Interview Wissler: Habe großes Interesse, dass Linksfraktion zusammenbleibt
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17. August 2023, 11:45 Uhr
Ob der Rücktritt von Dietmar Bartsch nun lange geplant war oder nicht, ein Eindruck verfestigt sich: Die Linke bröselt auseinander. Ist es jetzt an der Zeit, dass die Parteivorsitzende auch den Fraktionsvorsitz übernimmt? Schließlich reicht es, wenn drei Fraktionsmitglieder austreten und die Linke verliert den Fraktionsstatus im Bundestag. Dazu die Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler.
- Linken-Chefin Janine Wissler hat den Rücktritt von Dietmar Bartsch als Fraktionsvorsitzender mit "Respekt und Bedauern" zur Kenntnis genommen.
- Wissler fordert, wer die Linksfraktion im Bundestag verlässt, sollte das Mandat zurückgeben.
- Die Parteivorsitzende ruft Fraktion zur Geschlossenheit auf.
MDR AKTUELL: Amira Mohamed Ali hat den Parteivorstand nicht von ihrem Rückzug informiert. Sie ging zuerst an die Öffentlichkeit. Seit wann wissen Sie denn, dass Dietmar Bartsch nicht mehr als Fraktionschef antritt?
Janine Wissler: Ja, es gab in den letzten Tagen natürlich intensive Gespräche zwischen Dietmar Bartsch und den beiden Parteivorsitzenden. Es ist ja richtig, dass er immer wieder gesagt hat, dass er nicht mehr plant, anzutreten. Und das hat er ja in seinem Statement auch deutlich gemacht. Daher sind wir jetzt nicht davon überrascht worden, und es gilt, vor allem Danke zu sagen für seine Arbeit und die Zusammenarbeit. Und ich finde, er hat ja auch in seiner Erklärung sehr deutlich gemacht, er kämpft weiter um eine geeinte, um eine starke Linke und wird sicher auch ein aktiver Posten in der Bundestagsfraktion bleiben.
Nehmen Bartsch-Rücktritt mit Respekt und Bedauern zur Kenntnis
Hätten Sie sich dennoch in der jetzigen Phase Ihrer Partei gewünscht, Dietmar Bartsch hätte es sich noch einmal anders überlegt?
Er hat diese Entscheidung jetzt für sich getroffen. Mein Co-Vorsitzender und ich haben deutlich gemacht, dass wir das mit Respekt aber auch mit Bedauern zur Kenntnis nehmen. Er hat gesagt, acht Jahre an der Spitze der Fraktion sind genug, und jetzt geht es eben wirklich darum zu organisieren, wie es jetzt weitergeht, und diese Lücke zu füllen und zu schauen, wie die Fraktion sich neu aufstellt.
Und werden Sie jetzt den Fraktionsvorsitz anstreben, auch um die Fraktion vielleicht doch etwas mehr - ich sag mal - auf Linie zu kriegen?
Wir werden jetzt in den nächsten Tagen Gespräche führen und versuchen, eine tragfähige Lösung zu finden, die integrativ ist, die klarmacht wir wollen diese Fraktion zusammenhalten. Und das werden wir jetzt die nächsten Tage besprechen, miteinander.
Wissler: Wer Linksfraktion verlässt, sollte Mandat abgeben
Steigt das Risiko, wenn Sie möglicherweise Fraktionsvorsitzende werden, dass dadurch etwa Sahra Wagenknecht und einige Abgeordnete, die ihr nahestehen, Nein sagen und gehen? Oder wäre es vielleicht auch eine Kraft, dass Sie die Fraktion als Parteivorsitzender auch besser zusammenhalten könnten?
Das ist jetzt alles Spekulation. Ich will deutlich machen, ich habe ein großes Interesse daran, dass diese Bundestagsfraktion zusammenbleibt, weil alle in der Bundestagsfraktion sind ja auf den Listen der Linken gewählt worden, von Mitgliedern der Linken aufgestellt worden, von Wählerinnen und Wählern gewählt worden. Und ich finde, wenn jemand dieser Fraktion nicht mehr angehören möchte, dann ist das sein gutes Recht. Aber dann sollte man das Mandat zurückgeben, damit jemand von der Liste nachzieht. Jetzt muss man dran arbeiten, eine tragfähige Lösung für den Fraktionsvorstand zu finden.
Welche Kompetenz sollte der Fraktionsvorstand unbedingt mitbringen, um die Fraktion eben doch zusammenzuhalten?
Ganz wichtig ist natürlich, dass die Linke eine laute und vernehmbare Stimme erstmal als linke Opposition gegen die Politik der Ampel ist. Unsere vorderste Aufgabe und die Aufgabe der neuen Fraktionsvorsitzenden ist natürlich, linke Positionen öffentlichkeitswirksam darzustellen. Und natürlich ist es aber auch eine Aufgabe, integrativ zu wirken, die Positionen der Linken zu vertreten. Also hart gegen den politischen Gegner zuzuspitzen und integrativ nach innen. Dafür müssen wir eine gute Lösung finden.
Linke: Partei und Fraktion müssen zusammenhalten
Ich meine da schon fast eine Begeisterung für den Posten herauszuhören. Frau Wissler, Dietmar Bartsch hat gestern folgenden Satz gesagt: "Ich will ganz klar sagen, dass das für mich keinesfalls heißt, dass ich in irgendeiner Weise die Linke aufgegeben hätte." Dass Dietmar Bartsch diesen Satz aber überhaupt sagt und das nicht auf Nachfrage – irgendwie entsteht eher das Gefühl, es sieht wirklich nicht gut aus für die Linke. Glauben Sie, dass es im Jahr 2024 noch eine Bundestagsfraktion Die Linke gibt? Wie schätzen Sie die Lage ein?
Na, dass Dietmar Bartsch, das gesagt hat, hat einfach damit zu tun, dass er deutlich machen wollte, dass seine Entscheidung nicht einer aktuellen Situation geschuldet ist. Um eben gar nicht erst die Interpretation zuzulassen, dass er jetzt hier in einer schwierigen Situation nicht mehr antreten würde. Und das ist auch nicht die Persönlichkeit von Dietmar Bartsch.
Wir werden jetzt alles dafür tun, die Linke wieder stark und erfolgreich zu machen. Die Partei und die Fraktion zusammenzuhalten – das ist jetzt natürlich die Aufgabe, denn die Aufgaben, die gesellschaftlichen Probleme sind riesig. Das liegt ja auf der Straße. Die gesellschaftliche Stimmung kippt gefährlich nach rechts.
Die soziale Schieflage nimmt zu. Die Politik der Ampel-Regierung stößt Menschen vor den Kopf und lässt Menschen mit ihren Problemen allein. Das müssen wir wieder stark aufgreifen, damit Leute sagen, gut, dass es diese Linke gibt und dass die Druck macht für soziale Gerechtigkeit und linke Oppositionsarbeit im Deutschen Bundestag macht. Und unser Ziel ist natürlich 2025 wieder bestärkt in den Bundestag einzuziehen.
MDR (pad)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. August 2023 | 06:48 Uhr