Nato-Verteidigungsbündnis Ischinger: "Wir müssen abschreckungsfähig sein"
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14. Februar 2024, 22:39 Uhr
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat es begrüßt, dass Deutschland in diesem Jahr das Nato-Ziel der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Ischinger sagte MDR AKTUELL, man habe Krieg in Europa und dieser gehe nicht einfach vorbei. Deshalb müsse man sich wappnen.
- Wolfgang Ischinger nennt Abschreckung Kriegsverhinderung
- Bundesverteidigungsminister Pistorius warnt vor Debatten um EU-eigene Atombomben
- Neue Nato-Zahlen legen deutsche Rekordausgaben für die Verteidigung offen
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziel des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung als erfreuliche Nachricht bezeichnet. Ischinger sagte MDR AKTUELL: "Die Aufregung ist berechtigt. Wir haben Krieg in Europa." Er habe den Eindruck, dass gerade in Deutschland manche immer noch erwarteten, diese Zeitenwende gehe vorbei und alles werde wieder wie früher. Doch das werde nicht passieren. Deswegen müssen man sich wappnen.
Wir müssen abschreckungsfähig sein.
Ischinger sagte, dabei gehe es nicht einfach um Aufrüstung. Es gehe darum abschreckungsfähig zu sein. "Abschreckung ist Kriegsverhinderung. Im Augenblick können wir nicht abschrecken, weil wir viel zu schwach sind." Ischinger sieht Europa von einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit derzeit "Lichtjahre entfernt".
Trump-Rede schürt Zweifel an Verlässlichkeit der USA
Seit einer Rede Donald Trumps bestehen Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Nato-Partner. Das schürt weitere Sorgen bei den EU-Staaten bezüglich des europäischen Schutzschirms. Die Idee der SPD-Europakandidatin, Katarina Barley, EU-eigene Atombomben ins Spiel zu bringen, bezeichnete Ischinger jedoch als "schlicht und ergreifend baren Unsinn". Man könne Abschreckung nicht durch eine Entscheidung per Komitee treffen.
Es wäre lächerlich, wenn die Entscheidung alle 27 Staats- und Regierungschefs in einer Sondersitzung treffen müssten. Der einzige Weg sei es, mit den existierenden Nuklearmächten, Frankreich und dem Nato-Partner Großbritannien, das vertrauliche Gespräch zu suchen.
Pistorius drängt auf dauerhaftes Einhalten des Zwei-Prozent-Ziels
Verteidigungsminister Boris Pistorius drängt in der Debatte darauf, schnell einen Plan zu entwickeln, wie Deutschland auch in Zukunft die Nato-Zielvorgaben erreichen kann.
Diskussionen über einen europäischen Atom-Schutzschirm ohne die USA bezeichnete Pistorius hingegen als "aufgeregte Debatten zur Unzeit". Dies sei eine völlig unnötige "Eskalation", sagte er zu Vorstößen anderer Sozialdemokraten.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht gar die "Glaubwürdigkeit" der bestehenden atomaren Abschreckung in Gefahr. Stoltenberg sagte am Rande eines Verteidigungsministertreffens im Nato-Hauptquartier, die US-Atomwaffen in Europa und die nukleare Teilhabe Deutschlands und anderer Länder seien "ein funktionierendes nukleares Abschreckungsmittel". Die Mitgliedsländer dürften "nichts tun, um die Glaubwürdigkeit all dessen zu untergraben".
Zahlen legen deutsche Rekordausgaben offen
Als Reaktion auf Trumps Äußerungen legte Stoltenberg neue Zahlen zu den Verteidigungsausgaben der Nato-Länder vor. Nach seinen Angaben geben in diesem Jahr 18 der 31 Verbündeten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aus. Zugleich betonte Stoltenberg, die zwei Prozent seien ein Minimum.
Deutschland meldete der Nato erstmals seit drei Jahrzehnten wieder Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für das laufende Jahr sei eine Summe von 73,4 Milliarden Dollar geplant, meldete die Deutsche Presse-Agentur.
Münchner Sicherheitskonferenz beginnt Freitag
Über die Sicherheit in Krisenzeiten beraten ab Freitag hochrangige Regierungsvertreter bei der 60. Münchner Sicherheitskonferenz. Erwartet werden der Polizei zufolge mehr als 50 Staats- und Regierungschefs, etwa 60 Außenminister, über 25 Verteidigungsminister und eine Vielzahl weiterer politischer Vertreter. Die Polizei ist bis Sonntag mit einem Großaufgebot von 5.000 Einsatzkräften vor Ort. Für die drei Konferenztage sind bereits etliche Demonstrationen angemeldet worden.
MDR, dpa, AFP (lmb, lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 14. Februar 2024 | 08:47 Uhr