Reaktionen auf Pflegereform "Ein Tropfen auf den heißen Stein"
Hauptinhalt
26. Mai 2023, 21:00 Uhr
Eine "Enttäuschung für alle Pflegebedürftigen, Pflegenden und Angehörigen" nennt die Diakonie Deutschland die am Freitag beschlossene Pflegereform. Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein. Kritik kommt auch von anderen Pflegeverbänden sowie Vertretern von Angehörigen.
Enttäuschung, Ablehnung, aber auch lobende Worte: Die am Freitag vom Bundestag beschlossene Pflegereform hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. So sagte die Vorstandsvorsitzende des Vereins pflegender Angehöriger, Kornelia Schmidt, MDR AKTUELL, ein höheres Pflegegeld um fünf Prozent sei nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Es sei seit 2017 nicht erhöht worden. Der jetzt beschlossene Betrag gleiche die gestiegenen Kosten nicht aus. Man habe sich ein größeres und gerechtes Entlastungsbudget gewünscht. Das müsste nach Pflegegraden bemessen sein.
Thüringer Linke-Politiker: "Alles andere als entlastend"
Auch die Linke-Fraktion im Thüringer Landtag kritisierte den Beschluss. Die Regeln seien ungenügend und würden keine Lösung für die angespannte Situation bieten, sagte der Sprecher für Gesundheitspolitik und Pflege, Ralf Plötner. Das Pflegegeld reiche hinten und vorne nicht.
Die Sprecherin für Familien und Senioren, Cordula Eger, bezeichnete das Gesetz als enttäuschend. Für pflegende Angehörige seien die Regelungen alles andere als entlastend. Sie seien besonders beansprucht, da sie meist die Pflege neben ihrem Beruf stemmten. "Es braucht dringend die Anhebung von Pflegegeld, ambulante Sachleistungen, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie eine zeitliche und finanzielle Entlastung, um besser sozial abgesichert zu sein“, forderte Eger.
Deutscher Pflegerat: "Ausgaben sollten dynamisch steigen"
Das sieht auch die Diakonie Deutschland so. Sie sprach am Freitag von einer "Enttäuschung für alle Pflegebedürftigen, Pflegenden und Angehörigen". Die Reform lasse vor allem pflegende Angehörige im Regen stehen, die nach wie vor die größten Pflegeleistungen schulterten, erklärte die Vorständin Sozialpolitik, Maria Loheide. Die Kostensteigerungen der letzten Jahre würden bei Weitem nicht von der Pflegeversicherung ausgeglichen.
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, sagte dem SWR: "Die Erhöhungen für die Angehörigen und Pflegebedürftigen liegen zwischen 14 und 40 Euro im Monat." Das helfe den Bedürftigen kaum weiter. Der Pflegerat fordert deshalb, dass die Ausgaben dynamisch steigen sollten, "damit die Bedürftigen nicht immer wieder auf ein neues Gesetz warten müssen".
Die Stiftung Patientenschutz kritisierte, mit der Reform würden die selbst gesteckten Ziele des Koalitionsvertrags nicht erreicht. Weder gebe es eine Dynamisierung der Pflegeleistungen, noch würden die entnommenen Milliarden aus der Pandemiezeit in die Pflegeversicherung zurückgezahlt, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Die Altenpflege bleibt das Stiefkind der Bundesregierung."
Spitzenverband GKV sieht "kleine Verbesserung"
Der Deutsche Landkreistag begrüßte die Erhöhung der Leistungen für pflegende Angehörige. "Die Menschen wollen möglichst lange in der eigenen Häuslichkeit bleiben und dort gepflegt werden", erklärte Landkreistagspräsident Reinhard Sager. Wesentliche Reformschritte würden aber noch immer nicht angegangen: "Angesichts des Personalmangels haben wir heute schon mancherorts einen Pflegenotstand."
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) begrüßte, dass kurz vor der Abstimmung noch das Entlastungsbudget vereinbart wurde, um pflegenden Angehörigen Auszeiten zu ermöglichen. Das sei "eine kleine Verbesserung", erklärte der stellvertretende Vorsitzende Gernot Kiefer. "Der Preis ist allerdings hoch, denn im Gegenzug hat die Regierung die Anhebung der Leistungsbeträge in der ambulanten Pflege gekürzt." Das zeige einmal mehr, "wie sehr die Finanzen der Pflege auf Kante genäht sind".
dpa (lmb)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 26. Mai 2023 | 14:00 Uhr