Kommentar Die Linke: Vom Kummer zum Kümmern
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20. Oktober 2024, 19:14 Uhr
Der Linken fehlt der große Wurf. Alte Inhalte neu aufzuwärmen, wird der gebeutelten Partei nicht helfen, meint Hauptstadtkorrespondent Torben Lehning. Um "gegen den Strom zu schwimmen", bräuchten die Genossen eine zündende Idee. Noch sei diese nicht zu erkennen. Aber die neue Doppelspitze hat einen Plan: sie will das Zuhören für sich wiederentdecken.
- Die Linke will sich wieder mehr um Sozialpolitik kümmern und weniger um Außenpolitik.
- Die Rückbesinnung auf linke Themen wird allein nicht reichen.
- An 100.000 Haustüren klingeln und den Bürgern wieder mehr zuhören.
- Auf Direktmandate von Gysi und Co. sollte sich die Linke nicht verlassen.
Was ist eine Arbeiterpartei, der die Arbeiter nicht mehr zuhören? Was ist eine Linke, die nicht links steht, sondern vor allem neben sich? Was ist eine Partei, die mehr mit sich selbst über den Nahost-Konflikt streitet als mit dem politischen Gegner über handfeste Sozialpolitik? Sie ist vor allem eins: kaum wählbar.
Das hat die Partei in den vergangenen Monaten auf die harte Tour lernen müssen. Tatsächlich demonstriert die Linke auf ihrem Parteitag in Halle glaubhaft, dass sie eigene Fehler schonungslos aufarbeiten will.
Mehr Sozialpolitik, weniger Außenpolitik
Ines Schwerdtner und Jan van Aken, das neue Gespann an der Spitze der Partei, möchte den parteiinternen "Zoff" beenden. Der Appell an die Parteibasis ist klar: Bitte macht nicht aus jeder internationalen Krise eine Krise der Partei, lasst uns für euch sprechen – mit einer Stimme.
Dass es der Partei ernst ist mit ihrer Einigkeit, beweist die Linke mit einem Parteibeschluss zum Nahost-Konflikt: Darin positioniert sich die Linke gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus und fordert einen sofortigen Waffenstillstand in Israel und Palästina. Ein Kompromiss der widerspenstigen Parteiströmung. Es geht doch.
Rückbesinnung auf linke Themen allein wird nicht reichen
Und die Inhalte? Die Linke will sich programmatisch rückbesinnen: Wohnungspolitik für Mieter, Vermögenssteuer gegen Superreiche, ein Mindestlohn von 15 Euro, eine Politik der offene Grenzen, gegen jede Waffenlieferung, zurück zur Friedenspolitik.
Das ist links, das ist solidarisch – aber auch kein großer Wurf. 15 Euro Mindestlohn fordert auch die SPD. Friedensforderungen sind nahezu auf jedem Wahlplakat der politischen Konkurrenz zu lesen. Dass die politische Konkurrenz, von AfD bis BSW unter Frieden etwas anderes versteht, stimmt. Aber beim Wähler kommt das so kaum an. Wohnungspolitik für Mieter und das Werben für eine Reichensteuer sind alte Wahlkampfschlager, die für die Linke trotzdem nicht einzahlen.
Was weiterhin fehlt, ist und bleibt der große Wurf. Ohne mindestens eine zündende Idee mit Konturen und ohne Politik, die polarisiert, droht die Linke belanglos zu werden – auch nach dem harmonischen Parteitag in Halle. Die Flucht nach vorne ist ihre einzige Chance.
Haustürwahlkampf: Die Linke will den Bürgern wieder mehr zuhören
Die neue Linkenführung hat einen Plan: Die Partei will wieder lernen zuzuhören. Bis zum Bundestagswahlkampf wollen die Mitglieder an 100.000 Türen klingeln, um mit ihrem Wunsch-Klientel wieder Tuchfühlung aufzunehmen. Das neue Wahlprogramm soll von denen mitgeschrieben werden, für die die Linke eigentlich Politik machen will. Arbeiter eben.
Der Leipziger Direktkandidat Nam Duy Nguyen hat im sächsischen Landtagswahlkampf gezeigt, dass Hausbesuche ein Erfolgsrezept sein können. Er schaffte es, Einzelgespräche in ein überlebenswichtiges Direktmandat umzumünzen.
Auf Direktmandate von Gysi und Co. sollte sich die Linke nicht verlassen
Apropos Direktmandate: Sie gelten als Lebensversicherung der Linken. Es reicht jedoch nicht, wenn Partei-Legende Gregor Gysi vom Sprecher-Pult aus verspricht, "Aktion Silberlocke" starten zu wollen. Gemeint ist damit, dass Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow mit dem Gedanken spielen, ihrer Partei mit Direktmandaten den Wiedereinzug in den Bundestag zu ermöglichen.
So ehrenvoll das auch erscheinen mag. Keiner der drei verdienten Politiker kann zu 100 Prozent von erfolgreichen Kandidaturen ausgehen. Am Ende werden weder die neuen Parteivorsitzenden, noch die möglichen Kandidaturen von Altvorderen den Umschwung in der Linken einläuten. Das kann nur gelingen, wenn die Partei glaubhaft das Image der Kummer-Partei ablegt und wieder zur Kümmerer-Partei wird.
MDR AKTUELL(ans)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 20. Oktober 2024 | 19:30 Uhr