Großbaustelle auf der Annaberger Straße in der Stadt Zwönitz
Großbaustelle auf der Annaberger Straße im sächsischen Zwönitz (Archivbild). Bildrechte: IMAGO / Andre März

Zeitverzug Warum es für öffentliche Bauaufträge oft keine Bewerber gibt

21. August 2024, 07:31 Uhr

Wenn Städte oder Gemeinden Bauvorhaben verschieben müssen, liegt das manchmal auch daran, dass sich keine Baufirma für den Auftrag findet. Das ist zuletzt erst wieder in Halle passiert. Dort soll zwischen Dölau und Lieskau eigentlich ein Fuß- und Radweg gebaut werden. Auf eine europaweite Ausschreibung hat sich aber keine Firma beworben. Warum passiert das immer mal wieder?

Wer privat ein Haus bauen will, kann sich einfach eine Baufirma suchen. Für öffentliche Bauprojekte ist das nicht ganz so einfach. Sie müssen ausgeschrieben werden. Das hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil: Die Vergabe läuft transparent ab. Ein Nachteil: Es gibt viel Bürokratie.

Hoher bürokratischer Aufwand

Was Firmen für die Bewerbung auf ein öffentliches Bauprojekt alles einreichen müssen, weiß Andreas Geyer. Er ist Hauptabteilungsleiter für Wirtschaft im Zentralverband Deutsches Baugewerbe: "Unter anderem den Umsatz der letzten drei Jahre müssen sie darlegen. Sie müssen darlegen, welche Leistungen sie in den letzten fünf Jahren abgeschlossen haben, wie ihre Liquiditätssituation ist, dass sie keine Verfehlungen haben, et cetera."

Dieses Problem kennt auch Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und fordert Veränderung. Viele Unternehmen sagten schlicht, dass ihnen die Anforderungen zu aufwendig seien. Sie würden lieber einen privaten Auftrag annehmen, bevor sie sich bei der öffentlichen Hand um einen Auftrag bewerben. "Deswegen ist es aus kommunaler Sicht wichtig, dass das Vergaberecht und dessen Anforderungen nachhaltig vereinfacht und praxisgerecht gestaltet wird."

Öffentliches Zahlungsverhalten schlecht bewertet

Das klingt nach einem typisch deutschen Problem: zu viel Bürokratie. Laut Andreas Geyer vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe gibt es aber noch zwei weitere wichtige Punkte. Einer davon ist das Geld. Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, wie viel Geld gezahlt wird – sondern wie pünktlich das Geld bei den Firmen ankommt. "Die öffentliche Hand ist ein verlässlicher Zahler, aber die Zahlungen kommen offensichtlich nicht in dem vereinbarten Rhythmus."

Bauselle für einen Radweg an der Elbe auf Höhe der Saloppe.
Bau eines Fahrradwegs an der Elbe Bildrechte: IMAGO / Sven Ellger

Dazu hatte der Zentralverband erst im Juni eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin heißt es, dass deutsche Baufirmen das Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand schlechter bewerten als das von gewerblichen oder privaten Auftraggebern. Grundlage ist eine Umfrage des Verbands: "35 Prozent der rückmeldenden Unternehmen finden das Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand gut. Beim gewerblichen Bereich sind es 55 Prozent, die das gut finden und für den privaten Bereich sind es 73 Prozent."  

"Ausnahmen bestätigen die Regel", sagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, der die Kritik aber grundsätzlich zurückweist. Da müsse man immer sehr genau den Einzelfall anschauen, sagt er. Die Kommunen seien als öffentliche Hand natürlich verpflichtet, ordnungsgemäß zu zahlen und das würden sie auch tun. "Das setzt aber voraus, dass eine Baumaßnahme ordnungsgemäß beendet wurde, dass vertragsgemäß geleistet wurde. Und ab und an gibt es natürlich noch Nachbesserungsbedarf, der dazu führt, dass die Zahlungen zurückgehalten werden. Da muss man sich ehrlich machen."

Konkurrenz durch gewerbliche Aufträge

Es gibt noch einen dritten Punkt, warum sich für manches Bauvorhaben keine Firma findet: der Wettbewerb. Wenn zum Beispiel gewerbliche Aufträge größer und attraktiver sind, könnten Firmen eher darauf ausweichen. So gibt es gerade im gewerblichen Tiefbau Konkurrenz, sagt Andreas Geyer: "Wir reden alle von der Energiewende. Dazu gehört, dass wir die Netze ausbauen. Und da haben sie gerade in diesem Tiefbaubereich große Projekte, die umgesetzt werden von den Netzbetreibern Netze auszubauen. Das heißt, da hat ein gewisses Ausweichen hin zu solchen Aufträgen stattgefunden."

Geyer weist aber auch darauf hin, dass im Bereich Tiefbau die Firmen eher Aufträge aus öffentlicher Hand vermissen. Denn – wichtig zu wissen: Manche Firmen können nicht auf andere Auftraggeber ausweichen – zum Beispiel beim Straßenbau. "Also, sie bauen ja nicht privat eine Straße oder eine Eisenbahnschiene. Das machen sie gegenüber der öffentlichen Hand."

Neue Ausschreibungen kosten Zeit

Am Ende hängt es wahrscheinlich immer von den genauen Umständen ab, warum ein öffentliches Bauvorhaben verschoben werden muss. Dass das nicht so weitergehen kann, meint auch Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund: "Es ist der öffentlichen Hand und auch den Kommunen nicht damit gedient, dass sie dann im Grunde nur noch wenige Angebote vorliegen haben, die zum Teil dann auch überteuert sind. Das sind alles Steuergelder, die verausgabt werden."

Wenn sich keine Firma auf eine Ausschreibung bewirbt oder das Angebot zu teuer ist, gibt es oft eine erneute Ausschreibung. Und so dauert es manchmal eben länger, bis zum Beispiel der neue Fahrradweg gebaut wird.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. August 2024 | 11:09 Uhr

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