Polizeirazzia in Magdeburg Olvenstedt 2 min
Auch ein Magdeburg hat es eine Razzia im Zusammenhang mit dem "Compct"-Verbot gegeben. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Hintergrund Das "Compact" Magazin – wer dahinter steckt und was das Verbot bedeutet

18. Juli 2024, 12:21 Uhr

Das Magazin "Compact" gibt es seit inzwischen 14 Jahren. Seit drei Jahren gilt es als gesichert rechtsextremistisch, jetzt wurde es verboten. Was war das für ein Blatt und wer ist Jürgen Elsässer, der Mann dahinter?

Seit 2010 ist das Magazin "Compact" erschienen – in den letzten Jahren mit einer Auflage nach eigenen Angaben von 40.000 Stück monatlich. Seit knapp drei Jahren, seit Dezember 2021, gilt es als gesichert rechtsextremistisch. Seit dem 16. Juli 2024 nun ist das Magazin verboten. Ein Schritt, für den nach MDR-Informationen der Nachweis einer aggressiv-kämpferischen Haltung nötig ist – die Veröffentlichung im Bundesanzeiger könnte als Indiz dafür gelesen werden, dass das den Ermittlungsbehörden gelungen ist. Der Beschluss dafür wurde am 5. Juni im Bundesinnenministerium unterzeichnet und er geht über das Magazin hinaus: Er umfasst einen Youtube-Kanal "COMPACT-TV", den Online-Shop und mehr als zehn weitere Social-Media-Kanäle über Telegram, Gettr bis hin zu WhatsApp.  

Gesichert rechtsextremistisch "Gesichert rechtsextremistisch" bedeutet, dass sich alle Hinweise auf eine extremistische Einstellung zur Gewissheit verdichtet haben. Schon bei einem Verdachtsfall können laut Bundesamt für Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden. Beim Befund "gesichert" sind demnach die Hürden für Observation, dem Einsatz von V-Leuten, dem Mithören und Mitzeichnen von Gesprächen noch niedriger. Auch Telefone können angezapft oder E-Mails bzw. Briefe gelesen werden.  

"Compact" als Bindeglied rechtsextremer Spektren

"Compact ist seit vielen Jahren ein zentrales Publikationsorgan und dient als Bindeglied rechtsextremer Spektren. Das zeigt auch unser Telegram-Monitoring", schreibt Maik Fielitz von der Bundesarbeitsgemeinschaft "Gegen Hass im Netz" auf X, ehemals Twitter. In den vergangenen Jahren habe "Compact" mit "Der Tag" ein Nachrichtenformat auf Youtube etabliert, auf Youtube 2.885 Videos mit einer Gesamtzahl von 187.570.385 Aufrufen geteilt.  Mit dem Verbot des Magazins geht der Szene Fielitz' Einschätzung zufolge ein "großer Brückenkopf verloren".

Ursprünglich politisch übergreifend gedacht

Dabei war "Compact" Fielitz zufolge anfangs politisch übergreifend gedacht, sollte sowohl von links als auch rechts gelesen werden.

Fielitz, der seit vergangenem Sommer den Bereich Rechtsextremismus- und Demokratieforschung am "Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft" leitet, macht das auch an der Biografie des Herausgebers Jürgen Elsässer fest. Nachdem dieser viele Jahre in linken antiimperialistischen Kreisen aktiv gewesen sei, habe er sich vom Linken zum Nationalisten entwickelt. 2015 dann habe Elsässer klargemacht, dass er sich als Hausblatt der AfD verstehe und als Brückenbauer zwischen verschiedenen Spektren des Rechtsextremismus und von verschwörungsideologischen Akteuren. In Folge seien auch immer extremere Akteure zu Wort gekommen.

Er habe immer wieder aufstrebende Akteure unterstützt, wie die Querdenken-Bewegung, die Freien Sachsen und den QAnon-Verschwörungstheorien. Das Magazin habe keine eindeutige politische Schlagrichtung ausgegeben, sondern sehr viele widersprüchliche Elemente verbunden – alle unter einer Klammer: Das bestehende demokratische System zu überwinden. Das zeige sich in Versuchen, die Friedensbewegung im Kontext des Russlandkrieges anzusprechen und Brückenschläge zu Sahra Wagenknecht zu schaffen.

Narrative vom Wutwinter über Putin bis hin zur Welterklärung

Wie funktioniert das Magazin inhaltlich? Mit auf Schlagzeilen zugespitzten Inhalten, meint Fielitz. Zudem werde viel mit Skandalisierung und Übertreibung gearbeitet und es würden Kampagnenthemen wie zum Beispiel zum Wutwinter entwickelt. Im Fall des Ukraine-Krieges habe sich das Blatt deutlich auf russische Narrative eingelassen, habe sehr viel Putin-Propaganda betrieben. Wiederkehrende Themen seien die Nato, der Westen; sehr oft verbunden mit antisemitischen Inhalten beziehungsweise auch Welterklärung verbunden mit der Abwertung von verschiedenen Gruppen, insbesondere Migrantinnen und Migranten. "Diese Mischung aus Staat-Delegitimierung, aus Hetze gegen Minderheiten, antisemitischer Grundeinstellung, dass macht das Magazin sehr stark aus."

Elsässer selbst beschreibt er als Selbstdarsteller mit starken Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, flexibel in der ideologischen Schwerpunktsetzung und bemüht volksnah in der Kommunikation. Er habe keine Probleme, sich mit Neonazis zusammen an einen Tisch zu setzen.

Osten als Experimentierfeld

Den Osten sieht Elsässer Fielitz zufolge als Experimentierfeld und als Möglichkeit, politisch Einfluss zu gewinnen. "Er war sehr oft auf Veranstaltungen in Sachsen. Besonders eng sind die Kontakte zu den Freien Sachsen." So habe das "Compact"-Sommerfest in Sachsen stattgefunden. Aber auch zu Thüringen seien die Kontakte gut. Björn Höcke werde beispielsweise sehr stark glorifiziert. Elsässer sei viel auf Reisen. Er trete fast überall auf, wo es möglich sei, Reichweite zu erzielen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht dann in ihrer Pressemitteilung zum Verbot auch von einem zentralen Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Das Verbot sei ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene. Dafür erntet sie viel Beifall aus Politik und Gesellschaft. Die AfD indes wertet das Verbot als "schweren Schlag gegen die Pressefreiheit", als Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt, wie Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla in einer Pressemitteilung schreiben. Und die Freien Sachsen rufen auf Telegram zu ersten Demonstrationen auf.

MDR (ane)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 16. Juli 2024 | 19:30 Uhr

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