Zeitarbeit Neue Pflegereform soll Leiharbeit eindämmen
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24. Mai 2023, 12:19 Uhr
Leiharbeit ist in der Pflege seit Jahren ein Streitpunkt. Das Bundesgesundheitsministerium hat jetzt ein Gesetz erarbeitet, um Leiharbeit zu begrenzen, das am Freitag auf der Tagesordnung steht. Lauterbachs Vorschlag wird durchwachsen aufgenommen.
- Karl Lauterbach will die Refinanzierung von Leiharbeit verbieten.
- Aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsbundes gibt es bessere Möglichkeiten, Leiharbeit einzudämmen, ohne sie unrentable zu machen.
- Leiharbeit zu begrenzen, ändere nichts an dem sich zuspitzenden Problem des Personalmangels.
Karl Lauterbach will Zeitarbeitsfirmen ein Geschäftsmodell streitig machen: Pflegerinnen und Pfleger an Altenheime zu verleihen soll sich künftig schlicht nicht mehr lohnen. Der Bundesgesundheitsminister will also die Leiharbeit nicht direkt verbieten – die Refinanzierung allerdings schon.
So ein Verbot – oder quasi-Verbot – findet Steffen Köcher gar nicht so schlecht. Er ist Chef der Seniorenheime Freiberg und für mehr als 500 Pflegebedürftige verantwortlich: "Wer Privatisierung im Bereich der menschlichen Daseinsvorsorge wollte, der muss sich nicht wundern, dass die Kräfte des Marktes funktionieren. Es ist ein profitables Geschäftsmodell für Zeitarbeitsfirmen und das geht zulasten des gesamten Versorgungssystems."
Möglichkeiten, Leiharbeit zu begrenzen
Aus Sicht von Thorsten Mittag vom Paritätischen Wohlfahrtsverband führen die Pläne Lauterbachs dazu, dass Pflegeplätze stillgelegt werden. Mittag fallen gleich mehrere Ideen ein, um Leiharbeit zu begrenzen, ohne sie gänzlich unrentabel zu machen. Zum Beispiel: "Die Leiharbeiter haben grundsätzlich bessere Arbeitsbedingungen als die Festangestellten. Das ist das Problem", sagt Mittag.
Mittag würde da am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ansetzen, das einen Gleichstellungsgrundsatz vorsieht. Doch das würden viele nicht anfassen wollen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband habe da keine Berührungsängste.
Ein anderes Thema, das Thorsten Mittag vorschlägt, um Leiharbeit hier einzudämmen: Quoten. "Wenn es eine Obergrenze gibt für die Anzahl der Entleihenden – seien es Stunden, seien es Stellen – dann kann man auf diese Weise von vornherein begrenzen", sagt Mittag.
Gefahr: Heimschließungen
Eine weitere Lösung, die das Haus Lauterbach hier vorschlägt, sind Personalpools in den Einrichtungen. Aus denen soll die fehlende Pflegekraft im Notfall einspringen können. Steffen Köcher von den Seniorenheimen Freiberg kann da nur müde lächeln: "Wenn wir, was heute in vielen Einrichtungen der Fall ist, fast jeden Tag an der Kante laufen, ist die Frage: Woher soll ich diesen Pool generieren und dienen solche Pools nicht am Ende dem dauerhaften Lückenstopfen?"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband schlägt daher vor, dass sich verschiedene Träger einen Pool teilen. Mehrausgaben sollte der Staat erstatten.
Professor Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung der Uni Koblenz, warnt hingegen, das Problem Leiharbeit überzubewerten: "Wir reden je nach Region von zwei, drei, vielleicht maximal vier Prozent der Pflegekräfte, die in Leiharbeitsverhältnissen arbeiten."
Ob mit oder ohne Leiharbeit – aus seiner Sicht verhindert kurzfristig überhaupt keine Maßnahme den fortschreitenden Mangel. Selbst wenn keiner mehr in die Leiharbeit würde, hätten Sie den sich weiter zuspitzenden Personalmangel vor allem in der sehr personalintensiven Heimpflege. Den Mangel werden Sie jetzt nicht mehr ad hoc lösen können. Die Folge: Immer mehr Heime werden schließen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Mai 2023 | 06:00 Uhr