Dietmar Bartsch spricht auf dem Parteitag
Dietmar Bartsch spricht auf dem Parteitag der Linken in Augsburg. Bildrechte: picture alliance/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Bundesparteitag der Linken Linke wählt Rackete und Schirdewan für Europa, Gegenkandidat rastet aus

19. November 2023, 20:26 Uhr

Die Linke sucht den Neuanfang: Der Fraktionschef Dietmar Bartsch attackierte beim Parteitag den abtrünnigen Wagenknecht-Flügel. Mit dem Spitzenduo Schirdewan/Rackete zieht die Partei in die Europawahl – und der Forderung nach 15 Euro Mindestlohn. Bei der Wahl Schirdewans kam es zu einem Eklat durch seinen Gegenkandidaten Bijan Tavassoli.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat die zum 6. Dezember beschlossene Auflösung der Bundestagsfraktion als "dramatisch" bezeichnet. Die Liquidation sei eine "gewaltige Niederlage", sagte Bartsch am Samstag bei dem Parteitag in Augsburg. "Die Verantwortung dafür tragen zuallererst die zehn Abgeordneten, die die Partei verlassen haben. Oder besser gesagt, die neun Abgeordneten, die in der zehnten ausschließlich eine politische Heilsbringerin sehen", meinte Bartsch, ohne Sahra Wagenknecht namentlich zu erwähnen. Weglaufen, wenn es darauf ankomme, sei nicht sein Ding, betonte der Fraktionschef. "Das ist die Sache anderer."

Hintergrund Wagenknecht und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer waren im Oktober aus der Linken ausgetreten, um eine Konkurrenzpartei zu gründen. Wegen der Spaltung muss sich die Bundestagsfraktion zum 6. Dezember auflösen.

Bartsch forderte seine Genossinnen und Genossen auf, sich nun aufzurappeln. "Wir kämpfen weiter", sagte er. "Wir wollen ein politisches Comeback der Linken." Bereits zum Beginn des Parteitags am Freitag hatte die Parteispitze einen Neuanfang für die Partei ausgerufen und das Kapitel um die Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe für beendet erklärt.

Wir wollen ein politisches Comeback der Linken.

Dietmar Bartsch Fraktionschef Die Linke

Eklat bei Kandidatenwahl der Linken durch Wagenknecht-Unterstützer

Bei der Wahl von Linken-Chef Martin Schirdewan zum Spitzenkandidaten für die Europawahl kam es am Samstagabend zu einem Eklat. Bevor Schirdewan beim Parteitag gewählt wurde, sorgte sein Gegenkandidat um Platz eins der Kandidatenliste, Bijan Tavassoli, für einen Tumult.

Tavassoli nutzte seine Bewerbungsrede, um die Partei zu beschimpfen und eine Lobrede auf Sahra Wagenknecht zu halten. Zum Abschluss erklärte Tavassoli selbst seinen Parteiaustritt. Von den Delegierten des Parteitags gab es Protestrufe und Pfiffe. Tavassoli wurde gebeten, von der Bühne zu gehen, er wurde schließlich von Sicherheitsleuten aus dem Saal geleitet. Der Linkenpolitiker war bereits in der Vergangenheit mit Aktionen aufgefallen. So hatte er sich als lesbische, bärtige Transfrau ausgegeben.

Europawahl: Schirdewan und Rackete zu Spitzenkandidaten gewählt

Außerdem beschloss die Partei am Samstag ihr Europaprogramm. Die Delegierten stimmten auf dem Parteitag dem Papier des Vorstands mit dem Titel "Europa der sozialen Gerechtigkeit" zu. Darin fordert die Linke unter anderem einen Mindestlohn von 15 Euro, mehr Steuern auf hohe Einkommen und Konzerngewinne und eine möglichst wenig eingeschränkte Asylpolitik. Zudem solle das Europäische Parlament weiter gestärkt werden.

Am Abend stellten die Delegierten ihre Kandidatenliste auf. Auf Platz eins wurde Linken-Chef Martin Schirdewan gewählt, der bereits seit 2017 Europaparlamentarier ist. Er erhielt 86,9 Prozent der Stimmen. Die Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete wurde auf Platz zwei der Liste gesetzt. Die 35-Jährige wurde von 77,8 Prozent der Delegiertenstimmen unterstützt. "Ich kandidiere für die Linke, weil sie die soziale Frage nicht gegen die ökologische ausspielt", begründete die parteilose Rackete ihre Kandidatur.

Beschluss zum Nahost-Konflikt und Forderung nach 15 Euro Mindestlohn

Am Freitagabend fasste der Parteitag nach einer hitzigen Diskussion mit großer Mehrheit einen Beschluss zum Krieg im Nahen Osten. Darin wird ein sofortiger Waffenstillstand gefordert, "das heißt sowohl ein Ende der Bombardierung durch Israel als auch ein Ende des Raketenbeschusses durch die Hamas".

Die "brutalen Massaker" der radikalislamischen Palästinenserorganisation vom 7. Oktober werden scharf verurteilt und die sofortige Freilassung aller Geiseln gefordert. "Die Linke steht für das Existenzrecht Israels und eine friedliche Zweistaatenlösung", heißt es in dem Beschluss.

Ein weiteres Ergebnis des Bundesparteitags: Die Linke fordert nun offiziell eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde und eine automatische Anpassung an die Inflation. Bisher vertrat die Linke eine Zielmarke von 14 Euro, wie sie SPD und Grünen wollen.

Wagenknecht: Regierungsbildung mit SPD und Linken

Wagenknecht kann sich mit ihrer neuen Partei eine Regierungsbeteiligung vorstellen. "Wir wollen bei der Bundestagswahl so stark werden, dass wir das Leben der Menschen in Deutschland verbessern können", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Samstag.

Als denkbare Koalitionspartner nannte sie SPD und Linke. Das hänge von den Inhalten ab, aber "man kann Politik auch als starke Opposition verändern", fügte sie hinzu. "Es ist denkbar, dass sich die SPD irgendwann wieder daran erinnert, wofür sie früher einmal stand, dann gäbe es große Gemeinsamkeiten", führte Wagenknecht aus.

Übereinstimmungen mit ihrer früheren Partei Die Linke sehe sie bei Themen wie Mindestlohn oder Rente. Ein Bündnis mit den Grünen schließe sie hingegen genauso aus wie eines mit der AfD.

Wagenknechts Partei soll außerdem eine Doppelspitze bekommen. Das sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Wagenknecht kündigte an, dass sie selbst nicht an die Spitze der geplanten Partei will. Als Vorsitzende hat sie die frühere Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali ins Gespräch gebracht. Die zweite Person ist noch nicht öffentlich bekannt.

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MDR AKTUELL (dpa, AFP, yvo, lmb)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 18. November 2023 | 10:00 Uhr

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