Bundespolizei Gewerkschaft der Polizei bezweifelt Nutzen der Grenzkontrollen
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30. Oktober 2024, 06:47 Uhr
Seit Mitte September kontrolliert die Bundespolizei verstärkt auf illegale Grenzübertritte. MDR-Hörer Marc Specht hat dazu folgende Fragen gestellt: Wie sieht das praktisch aus? Können abgewiesene Asylbewerber zum nächstgelegenen Grenzübertritt gehen oder es am nächsten Tag nochmal versuchen? Und wenn ja, sind die Kontrollen dann nicht eine unsinnige Beschäftigungsmaßnahme der Bundespolizei?
- Migrationsforscher Gerald Knaus erklärt, dass Grenzkontrollen meist nur kurzfristig wirken.
- Bundespolizist Andreas Roßkopf zufolge gibt es strenge Vorgaben zu den Zurückweisungen an den Grenzen.
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte an, sie setze sich für eine einheitliche europäische Regelung ein.
Auch Andreas Roßkopf zweifelt. Bei der Gewerkschaft der Polizei kümmert er sich um die Belange der Bundespolizisten. Man müsse sich tatsächlich fragen, ob der Aufwand der Kontrollen gerechtfertigt sei, sagt Roßkopf.
Greife die Bundespolizei jemanden auf, könne sie zwei Dinge tun: "Die erste Möglichkeit ist, dass wir die Menschen an die Kolleginnen und Kollegen in den benachbarten Ländern übergeben. Die zweite Möglichkeit ist, dass man tatsächlich an der Grenzlinie selbst die Einreise verweigert und die Menschen umdrehen und zurückgehen ins benachbarte Land." Doch dann, so Roßkopf, würden sie es sehr wahrscheinlich erneut probieren.
Knaus: Grenzkontrollen wirken kurzfristig
Das denkt auch Migrationsforscher Gerald Knaus, und verweist auf Erfahrungen aus den Grenzkontrollen zwischen Frankreich und Italien: "Die zeigen uns, dass der Effekt immer nur kurzfristig ist. Weil diejenigen, die es geschafft haben, über viele Grenzen bis nach Mitteleuropa dann nicht aufgeben, wenn sie einmal gestoppt werden." So hat die Bundespolizei seit Jahresbeginn laut aktuellen Zahlen fast 1.500 abgeschobene Migranten festgestellt, die wieder nach Deutschland einreisen wollten.
Diejenigen, die es geschafft haben, über viele Grenzen bis nach Mitteleuropa zu kommen, werden nicht aufgeben, wenn sie einmal gestoppt werden.
Doch eine lückenlose Kontrolle sei an den offenen EU-Binnengrenzen nicht möglich, sagt Gewerkschafter Roßkopf. Die Bundespolizei müsse daher technisch besser ausgerüstet werden.
Klare Vorschriften an Grenzen
So will es auch die Unionsfraktion im Bundestag. CSU-Innenexpertin Andrea Lindholz erklärt, um was es dabei genau geht: "Es gibt zum Beispiel die Einrichtung von Kameras an der Grenze. Man kann sich auch über das Thema Drohnen unterhalten. Es gibt da viele technische Möglichkeiten, dass man nicht überall mit Personal stehen muss. Das gab's schon zu den Zeiten, als wir unsere Grenzen noch kontrolliert haben."
Als ein gutes Beispiel nennt Lindholz die Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze. Dafür gibt es dort laut Bundespolizist Andreas Roßkopf andere Probleme, wenn es darum geht, jemanden zurückzuweisen. Es gebe genaue Vorschriften, wann die Bundespolizei jemanden übergeben dürfe: "Wir müssen das einen Tag vorher anmelden und da gibt es dann auch kein links und kein rechts. Das heißt, keine Person, die zusätzlich noch dazwischen aufgegriffen wurde von uns, darf übergeben werden."
Faeser fordert europäisches Modell für Zurückweisungen
Hier fordert Roßkopf Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf, Lösungen mit den Nachbarländern zu finden. Faeser selbst sagte im September, es brauche ein "einvernehmliches europäisches Modell". Bislang ist das nur eine Absichtserklärung.
Auf MDR AKTUELL-Anfrage, wie dieses Modell aussehe, antwortet ein Ministeriumssprecher, man setze sich für "beschleunigte, europarechtskonforme Zurückweisungen ein". Das "in der Praxis bestehende Verfahren" solle "ausgebaut und forciert werden". Eine ausführliche Bilanz zur Wirkung der bisherigen Grenzkontrollen will die Bundespolizei am Freitag vorlegen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Oktober 2024 | 06:21 Uhr