Der Redakteur | 21.05.2024 Und wieder steigen die Diäten - Wer legt das eigentlich fest?
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21. Mai 2024, 16:35 Uhr
Wieso kriegen die Abgeordneten des Bundestags sechs Prozent mehr? Die verdienen doch schon mehr als genug! Müssen die eigentlich überhaupt so viel Geld bekommen? Oder ginge es nicht viel besser ganz ohne Diäten?
Wir könnten es uns einfach machen. Es steht im Grundgesetz, dass die Abgeordneten auskömmlich bezahlt werden müssen und dass der Bundestag letztlich selbst darüber befinden müsse. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Doch das alleine ist wenig überzeugend. Denn die aktuell sechs Prozent Plus klingen viel. Bei näherer Betrachtung ist diese Erhöhung aber ziemlich genau das, was die arbeitende Bevölkerung zuvor ebenfalls als Zuschlag erhalten hat.
Doch wer hat das festgelegt? Der Bundestag selbst? Nicht ganz, auch wenn es die Möglichkeit des Verzichts gegeben hätte. Politisch hätte das sicher in die Zeit gepasst. Deswegen ist ein Teil der Kritik nachvollziehbar. Trotzdem ist der Blick in die Diäten-Geschichte ganz lehrreich.
Die Quadratur des Kreises gelang vor zehn Jahren
Jahrelang erzürnte der Bundestag das Volk in eigener Sache. Denn über die Höhe der eigenen Einkommen hätte sicher so mancher Wähler auch gern selbst entschieden. Und "die da oben" genehmigten sich zudem gefühlt stets einen großen Schluck aus der Pulle. Doch das Ende dieser Praxis wurde am Montag, 17. Februar 2014 eingeläutet und ist wieder etwas in Vergessenheit geraten.
Bei einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wurde die bis heute gültige Regelung vorgestellt. Erarbeitet von einer Kommission, in denen unter anderem Gewerkschafter, Unternehmer und Juristen saßen und auch der Verwaltungswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Zeh.
Alles vorher hatte nicht funktioniert, zumindest nicht in dem Sinne, dass es akzeptiert worden wäre.
Die Kommission hatte damals viele Varianten diskutiert und kam am Ende zu einem allseits akzeptierten Ergebnis, das auch international vergleichbar ist. Künftig sollte die Ausgangsgröße der Abgeordnetendiät die Besoldung eines Richters am Obersten Gerichtshof sein und jährlich um den Nominallohnindex steigen, den das Statistische Bundesamt ohnehin ermittelt.
Dahinter stecken die letzten Einkommenserhöhungen der arbeitenden Bevölkerung. Zusätzlicher Aufwand: Null. Transparenz: Hoch. Akzeptanz (zumindest 2024): so lala.
Warum bekommen unsere Abgeordneten überhaupt so viel Geld?
Rund 10.000 Euro monatlich sind wirklich sehr viel Geld. Das ist mehr als doppelt so viel wie der durchschnittliche Bruttolohn eines Vollzeitbeschäftigten, wie das Statistische Bundesamt monatlich ermittelt. Letzte Bezugsgröße: 4.323 Euro im April 2023. Und wirklich nur wenige Prozent der Deutschen verdienen so viel Geld.
Mit den 4.323 Euro korrespondiert ein durchschnittlicher Stundenlohn von knapp 26 Euro. Bezogen auf einen Acht-Stunden-Tag. An dieser Stelle meldet sich Dr. Danny Schindler zu Wort. Er ist Direktor des Instituts für Parlamentarismusforschung und verweist auf die 7-Tage-Woche der meisten Abgeordneten und die überlangen Arbeitstage, die eigentlich Arbeitsschützer und Gewerkschafter auf den Plan rufen müssten, würden die Abgeordneten normale Angestellte sein.
Die zeitliche Belastung ist sehr hoch, wir wissen aus Studien, dass die meisten Abgeordneten mehr als zwölf Stunden am Tag arbeiten und auch am Wochenende arbeiten.
Die Verdienstvergleiche mit verantwortlichen Vertretern in der Wirtschaft sind bekannt. Dass der Kanzler mit Blick auf die DAX-Vorstände nur ein Taschengeld bekommt, ebenso. Dr. Danny Schindler verweist darauf, wenn wir kompetente Politiker wollen, müssen wir sie auch anständig bezahlen. Ob das immer gelingt, das steht auf einem andren Blatt.
Fakt ist aber auch, viele Abgeordnete kommen aus Berufen in denen man sehr gut verdient, auch wenn immer gern die "Ungelernten" ins Schaufenster gestellt werden, die Regel ist das wahrlich nicht. Wer im Bundestag sitzt, wurde zudem von uns gewählt und von Parteien aufgestellt, die wir ebenso erst in diese Lage versetzt haben. Und trotzdem: Wie wäre es denn mit einem Ehrenamtler als Abgeordneter? Würde das nicht einen viel besseren Eindruck machen?
Warum die Null-Diät keine gute Idee ist
Vorab: Es gibt sie, die Fast-Null-Diät. In unseren Lokalparlamenten sind die Ehrenamtler ein Vorbild für viele. Sie haben oft ähnlich lange Arbeitstage wie unsere Bundestagsabgeordneten, aber nicht ähnlich viel Geld.
Zugegeben: Sie tragen nicht Verantwortung fürs ganze Land und können auch weiter ihrem Job nachgehen. Aber wie wäre es mit der Idee, auch die Bundestagsabgeordneten mit einer kleinen Aufwandsentschädigung abzuspeisen? Diese Idee ist nicht so neu und wurde schon frühzeitig erstmals verworfen. Schon die alten Griechen merkten 500 vor Christus, dass es der Demokratie nicht zuträglich ist, wenn nur Volksvertreter zusammenkommen, die es sich auch leisten können.
Damit die Leute anreisen konnten, hat man schon damals ein Tagegeld gezahlt, eine Diät, von diēs – der Tag.
Andernfalls wären nur die Vermögenden angereist, um ihre Sicht der Dinge einzubringen. Ein Problem, das bei uns erst in der Kaiserzeit, nämlich 1906, beseitigt wurde. Bis dahin waren die Abgeordneten nicht wirklich unabhängig, sondern entweder parteinah beschäftigt oder vermögend.
Bedeutet: Man musste es sich leisten können, Abgeordneter zu sein und der Anreiz, wirklich mitzuarbeiten und zu den Abstimmungen zu erscheinen, war auch nicht sonderlich ausgeprägt.
Das Parlament war zur Kaiserzeit häufig gar nicht beschlussfähig.
Wie die parlamentarische Arbeit wirklich aussieht
Moment, wirft da der interessierte parlamentarische Beobachter ein, ist unser Plenarsaal nicht auch regelmäßig nur spärlich besetzt? Prof. Dr. Wolfgang Zeh holt tief Luft und beginnt eine Vorlesung in Sachen parlamentarischer Arbeit.
10:1 sei das Verhältnis von Ausschussarbeit und anderen Sitzungsgremien zum Plenum. Dort würde aber keineswegs eine Entscheidungsfindung stattfinden, sondern vielmehr eine Erklärung. Das sei vielen Menschen gar nicht bewusst.
Die Rolle und Bedeutung der Abgeordneten werde häufig nicht begriffen, es werden zu schnell Machtspielchen und Karriereinteressen unterstellt, ohne den Mechanismus verstanden zu haben. Die Demokratie ist das Beste, was uns passieren konnte, davon ist Prof. Dr. Zeh überzeugt.
Alle autoritären Systeme fahren mittelfristig ihre Wirtschaft an die Wand, weil sie keinen freien Austausch zwischen Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit zustande bringen.
Zu sehen in Europa übrigens zuletzt nicht nur in der DDR, sondern beispielsweise auch in den ehemaligen Diktaturen Spaniens oder Portugals, so Prof. Zeh. Die geschichtliche Erfahrung spreche also sehr für das umständliche (demokratische) Verfahren, auch wenn es unterm Strich ziemlich anstrengend ist.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. Mai 2024 | 16:40 Uhr
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