Sanktionen Landwirte sehen EU-Zölle auf russischen Dünger skeptisch
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06. März 2025, 06:43 Uhr
Seit dem Ukrainekrieg halten sich viele Länder mit dem Kauf von russischem Erdgas zurück. Dafür liefert das Land nun vermehrt Dinge, die aus Erdgas hergestellt werden. Bestes Beispiel dafür ist Stickstoffdünger. Das führt bei den deutschen Düngemittel-Herstellern allerdings zu massiven Problemen, so zum Beispiel auch bei einem großen Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Nun erwägt die EU Zölle auf die russischen Düngemittel-Importe. Der Plan gefällt aber nicht jedem.
- Russland sei vom Partner zum Konkurrenten geworden, meint SKW-Chef Carsten Franzke.
- Das Einfuhrverbot von russischem Düngemittel in die EU hatte Ungarn blockiert.
- Die Produktion von Dünger könnte in Deutschland günstiger gemacht werden, schlägt der Vizepräsident des Bauernverbands Sachsen-Anhalt vor.
Carsten Franzke benötigt für seine Produktion so viel Erdgas wie kein anderes Chemie-Unternehmen in Deutschland. Der Chef der Stickstoffwerke Piesteritz (SKW) in Lutherstadt-Wittenberg macht daraus zum Beispiel Stickstoff-Dünger. Doch die Preise für den Rohstoff Gas liegen noch immer deutlich höher als vor dem Ukrainekrieg.
Russland – vom Partner zum Konkurrenten
Die Düngemittel-Produktion in Deutschland lohne deshalb nicht mehr, klagt Franzke: "Und wenn ich jetzt in Richtung Russland schaue, dann reden wir teilweise sogar von Nullkosten. Das Erdgas wird dort teilweise verschenkt", erklärt Franzke. "So und dann kann man sich vorstellen, was das ausmacht in den Herstellkosten."
Franzkes Problem: Die Russen liefern selbst massenhaft Dünger auf Erdgasbasis nach Europa. Russland ist für die deutschen Düngemittelhersteller vom langjährigen Gaslieferanten und Partner zum wichtigsten Konkurrenten geworden. Lange halte das seine Firma nicht mehr durch, sagt Franzke: "Und wir können nur appellieren an die Politik, dass die Rahmenbedingungen angegangen werden, dass die Unternehmen die Luft bekommen zu atmen."
Ungarn blockierte Einfuhrverbot von russischem Dünger
Die EU-Kommission will reagieren. Zunächst war ein Einfuhrverbot für russischen Dünger in der EU im Gespräch. Das scheiterte am Widerstand Ungarns. Nun solle es Zölle geben, sagt Kommissionssprecher Renke Deckarm. Angedacht seien zunächst 6,5 Prozent plus 40 Euro je Tonne. Langsam solle der Zoll dann auf 100 Prozent des Warenwerts steigen.
Die Maßnahmen müssten noch von EU-Parlament und Rat beschlossen werden, sollten dann aber auch zu mehr Unabhängigkeit führen, sagt Deckarm: "Das größte Risiko für unsere Lebensmittelsicherheit ist die Abhängigkeit von Importen aus Russland und Weißrussland. Das möchten wir verringern, denn wir wissen, dass Russland Abhängigkeiten als Druckmittel einsetzt", erklärt Deckarm: "Das haben wir beim Gas gesehen und das möchten wir nicht bei Düngemitteln wiederholt sehen. Das heißt, es ist in unserem gemeinsamen Interesse mit den Produzenten in Europa diese Abhängigkeiten zu verringern und davon zu loszukommen."
Es ist in unserem gemeinsamen Interesse mit den Produzenten in Europa diese Abhängigkeiten [zu Russland] zu verringern und davon zu loszukommen.
Borchert: Produktion in Deutschland begünstigen
Tatsächlich dürfte der Zoll russischen Dünger so teuer machten, dass die Nachfrage bei deutschen Herstellern steigt. Unter Ostdeutschlands Landwirten stoßen die Pläne trotzdem auf Kritik. Sven Borchert ist Vizepräsident des Bauernverbands Sachsen-Anhalt. Im Hauptberuf bewirtschaftet er in der Börde fast 2.000 Hektar. Borchert hat Sorge, dass durch die Zölle Düngemittel generell teurer werden:
"Wir haben im Moment in diesem Frühjahr schon eine angespannte Situation im Düngermarkt. Dass wahrscheinlich gar nicht genug Ware zur Verfügung steht. Und wenn wir zu den hohen Preisen, die wir im Markt haben, noch Zölle on top kriegen, wird es natürlich schwierig. Denn die Erzeugerpreise, sprich der Weizenpreis, der Kartoffelpreis oder auch der Rapspreis gehen natürlich nicht mit dem Düngerpreis mit und wir können die erhöhten Düngerkosten nicht auf Erzeugerpreise umlegen."
Wir haben eine angespannte Situation in diesem Frühjahr im Düngemarkt.
Gleichwohl kann Borchert die Not der deutschen Düngemittelhersteller verstehen. Sein Vorschlag: Statt über Zölle die Einfuhren teurer zu machen, solle der Staat doch besser die Produktion in Deutschland verbilligen. Möglich wäre das auch aus Sicht von Stickstoffwerke-Chef Franzke. So könne die Regierung die Gasumlage streichen. Das würde ihm Millionen sparen. Das Problem dabei: Das Geld aus der Umlage fehlt dem Staat dann an anderer Stelle. Durch Zölle hingegen nimmt er Geld ein.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. März 2025 | 06:11 Uhr