Porträt Hans Modrow – Hoffnungsträger, Regierungschef und Oppositionspolitiker
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11. Februar 2023, 12:46 Uhr
Mit Hans Modrow ist einer der populärsten Politiker der Linken gestorben. Als SED-Funktionär galt er vielen als Hoffnungsträger, als Regierungschef versuchte er, die DDR zu retten, die er im Rückblick kritisierte und verteidigte.
- Modrow galt in den späten 1980er-Jahren als ein Hoffnungsträger der SED
- In der Wende wurde er Chef der DDR-Regierung und Führungsfigur der PDS
- In den letzten Jahren wuchsen die Spannungen mit der Spitze der Linken
Hans Modrow wurde am 27. Januar 1928 in Jasenitz (Jasienica) nahe Stettin (Szczecin) geboren. Nach einer Lehre zum Maschinenschlosser wurde er in den letzten Kriegsmonaten zum Volkssturm eingezogen, geriet in sowjetische Gefangenschaft und durchlief dort eine Antifa-Schule.
1949 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich, obgleich seine Familie inzwischen im Westen lebte, in der DDR nieder. Nach einem kurzen Intermezzo als Schlosser startete Modrow eine hauptamtliche Politik-Karriere.
Steile Politkarriere nach dem Krieg
Modrow studierte an der Komsomol-Hochschule in Moskau und an der der SED, war Mitglied des Zentralrats der FDJ und stieg noch in den 1950er-Jahren in die Berliner Bezirksleitung der SED auf. Es folgte ein weiteres Studium (Ökonomie, inklusive Promotion), und ab 1967 war er Mitglied des Zentralkomitees. 1973 wurde Modrow nach Dresden geschickt, übernahm die dortige SED-Bezirksleitung und behielt sie bis zur Wende 1989.
Modrow galt im Gegensatz zu vielen DDR-Spitzenfunktionären als integer und bescheiden. So lehnte er eine Dienstvilla ab und lebte in einer normalen 3-Zimmer-Wohnung. Dies brachte ihm in den ersten Jahren nach der Wende den Spitznamen "der ehrliche Hans ein".
Modrow als Honecker-Nachfolger?
Nach 1990 kamen auch immer wieder Gerüchte auf, es habe einen geheimen Plan der Sowjetunion beziehungsweise des KGB gegeben, Honecker zu stürzen und durch Modrow zu ersetzen. Der frühere Chef der Berliner SED-Bezirksleitung Günther Schabowski berichtete in seinem Buch "Wir haben alles falsch gemacht" von einem Geheimtreffen in Dresden im Frühjahr 1987, an dem der aus dem Ministerium für Staatssicherheit ausgeschiedene Ex-Auslandsaufklärungschef Markus Wolf, der stellvertretende KGB-Vorsitzende und Gorbatschow-Vertraute Wladimir Krjutschkow sowie Modrow teilnahmen. Letzter bestätigte das Treffen, meinte aber, es sei der sowjetischen Seite nur um eine Lageeinschätzung gegangen.
Fakt ist, dass Modrow in den 1980er-Jahren früher und heftiger mit dem wachsenden Unmut der Bevölkerung konfrontiert worden war als andere Bezirkschefs – und mit seiner pragmatischen Art als sogenannter Hoffnungsträger galt. In der Wendezeit gab es in Dresden mit der "Gruppe der 20" die ersten geregelten Gespräche zwischen Behörden, Partei und Opposition. Anderseits erlebte Dresden wenige Tage vorher die gewaltsamsten Zusammenstöße zwischen Staatsmacht und Bürgern, als Menschen versuchten, am Hauptbahnhof auf die aus Prag kommenden Flüchtlingszüge aufzuspringen.
Modrow als Ministerpräsident
Am 13. November 1989 wurde Modrow von der Volkskammer zum Vorsitzenden des Ministerrates gewählt. In seiner Amtszeit strebte Modrow zunächst eine Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik an, bat vergeblich bei Bundeskanzler Kohl um einen Milliardenkredit, der die Wirtschaft des Landes retten sollte. Später schwenkte Modrow um und schlug unter dem Titel "Deutschland einig Vaterland" eine Föderation vor.
Den Unmut der Bevölkerung zog er sich zu, als er im Dezember 1989 versuchte, die inzwischen in Amt für Nationale Sicherheit umbenannte Stasi in einen DDR-Verfassungsschutz zu überführen. Mit seiner Regierung und seinem Namen verbunden ist auch das Modrow-Gesetz, welches Nutzern von volkseigenen Immobilien und Grundstücken einen Kauf zu günstigen Konditionen ermöglichte. Das Gesetz sorgte nach der Deutschen Einheit jahrelang für Rechtsstreit, da die Grundstücke nun deutlich wertvoller waren und die Kommunen eine Nachzahlung haben wollten. Erst 2004 schloss ein Urteil des BGH dieses Kapitel.
Außerdem bereitete Modrows Regierung freie Wahlen vor. Mit der Abstimmung am 18. März 1990 war Modrows Regierungszeit dann beendet.
Führungsfigur in der PDS/Die Linke
Modrow gilt als einer der Väter der "Gründung" der PDS. Auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 warb er eindringlich, die Partei nicht aufzulösen. In der Folge benannte sie sich in SED-PDS und später in PDS um. Für die Partei saß Modrow von 1990 bis 1994 im Bundestag und von 1999 bis 2004 im EU-Parlament.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und der frühere PDS-Vorsitzende Gregor Gysi erklärten in einer Mitteilung zum Tode Modrows, dessen Wirken "im Bundestag, im Europäischen Parlament und als Ehrenvorsitzender der PDS bestand immer darin, auch jenen Teil der früheren DDR-Bevölkerung zu vertreten, der nicht gewollt war und dessen Interessen regelmäßig verletzt wurden".
Verurteilung wegen Wahlfälschung
In den 1990er-Jahren wurde Modrow wegen Anstiftung zur Wahlfälschung und wegen Falschaussage zu Bewährungsstrafen verurteilt. In ersterem Fall wurde ihm angelastet, bei der Kommunalwahl 1989 mehrfach Anweisungen zur Wahlfälschung gegeben zu haben. In letzterem ging es um Modrows Aussagen zum rigiden Vorgehen der Staatsführung Anfang Oktober 1989. Modrow hatte in einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags unter Eid ausgesagt, er habe kein Weisungsrecht gegenüber Kampfgruppen, Polizei und Stasi gehabt und bei den Demonstrationen am 7. und 8. Oktober 1989 seien keine Kampfgruppen eingesetzt worden.
Kritische Verteidigung der DDR
Dass die DDR den erstrebten Sozialismus nicht umsetzte, räumte Modrow ein. Die sozialistische Planwirtschaft habe versagt, meinte er rückblickend. Vor allem die Verweigerung demokratischer Bürgerrechte bewertete er als großes Defizit. Die SED-Propaganda habe den Menschen stets die bessere Gesellschaft vorgegaukelt, die es aber nicht gegeben habe.
Genauso deutlich wandte sich Modrow dagegen, die DDR ausschließlich als Unrechtsstaat zu verteufeln. In seinem Buch "In historischer Mission – Als deutscher Politiker unterwegs" schreibt er, in der Bildungs- und Gesundheitspolitik habe es gute Ansätze gegeben. Den Bau der Mauer hielt er auch im Rückblick für gerechtfertigt. Dieser habe am 13.
August 1961 eine unübersichtliche, gefährliche Lage zwischen den Blöcken geklärt, die Berlin-Krise beendet und "objektiv Voraussetzungen für die Entspannungspolitik" geliefert.
Auch der schnelle Vollzug der deutschen Einheit hatte Modrow geärgert. Mit dafür verantwortlich machte er den damaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow. Er habe in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen über die deutsche Wiedervereinigung das sowjetische "Faustpfand DDR" überhaupt nicht ausgespielt, kritisierte
Modrow 2009 im "Neuen Deutschland".
Teilerfolg im Streit um Akteneinsicht
2018 erzielte Modrow einen viel beachteten Teilerfolg im Streit um Akten, die der Bundesnachrichtendienst über ihn angelegt hatte. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verpflichtete am 28. Februar 2018 den BND, Modrow detaillierte Auskünfte zu folgenden Themen zu geben: zu seiner Zeit in den 1950er-Jahren, als er für das Abgeordnetenhaus von West-Berlin kandidierte, zu seiner Stilisierung zum Hoffnungsträger in der SED und zum Nachfolger Honeckers sowie zu seinen internationalen Kontakten und Auslandsreisen.
Wirbel um Äußerungen zum Ukraine-Krieg
In den letzten Jahren war sein Verhältnis zur Parteispitze der Linken nicht frei von Spannung. 2018 kritisierte er als Vorsitzender des Ältestenrats der Linken in der "Sächsischen Zeitung", seine Partei bleibe angesichts neuer rechtspopulistischer Strömungen "deutlich unter der aktuellen Herausforderung" zurück.
Im April 2022 zog sich Modrow aus dem Ältestenrat der Linken zurück. Auslöser war ein Streit um Äußerungen zum Überfall Russlands auf die Ukraine. In einem öffentlich gewordenen Papier des Ältestenrates hieß es: "Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Oststaaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum." Dies hatte in der Partei heftige Kritik ausgelöst.
Modrow nannte diesen Satz "offenkundig missverständlich", weshalb er ersetzt worden sei: "Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sind größte Gefahren für die Erweiterung des Krieges verbunden. Mehr denn je ist die Politik herausgefordert."
dpa/MDR(ksc,kos)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 11. Februar 2023 | 11:00 Uhr