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Infrastruktur Warum eine Raumordnung für mitteldeutsche Regionen wichtig ist

15. April 2024, 22:17 Uhr

Zu wenig Apotheken, dafür fünf Supermärkte und leerstehende Wohn- oder Industriegebiete: Städte und Regionen verändern sich stetig, auch aufgrund des demografischen Wandels. Daher müssen sie neu gedacht oder umgeplant werden. Diese Herausforderungen soll die Raumplanung angehen und ausgewogene Lebenräume für Bürger sowie Wirtschaft schaffen.

Ob das Anlegen von Parks in Chemnitz, die Neu-Nutzung eines ehemaligen Industriegeländes in Halle (Saale) oder die Ansiedlung von mehr Ärzten im ländlichen Raum Thüringens: Bei all diesen Themen prallen unterschiedliche Ansichten von Nutzung, Finanzierung und Umsetzung aufeinander.

Deshalb gibt es die Raumordnung beziehungsweise Raumplanung. Sie versucht mittels verschiedener Instrumente und Experten wie Stadtplaner verschiedene Vorstellung frühzeitig zu berücksichtigen, um am Ende eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Raumordnung: Ein Instrument der Steuerung von Infrastruktur

Die Raumordnung ist eine fachlich übergreifende – von Bund und Ländern gemeinsam – Planungsmethode, um gezielt auf die räumliche Entwicklung der Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt in einem Gebiet einzuwirken. Dabei soll sie die unterschiedlichen und teils konkurrierenden Ansprüche auf Nutzflächen ordnen, koordinieren und steuern.

Vor allem in der Steuerung sieht das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung ihre Bedeutung. Auf Nachfrage von MDR AKTUELL erklärt die Behörde, dass Raumordnung wichtig sei, weil die Ressource Lebensraum, also die eigentliche Fläche, begrenzt sei. Deshalb müsse geregelt werden, wie diese nachhaltig genutzt werden soll und wie nicht.

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Fr 08.07.2022 11:50Uhr 00:27 min

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Schriftlich teilte das Ministerium mit: "Nicht jedes Dorf braucht ein Gymnasium oder ein großes Möbelhaus, weil nicht in jedem einzelnen Ort dafür ein Bedarf besteht. Wenn man die Entwicklung dem Selbstlauf überlassen würde, dann wäre am Ende in jedem Ort ein großer Supermarkt, ein Möbelhaus, ein Flughafen und ein Autobahnanschluss. Das wäre vielleicht auf den ersten Blick für die Bewohner des Ortes schön, aber dann wäre kein Platz mehr da, um auf dem Feld Getreide anzubauen."

Raumordnung sorgt für gleichwertige Lebensverhältnisse

Weiter heißt es, die Raumordnung habe bei der Gestaltung der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung eine besondere Aufgabe. "Wo eine Straße verläuft, kann kein Haus mehr gebaut werden. Wo ein Wald ist, können wir kein Hochhaus bauen, aber vielleicht ein Naturschutzgebiet. Als Oberste Raumordnungsbehörde achten wir darauf, dass alle Interessen einen Platz bekommen." Auch die Mitgestaltung der Energiewende, konkret bei der Umsetzung der Flächenziele für die Windenergie, sei ein zentrales Thema, erklärte die Behörde weiter.

Sie schaffe daher die Grundlage dafür, dass überall in zumutbarer Entfernung eine Arztpraxis, eine Bibliothek oder ein Gymnasium vorhanden sei. Das müsse jedoch mit Ordnung passieren. So nütze es niemanden, wenn um Marienberg herum 20 Möbelhäuser vorhanden wären, in anderen Großstädten aber kein einziges. Deshalb regele die Raumordnung, dass nur in oder bei Orten bestimmter Größe solche Einrichtungen zugelassen oder geplant werden.

Damit hat sie dem Entwicklungsministerium zufolge zwar keine direkte Auswirkung auf die Bürger, "aber sie setzt den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung des Freiraums, für eine ausgewogene Siedlungsstruktur." Damit sorge sie für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes. Das sei ein wichtiger Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Regionen.

Bund-Land-Gemeinde: Raumordnung auf drei Planungsebenen

Raumplanung analysiert die unterschiedliche Anforderungen, Konflikte und Chancen für Räume und zeigt darauf aufbauend Konzepte, Lösungswege und Strategien auf. Außerdem begleitet sie anschließend deren Umsetzung. "Sie sorgt als neutrale Instanz dafür, dass für Wohnen, Gewerbe, Industrie, Verkehrswege, Windenergie oder Natur genügend geeignete Flächen zur Verfügung stehen und dass Konflikte möglichst vermieden oder ausgeglichen werden", betont das sächsische Entwicklungsministerium.

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Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist ein gestuftes Planungssystem vorgesehen. Die oberste Ebene des Planungssystems ist die Bundesebene. Sie definiert den gesetzlich und rechtlichen Rahmen. So wird mit dem Raumordnungsgesetz (ROG) Grundsätze der Raumordnung als allgemeine Vorgaben zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung festgelegt.

Die eigentliche Raumordnung findet auf der Ebene der Landes- und Regionalplanung satt. Hier werden die Rahmenbedingungen festgelegt. Die Landesplanungsbehörden erarbeiten und beschließen Entwicklungspläne und Entwicklungsprogramme sowie Raumordnungspläne. Diese werden von den Trägern der Regionalplanung weiter konkretisiert. Die örtliche Raumplanung wird von den Gemeinden übernommen. Hier geht es um Entwicklungskonzepte und Bauleitplanung.

Instrumente der Raumordnung

Aufgrund der komplexen Aufgabe verfügt die Raumordnung über verschiedene Instrumente.

Der Raumordnungsplan wird unter Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden aufgestellt. In Raumordnungsplänen werden einzelne Ziele und Grundsätze der Raumordnung für ein bestimmtes Gebiet konkret festgelegt. Dabei werden die vielfältigen Nutzungen des Raums aufeinander abgestimmt und potentielle räumliche Konflikte ausgeglichen.

Beispielsweise können bestimmte Flächen für Windenergie und den Naturschutz reserviert werden. Gleichzeitig kann eine andere damit unvereinbare Nutzungen auf diesen Flächen ausgeschlossen werden. Die hier festgelegten Ziele sind in der Regel bindend.

Das Raumordnungsverfahren prüft in einer frühzeitigem Phase die Auswirkungen eines Projekts unter Einbeziehung der Öffentlichkeit. Damit sollen eventuelle Fehlplanungen verhindert und Alternativen überlegt werden. Außerdem schafft das frühzeitig Einbeziehen der Bürger Transparenz und Akzeptanz für Projekte.

Zusätzlich wird hier kontrolliert, ob die im Raumordnungsplan festgelegten Ziele der Raumordnung entsprechen. Das Ergebnis muss im anschließenden Projektgenehmigungsverfahren von der Genehmigungsbehörde berücksichtigt werden.

Die raumplanerische Zusammenarbeit bringt Unternehmen, Verbände sowie kommunale und regionale Behörden zusammen, um gemeinsam Entwicklungskonzepte und Netzwerke zu erarbeiten. Beispielsweise werden Konzepte für eine gemeindeübergreifende Abfallentsorgung oder länderübergreifender Hochwasserschutz erstellt. Die Raumordnungsbehörden starten und begleiten diese Zusammenarbeit. Sie können sie auch finanziell oder durch begleitende Forschungsmaßnahmen fördern.

Bedeutung von Ober-, Mittel- und Grundzentrum

Die Raumordnung ist besonders bedeutend für Kommunen und Gemeinden, weil sie bei der Planung der Infrastruktur Impulse gibt, aber auch dafür wichtige Finanzierung bereit gestellt werden kann. Dafür werden Regionen durch das "Zentrale-Orte-Konzept" in Ober-, Mittel- und Grundzentren ausgewiesen. Dieses Konzept habe sich als planerisches Ordnungssystem über viele Jahre bewährt, erklärte das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung.

Diese teilen unterschiedlichen Städten und Ortschaften Verantwortung für ihre entsprechenden Einzugsgebiete zu, um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Waren, Arbeitsplätzen, Wohnraum oder kulturellen Angeboten zu gewährleisten. Je nach zentralörtlicher Hierarchie haben Ober-, Mittel- und Grundzenten unterschiedliche Angebote.

Das legen die Länder und Regionen für ihre Gemeinden in eigener Zuständigkeit fest. Zum Beispiel besitzt ein Grundzentrum Kitas und Grundschulen. Ein Mittelzentrum dazu noch ein Gymnasium. Ein Oberzentrum darüber hinaus Hochschulen und Fachakademien. Für Professor Wolf-Uwe Sponer aus der Abteilung Landesentwicklung, Vermessungswesen des SMR haben "Mittelzentren eine ganz wichtige Stabilisierungsfunktion, gerade für ländliche Räume. Es hat eine dienende Funktion für das Umland."

Ober- und Mittelzentren werden von der Landesplanung in den Landesentwicklungs- und Landesraumordnungsplänen festgelegt. Die Bestimmung der Grundzentren bleibt in der Regel der Regionalplanung vorbehalten. Jedes Bundesland handhabt die Abstufung und Instrumente nach strukturellen Gegebenheiten unterschiedlich. Die Unterteilung ist vor allem für die Wirtschaftsförderung und Ansiedlungsentscheidungen bedeutsam. So können Zentren gezielt infrastrukturell gefördert werden, damit sie die Bedürfnisse von unterversorgten Regionen ausgleichen.

Ortschaften und kleinere Städte sind daher erpicht darauf, in der jeweilig höheren Kategorie eingeordnet zu werden, damit sie vom Bund und Land Gelder für Supermärkte, Bibliotheken oder Orte der medizinischen Versorgung erhalten.

Grund-, Mittel- und Oberzentrum kurz erklärt

Auf der unteren Stufe des Systems der Zentralen Orte befinden sich die Grundzentren. Diese sollen im ländlichen Raum mindestens 7.000 Einwohner haben und werden in den Regionalplänen zur Ergänzung der Ober- und Mittelzentren festgelegt. Sie dienen der Grundversorgung der Einwohner aus dem Umland. Es wird lediglich das Nötigste sichergestellt, etwa mit Kita, Grundschule, Sport- und Freizeitanlagen, Supermarkt sowie Apotheke. Daher sind sie insbesondere im ländlichen Raum wichtige Ankerpunkte für Einrichtungen der Daseinsvorsorge.

Mittelzentren sind Städte mit gehobener Versorgung. Diese sollen eine Mindestgröße zwischen 10.000 und 15.000 Einwohner haben. Hier gibt es zum Beispiel Fachärzte, Gymnasien, Krankenhäuser, Fachärzte, Altenpflege- und Betreuungsangebote, Einrichtungen der Polizei und Gerichtsbarkeit sowie gute schnelle Verkehrsanbindungen an benachbarte Oberzentren.

Oberzentren haben mindestens 50.000 Einwohner und liegen am Schnittpunkt überregional bedeutsamer Verbindungs- und Entwicklungsachsen. Sie haben mehr als 20.000 Arbeitsplätze im Ort. Es sind vor allem zentrale Städte oder Gemeindezusammenschlüsse in einer Region, die vom Land festgelegt werden. Sie haben bestimmte Funktionen innerhalb ihrer Region und stellen damit auch mehr Infrastruktur für die Bürger zur Verfügung als andere Orte. In der Regel beheimaten Oberzentren Hochschulen, Veranstaltungshallen oder bedeutende Einrichtungen und höherrangigen Behörden. Das muss verbunden sein mit einem guten überregionalen ÖPNV Anschluss für das Umland.

Kritik an Raumordnung

Hin und wieder gibt es Kritik an der Raumordnung, das räumt auch das Entwicklungsministerium in Sachsen ein. Nicht immer gelinge die Umsetzung. So war für Sachsen im Landesentwicklungsplan 2013 die flächendeckende Breitbandversorgung vorgesehen. Diese ist trotzdem noch nicht überall vorhanden. Das mache aber einen Landesentwicklungsplan generell nicht unnötig, erklärt das Ministerium. Es gebe oftmals kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsdefizit.

Auch die Entscheidung über die Ansiedlung von Schulen, Ärzten oder Supermärkten passiere nicht immer auf der Grundlage der Raumordnung, sondern hänge von weiteren (behördlichen) Zuständigkeiten ab und "die Trägerschaft von Gymnasien obliegt anderen Entscheidungsträgern", erklärte die Behörde.

So müsse sich die Raumordnung auch von sich aus weiterentwickeln. Dazu gehören dem Ministerium zufolge mehr Flexibilität der Handlungsinstrumente, die stärkere Orientierung an den Erwartungen der Bürger und ein besonderer Fokus auf Faktoren wie Kitas, die junge Familien im ländlichen Raum vom Wegzug abhalten.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 21. Februar 2024 | 19:41 Uhr

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