Blick auf die Stadtinsel Havelberg
In den Kommunen sollen in den kommenden Jahren insgesamt rund 100 Milliarden Euro in Infrastruktur investiert werden. Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Norbert Neetz

Kommunale Haushalte Sondervermögen löst Geldprobleme der Städte und Kreise nicht

06. März 2025, 16:13 Uhr

Die angekündigten Investitionen in Straßen, Schulen und Kitas sehen Städte und Landkreise als überfällig an. Sie hoffen, dass das Geld auch bei ihnen ankommt. Warum das Sondervermögen ihre Finanzprobleme dennoch nicht behebt und welche Lösungen die Kommunen vorschlagen.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Alexander Laboda
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Sanierungsbedürftige Kindergärten, kaputte Straßen, marode Brücken – auf über 180 Milliarden Euro beziffert der Deutsche Städtetag den Investitionsstau in Deutschlands Kommunen. Angesichts dieses enormen Bedarfs begrüßen die Städte, Gemeinden und Landkreise selbstverständlich, dass sie vom angekündigten Infrastruktur-Sondervermögen ungefähr 100 Milliarden Euro erhalten sollen. "Aus kommunaler Sicht ist diese Investitionsoffensive überfällig", sagt der Geschäftsführer des Sächsischen Städtetages, Mischa Woitscheck, MDR AKTUELL.

Sorge, ob Sondervermögen ankommt

Andererseits schwingen in den Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände bereits Sorgen mit. Etwa, ob das Geld im Zuge der Gesetzgebung und Ausführung am Ende überhaupt bei ihnen landet. Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger (CDU), sagte am Mittwoch: "Wir erwarten von der zukünftigen Bundesregierung, dass sie sicherstellt, dass ein großer Teil des Geldes in den Städten und Gemeinden ankommt, da es dort am dringendsten gebraucht wird." Es müsse gelingen, Straßen, Brücken und Schulen zu sanieren. Damit könne ein "echter Konjunkturimpuls" gesetzt werden.

Eine Sorge betrifft den ungehinderten Abfluss der Milliarden-Investitionen, hier lauten die Stichworte Bürokratie, Vorschriften und Planungsrecht. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel (CDU), sagte: "Förderprogramme, in denen zwar Geld bereitgestellt, dann aber durch umständliche Vorgaben so gesichert wird, dass es am Ende für viele unerreichbar ist, helfen niemand."

Kommunen strukturell unterfinanziert

Von der Basis kommen zu diesem Thema bedenkliche Einschätzungen. Der Landrat des Landkreises Jerichower Land, Steffen Burchhardt (SPD), erklärte MDR SACHSEN-ANHALT vor der Verkündung des Schuldenpakets, dass in seinem Kreis für die Sanierung von Straßen 160 Millionen Euro gebraucht würden. Jährlich schieße das Land 2,2 Millionen Euro zu. Burchhardt: "Was eigentlich das Schlimmste ist: Keiner von uns ist in der Lage – selbst wenn das Geld da wäre – in wenigen Jahren tatsächlich diese Infrastruktur wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, weil weder die Baukapazitäten am Markt verfügbar sind, noch wir genügend Leute [haben], die in der Lage sind, das umzusetzen."

Unser Grundproblem ist die drohende finanzielle Handlungsunfähigkeit unserer Kommunalhaushalte.

Achim Brötel, CDU Präsident Deutscher Landkreistag

Aus Sicht von Kommunalpolitikern zeigt sich an der Stelle ein grundlegendes Problem. Städte, Kreise und Gemeinden seien über viele Jahre finanziell zu schlecht ausgestattet worden. Landkreistagspräsident Brötel sagte dazu: "Unser Grundproblem ist die drohende finanzielle Handlungsunfähigkeit unserer Kommunalhaushalte, die schlicht und ergreifend daher rührt, dass der Staat den Kommunen in den letzten Jahren immer mehr, immer kompliziertere und vor allem auch immer teurere Aufgaben übertragen hat, ohne für eine ausreichende Gegenfinanzierung zu sorgen." Neue Schulden im investiven Bereich lösten dieses Problem nicht.

Steigende Kosten für Soziales und Personal

Der Städtetag warnte vor der Bundestagswahl, dass in diesem Jahr fast keine Stadt in Deutschland mehr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könne. Der Präsident des Städtetages, Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU), sagte seinerzeit, die neue Bundesregierung müsse "große Räder" drehen, damit die Kommunalfinanzen nicht zusammenbrechen. Belastet seien die kommunalen Haushalte insbesondere durch steigende Sozialausgaben, etwa für Kinderbetreuung, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen oder die Hilfe zur Pflege im Alter.

Anfragen von MDR AKTUELL bei den größten Städten und Landkreisen in Mitteldeutschland bestätigen dieses Bild. So rechnet etwa der Wartburgkreis vor, dass die Ausgaben für Sozialhilfe von 2023 bis 2025 um rund 14 Prozent gestiegen seien. In Summe seien das im laufenden Haushalt des Kreises 25 Millionen Euro. Die Haushaltslage könne als angespannt bezeichnet werden. Zur Konsolidierung prüfe der Kreis verschiedene Optionen, darunter auch einen Abbau von Personal in der Verwaltung.

Es sind aber nicht nur die Sozialausgaben, die Lücken in die Kassen reißen. Die Stadt Erfurt nennt außerdem Personalausgaben sowie allgemeine Preissteigerungen, insbesondere bei Energie und Baupreisen. Obwohl sich in Erfurt Steuerkraft und Arbeitslosenquote "seit Jahren positiv entwickelt" hätten, sei die Stadt mittelfristig nicht mehr in der Lage die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.

Der Saalekreis verweist in seiner Stellungnahme auf steigende Kosten für den ÖPNV, die Schülerbeförderung, aber auch für die Digitalisierung der Verwaltung und Schulen. Ab dem Haushaltsjahr 2026 zeichneten sich hohe Haushaltsdefizite ab. Es seien aber vorerst noch Rücklagen vorhanden.

Haushalte mit große Löchern

In vielen Haushalten klaffen gleichwohl große Löcher. Im Erzgebirgskreis weist der beschlossene Haushaltsplan für 2025 ein Defizit von über 42 Millionen Euro auf. 2026 beträgt das Defizit nach jetziger Planung fast 75 Millionen Euro. "Ohne die von Bund und Land geforderten weiteren Unterstützungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Kreishaushalte kann der Landkreis diese Defizite nicht ausgleichen", teilt das Landratsamt mit.

Drastische Einschnitte drohen in den sächsischen Metropolen. In Leipzig sollen nach Angaben der Verwaltung in den kommenden drei Jahren 100 Millionen Euro eingespart werden. Verschiedenen Fraktionen im Leipziger Stadtrat haben beantragt, bis zu 500 Stellen in der Verwaltung abzubauen. Auch auf die Bürgerinnen und Bürgern könnten Belastungen zukommen. Geprüft werden derzeit eine Erhöhung der Zweitwohnsitzsteuer sowie eine neue Verpackungssteuer.

In Dresden sind bereits geplant: Erhöhung der Gebühren für Parken, für Kitas und für die Nutzung der Sportstätten. Zudem soll die Grundsteuer ab 2027 steigen. Auch im Sozial- und Kulturbereich sind Einschnitte vorgesehen. Der Stadt fehlen in den kommenden beiden Jahren im Haushalt je 70 Millionen Euro.

Mehr Steuereinnahmen für Kommunen gefordert

Als Lösung schlagen Kommunalpolitiker dauerhaft höhere Zuweisungen auf die untere staatliche Ebene vor. Eine Idee ist, den Kommunen einen höheren Anteil aus der Umsatzsteuer zuzubilligen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte zu diesem Vorschlag vor der Bundestagswahl, dass die Städte und Gemeinden für rund ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben zuständig seien, aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen erhielten. "Das passt nicht zusammen", sagte Jung.

Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, wies am Dienstag auf Einsparpotenziale hin. Würde die Vergabe von Wohngeld vollständig digitalisiert werden, könnten 250 Millionen Euro jährlich gespart werden. Ähnlich sei es bei anderen Dienstleistungen der Verwaltung. Er betonte andererseits die hohe Bedeutung der Kommunen und forderte einen anderen Umgang zwischen den staatlichen Ebenen: "Den ersten Kontakt mit dem Staat haben die Bürgerinnen und Bürger bei uns, den Städten und Gemeinden".

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. März 2025 | 14:04 Uhr

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