Bundesweite Proteste Drastische Warnungen an Klinik-Protesttag: Forderungen nach mehr Geld

20. September 2023, 22:01 Uhr

An einem bundesweiten Protesttag hat die Krankenhaus-Branche erneut Hilfe vom Bund verlangt. Viele Standorte fürchten Schließungen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach machte aber keine neuen Zusagen.

Die Klinikbranche hat wegen akuter wirtschaftlicher Nöte vieler Standorte erneut zusätzliche Hilfen des Bundes verlangt. "Die finanzielle Situation der Krankenhäuser ist dramatisch, und sie gefährdet die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung", sagte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, anlässlich eines bundesweiten Protesttags am Mittwoch. In vielen Krankenhäusern und Regionen sei die Verunsicherung groß. Der Verband fordert daher einen schnellen "Inflationsausgleich".

Protestaktionen auch in den mitteldeutschen Ländern

Unter dem Motto "Stoppt das Krankenhaussterben" gab es neben einer zentralen Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin auch Aktionen in den mitteldeutschen Ländern. Die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt übergab Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in Halle einen offenen Brief. Darin heißt es: "Es wird Kliniken geben, die schon das kommende Jahr nicht mehr erleben, weil die Geschäftsführungen wegen negativer Fortführungsprognosen in den Jahresabschlüssen gezwungen sind, einen Antrag auf Insolvenz zu stellen."

Auch in anderen Städten in Mitteldeutschland gingen Menschen auf die Straße. Am St.-Joseph-Stift in Dresden forderten Beschäftigte lautstark mit Trillerpfeifen einen Inflationsausgleich. Gemeinsam mit dem Evangelischen Diakonissenkrankenhaus in Dresden schaltete der St. Joseph Stift eine Videobotschaft und wies auf die prekäre Lage hin.

In Grimma wurde gegen die Schließung der Geburtshilfe demonstriert. Ab April 2024 sollen hier keine Babys mehr geboren werden. Die Station sei zu teuer, heißt es im Ergebnis des Sanierungskonzepts für die finanziell angeschlagenen Muldental-Kliniken. Einzelne Abteilungen sollen deshalb zusammengelegt werden. Eine Geburtenstation soll es nur noch in Wurzen geben.

Lauterbach nimmt die Länder in die Pflicht

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte jedoch keine neuen Zusagen und verwies auf die geplante Krankenhausreform, die auch kleinere Kliniken absichere. Gleichzeitig machte er die Länder für fehlende Investitionen in die Kliniken kritisiert. Im ZDF-"Morgenmagazin" sagte Lauterbach: "Die Länder, die jetzt zum Teil mitdemonstrieren, bezahlen seit zehn Jahren die Investitionskosten nicht." Der Bund habe den Krankenhäusern während der Pandemie 20 Milliarden Euro gegeben. Für die Energiekosten von vier Milliarden Euro habe der Bund sechs Milliarden Euro gegeben. "Wir haben mehr zusätzlich bezahlt, als an Energiekosten überhaupt anfällt", sagte Lauterbach: "Die Länder halten sich zurück."

Die Länder, die jetzt zum Teil mitdemonstrieren, bezahlen seit zehn Jahren die Investitionskosten nicht.

Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister

Gewerkschaft Verdi: Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel

Die Gewerkschaft Verdi unterstützte den bundesweiten Protest. Vorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte: "Kein Krankenhaus, das für die Versorgung gebraucht wird, darf geschlossen werden." Tausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, das müssten Bund und Länder verhindern. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte im Protestaufruf: "Die extrem gestiegenen Preise zwingen viele Kliniken in die Knie." Kaum ein Haus könne die Ausgaben noch aus laufenden Einnahmen begleichen. Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts, das von der Branche getragen wird, sorgen sich 70 Prozent der Kliniken ernsthaft um ihre Existenz.

Kein Krankenhaus, das für die Versorgung gebraucht wird, darf geschlossen werden.

Sylvia Bühler Verdi-Vorstandsmitglied

Lauterbach verteidigt Krankenhausreform

Lauterbach bekräftigte, dass die Krankenhausreform notwendig sei. Es seien nicht mehr genug Behandlungsfälle und Personal da, um 1.700 Häuser am Netz zu halten, sagte er im ZDF. Jetzt treffe es in einem "unkontrollierten Prozess" aber teils die falschen Standorte. Die Reform sieht unter anderem vor, das Vergütungssystem zu ändern. So soll es keine Fallpauschalen für Behandlungsfälle mehr geben, damit Klinken weniger Druck haben, mehr Fälle zu behandeln. Künftig sollen sie einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dies soll auch kleinere Häuser auf dem Land absichern. Gaß forderte rasche Hilfen, damit die Krankenhäuser die Reform überhaupt erleben könnten.

dpa/afp (mze)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. September 2023 | 10:30 Uhr

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