 Prozent, einen armutsfesten Mindestlohn von mindestens 14 Euro pro Stunde, mehr Tarifbindung bei Unternehmen und eine Förderung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen statt Minijobs und Zeit- und Leiharbeit. Jeder verdiente Euro stärkt die Rentenkasse."
Die Zulagen für Ex-Beamte und der Inflationsausgleich für Pensionäre sind auch Thema beim Runden Tisch Rentengerechtigkeit, der insbesondere ostdeutsche Rentner vertritt. Sprecher Klaus Dieter Weißenborn sagt dazu: "Auch die Rentner sind Steuerzahler; zahlen also den Inflationsausgleich für die Bestverdiener mit. Sie aber gehen leer aus."
Der Runde Tisch Rentengerechtigkeit hat sich für Einmalzahlungen für jene Ostrentner eingesetzt, deren Rentenansprüche infolge der Deutschen Einheit nicht oder unzureichend berücksichtigt wurden. Für die 500.000 Betroffenen wurde nach jahrelangen Verhandlungen durch den Bund ein sogenannter Härtefallfonds aufgelegt, von dem auch mehrere Zehntausende Spätaussiedler und jüdische Flüchtlinge profitieren sollen. Für die vielen Betroffenen stehen 500 Millionen Euro bereit. Die Kosten für den Inflationsausgleich und die Zulagen für Pensionäre dürften diesen Betrag weit übersteigen. Allein die Zulagen der Ex-Beamten sollen dem Bund Ausgaben innerhalb der nächsten vier Jahre 321 Millionen Euro kosten. Für Klaus-Dieter Weißenborn ein krasses Missverhältnis, das zeige, dass Ostrentner "Bürger zweiter Klasse" seien.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: recap bei Youtube | 16. Juni 2023 | 17:00 Uhr