Haushaltsstreit Energiepreisbremse und Sozialleistungen stehen nach Karlsruher Urteil infrage

21. November 2023, 10:24 Uhr

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Bundeshaushalt streitet die Ampel-Koalition über die Konsequenzen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht die Energiepreisbremse in Gefahr und weist Aussagen von Finanzminister Christian Lindner zurück. Die FDP bringt Kürzungen im Sozialbereich ins Gespräch. Grüne und SPD lehnen das ab und schlagen eine Lockerung der Schuldenbremse vor.

In der Ampel-Koalition ist offener Streit übers Geld ausgebrochen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umschichtung von Corona-Hilfsmitteln zugusten anderer Förderprojekte wies Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag Vorschläge von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zurück. Die Aussage, mit weniger Subventionen Klimaschutz und den Umbau der Industrie möglich zu machen, sei leicht gesagt, kritisierte Habeck am Montag im Deutschlandfunk. "Die halbe Welt subventioniert genau diesen Prozess." Der Wettbewerb sei intensiv. "Deswegen ist das erst einmal alles nur Gerede. Die Wirklichkeit sieht anders aus."

Wirtschaft in der Krise

Der Wirtschaftsminister äußerte außerdem die Befürchtung, dass auch die Energiepreisbremsen des Bundes von dem Urteil betroffen sein könnten. Das Urteil sei "so fundamental gesprochen", dass es alle mehrjährigen Fonds betreffe, auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Das heiße im Klartext, dass – sollte Energie erneut teurer werden – die Bürgerinnen und Bürger höhere Strom- und gegebenenfalls höhere Gaspreise bekommen werden. "Sollten wir in eine Krise reingeraten, werden wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr ziehen können."

Die Preisbremsen gelten noch bis 31. März 2024. Die Preise werden dabei für einen Großteil des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt – für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde.

Habeck deutete eine Lösung für das riesige Haushaltsloch in Höhe von mindestens 60 Milliarden Euro allenfalls an. So bezeichnete er die Schuldenbremse des Bundes als "unflexibel". Auf die Frage, ob man die Bremse durch die Ausrufung einer Notlage aussetzen könne, sagte der Minister: "Ich kann nur die ökonomischen Daten referieren und sagen, das Jahr '23 war ein Jahr mit erstmals drei Quartalen ohne Wachstum. Das hatten wir lange nicht, im Grunde noch nie in der Geschichte der Republik." Er verwies auf den Ukraine-Krieg, Inflation, hohe Energiepreise und die Folgen der Corona-Pandemie. Er wolle aber nicht spekulieren, ob man diesen Weg gehen werde. Ansonsten müsse man "irgendwie Gelder zusammenkratzen und umschichten."

FDP will Ausgaben kürzen

Die FDP schlug dazu Kürzungen im Sozialbereich vor. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Christian Dürr, sagte der Funke-Mediengruppe, die Koalition müsse auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne. "Tatsache ist, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann." Steuererhöhungen seien dagegen der falsche Weg, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Die Grünen erteilten vorgeschlagenen Kürzungen sofort eine Absage. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte ebenfalls den Funke-Medien: "Kürzungen im sozialen Bereich kommen aus unserer Sicht nicht in Frage, weil das gerade in Zeiten hoher Inflation den sozialen Zusammenhalt gefährden würde." Spielräume im Haushalt könnten zudem durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen geschaffen werden. Außerdem sei eine Reform der Schuldenbremse "ökonomisch grundsätzlich sinnvoll."

Schuldenbremse Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Eine solche Notsituation kann der Bundestag mit einfacher Mehrheit feststellen. Für eine grundlegende Änderung der Schuldenbremse bräuchte es hingegen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.

So äußerte sich am Wochenende auch die SPD. Parteichef Lars Klingbeil sage: "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben", sagte Klingbeil. Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. "Wer das nicht sieht, hat den Ernst der Lage nicht verstanden."

SPD-Parteichefin Saskia Esken sprach sich dafür aus, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr wegen einer Notlage nicht anzuwenden – unter Hinweis auf eine "fortdauernde, krisenhafte Situation".

dpa/AFP/MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. November 2023 | 11:05 Uhr

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