Steuerungerechtigkeit Warum die Mehrwertsteuer Menschen mit geringem Einkommen stärker belastet
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28. August 2023, 14:59 Uhr
Die Gerechtigkeit des deutschen Steuersystems wird immer wieder diskutiert – meist geht es um Einkommen-, Erbschaft- und Vermögensteuer. Eine Steuer, die bei diesem Thema oft außer Acht gelassen wird, ist die Mehrwertsteuer. Denn die gilt gleichermaßen für alle, oder? Auf Güter des täglichen Bedarfs werden sieben Prozent Steuern erhoben. Doch diese sieben Prozent belasten Menschen mit geringeren Einkommen stärker.
- Relativ am Einkommen stellt die Mehrwertsteuer eine höhere Belastung für kleinere Einkommen dar.
- In Spanien wurde die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel bereits abgeschafft.
- Kann man statt Grundnahrungsmittel nicht Luxusgüter versteuern?
Bund, Länder und Kommunen haben im vergangenen Jahr 895,7 Milliarden Euro durch Steuern eingenommen. Oft wird behauptet, dass Reiche einen Großteil der Steuerlast tragen. Schaut man nur auf die Lohnsteuer, stimmt das auch, denn hier tragen Menschen mit einem hohen Einkommen einen Großteil der Steuerlast.
Was aber oft vergessen wird, sind die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Im Jahr 2022 hat der Staat 285 Milliarden Euro allein aus der Mehrwertsteuer eingenommen – und damit mehr als aus der Lohnsteuer mit 227 Milliarden Euro. Und diese Steuerlast tragen vor allem Menschen mit geringeren Einkommen.
Wer wenig hat, zahlt relativ viel
Der Grund ist simpel: Die Mehrwertsteuer muss jeder bezahlen, auch Menschen mit einem geringen Einkommen. Diese werden aber anteilig an ihrem Einkommen viel stärker durch die Mehrwehrtsteuer belastet. Julia Jirmann, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Netzwerk Steuergerechtigkeit, erklärt das Problem: "Menschen mit sehr hohen Einkommen und sehr großen Vermögen, die natürlich nur einen ganz kleinen Teil, von dem, was sie haben, ausgeben, belastet diese Mehrwertsteuer natürlich viel niedriger als die vierköpfige Familie, die wirklich alles in den Supermarkt bringt", erklärt sie.
Weg mit der Steuer auf Grundnahrungsmittel
Doch welche Möglichkeiten gibt es, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen? Eine Mehrwertsteuer relativ am Einkommen ließe sich im Supermarkt, an der Tankstelle oder im Restaurant nicht umsetzen.
Das ist die Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuer, korrekterweise Umsatzsteuer, ist eine Steuer, die auf alle Umsätze im Handel mit Waren und Dienstleistungen erhoben wird. Der Staat beauftragt Unternehmen, die Steuer auf den Nettoverkaufspreis ihrer Produkte aufzuschlagen. Momentan beträgt der Mehrwertsteuersatz 19 Prozent und der ermäßigte Steuersatz 7 Prozent.
Ermäßigter Mehrwertsteuersatz Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt für sogenannte Güter des täglichen Bedarfs. Dazu zählen Lebensmittel, Bücher, Zeitschriften, aber auch lebende Tiere oder Kunstgegenstände.
Regelmäßiger Mehrwertsteuersatz
Der regelmäßige Mehrwertsteuersatz gilt für alle Güter, die nicht als Güter des täglichen Bedarfs gelistet sind oder umsatzsteuerfrei sind.
Maurice Höfgen ist Ökonom, Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, für einen Abgeordneten der Linken. Er sagt: "Die EU erlaubt es seit Neuestem, Spanien hat es schon gemacht: Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Brot und Butter also, zu streichen". "Das würde sofort dafür sorgen, dass der Postbote und die Kellnerin mit eher kleinem Gehalt sich deutlich mehr leisten könnten im Supermarkt."
Auch immer mehr Verbände fordern eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, wie der Sozialverband VdK, die Deutsche Diabetes-Gesellschaft und Verdi.
Luxusgüter statt Güter des täglichen Bedarfs versteuern
Allerdings würde dadurch auch ein großes Steuerloch entstehen. Wie kann man dieses Problem lösen? Eine naheliegende Idee ist eine höhere Besteuerung von Luxusgütern – also Produkten, die man nicht zum Leben braucht. So werden in Dänemark zum Beispiel Luxusautos hoch versteuert. Auch in Italien werde Jachten und Autos höher versteuert.
Auch in Deutschland wurde solche Forderungen bereits laut. So forderten die Grünen eine Luxussteuer auf Privatjets.
Dieses Thema im Programm: recap bei YouTube | 25. August 2023 | 17:00 Uhr