Entscheidung zur Hartz-IV-Reform Bundesrat: Union lehnt Bürgergeld ab

14. November 2022, 19:11 Uhr

Im Bundesrat hat der Gesetzentwurf fürs Bürgergeld nicht die erforderliche Mehrheit erhalten. Die Union hatte im Vorfeld angedroht, gegen das Projekt zu stimmen, weil ihr die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger nicht weit genug gehen. Damit ist das bislang größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampel-Koalition vorerst gestoppt. Nun will die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen.

Das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld ist vorerst gescheitert. Am Montag verweigerte der Bundesrat in seiner Sondersitzung in Berlin der Sozialreform die Zustimmung. Das Gesetz erhielt damit nicht genügend erforderliche Ja-Stimmen.

Von CDU oder CSU mitregierte Länder, die im Bundesrat eine Mehrheit haben, hatten erklärt, gegen das Gesetz zu stimmen oder sich zu enthalten. Der Bundestag, der die Sozialreform am 10. November beschlossen hatte, oder die Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um einen Kompromiss auszuhandeln. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte bereits an, die Regierung werde den Ausschuss anrufen, so dass er kommende Woche schon tagen könnte.

Im Vermittlungsausschuss sitzen jeweils 16 Mitglieder des Bundesrates und Bundestages, die Verteilung entspricht der Größe der Fraktion.

Arbeitsminister drängt auf schnelle Einigung

Arbeitsminister Hubertus Heil sagte am Montag, er appelliere an die Länder, "dass wir in der Sache orientiert nach Lösungen suchen". Er wolle an dem Ziel festhalten, das bisherige Hartz-IV-System zum Jahreswechsel durch das neue Bürgergeld abzulösen: "Alle werden sich bewegen müssen, bei gutem Willen gelingt das auch." Der SPD-Minister hofft, dass zeitnah ein Kompromiss gefunden werde, der bei der nächsten Bundesratssitzung am 25. November auf die Tagesordnung kommt. Damit könne das Gesetz noch wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Auch aus unionsgeführten Ländern kamen Signale der Kompromissbereitschaft. Die Union wolle mit ihrer Ablehnung "nicht die Reform verhindern, sondern die Reform aufwerten und die Akzeptanz des Bürgergelds stärken", sagte die baden-württembergische CDU-Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut im Bundesrat. Deutlich schärfer äußerte sich der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann von der CSU. Mit dem Bürgergeld sende die Koalition das Signal, dass sich Arbeiten immer weniger lohne.

Gemischte Reaktionen in Mitteldeutschland

In Mitteldeutschland löste das vorläufige Scheitern des Bürgergeldes gemischte Reaktionen aus. So nannte der Magdeburger SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Kröber die Stimmenthaltung Sachsen-Anhalts im Bundesrat "feige und reiner Populismus". In Sachsen-Anhalt erhielten knapp 55.000 Menschen Arbeitslosengeld II. "Viele wissen nicht, wie sie den nächsten Winter überstehen sollen. Diese Menschen lässt unser Ministerpräsident hängen." Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Mario Karschunke nannte das Bürgergeld dagegen "eine Respektlosigkeit gegenüber unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern".

In Thüringen begrüßte CDU-Fraktionschef Mario Voigt die Entscheidung des Bundesrats, die Linke zeigte sich dagegen enttäuscht. Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss schrieb bei Twitter, es sei zu erwarten gewesen, dass die Union das Bürgergeld auf dem Rücken von Armutsbetroffenen verhindere. Mit Unverständnis reagierte auch der Paritätische Wohlfahrtsverband in Thüringen. Dass jetzt der lange Weg über den Vermittlungsausschuss gegangen werden müsse, sei für die Betroffenen "ein Schlag ins Gesicht", sagte Geschäftsführer Stefan Werner.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verteidigte die ablehnende Haltung Sachsens zum Bürgergeld. Kretschmer sagte MDR AKTUELL, es gebe Wortmeldungen von Menschen, die in Jobcentern arbeiteten und "ganz klar die Frage stellen: Stimmt hier das Verhältnis noch von Leistung und Solidarität?" Zugleich signalisierte Kretschmer mit Blick auf weitere Verhandlungen Kompromissbereitschaft: "Sie sehen bei mir große Ruhe, Bereitschaft, darüber zu reden und auch ein Ergebnis zu erzielen, das ab 1. Januar gilt."

Bürgergeld soll Hartz IV ablösen

Der monatliche Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen soll mit der Reform von 449 auf 502 Euro steigen. Dem stimmt auch die Union zu.

Die Regelung sieht zugleich vor, dass Arbeitslose künftig weniger durch angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt werden sollen – das wiederum lehnt die Union ab. Auch sollen die Vorgaben zur Vermögenshöhe und Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.

dpa,epd,AFP,MDR (kar,jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. November 2022 | 11:30 Uhr

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