Kanzleramt Bund und Länder einigen sich auf Verschärfungen in der Migrationspolitik
Hauptinhalt
07. November 2023, 07:03 Uhr
Bund und Länder haben sich auf weitreichende Einschränkungen bei Leistungen für Asylbewerber geeinigt. Außerdem wurde der Streit über die Aufteilung der Kosten beigelegt.
- Leistungsansprüche erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten
- Leistungen teils über Bezahlkarte
- Grenzkontrollen werden weiter fortgeführt
- Sachsen und Bayern verlangen Grundgesetzänderung zu Asyl
- Vorstoß für Asylverfahren außerhalb Europas sorgt für Ärger
- Differenzen über getätigte Beschlüsse
- Paket zur Entbürokratisierung beschlossen.
Nach monatelangem Streit haben sich Bund und Länder über die künftige Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. Pro Asylbewerber und Jahr wolle der Bund eine Pauschale von 7.500 Euro zahlen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am frühen Dienstagmorgen in Berlin zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz.
Leistungsansprüche erst nach 36 statt wie bisher nach 18 Monaten
Zudem vereinbarten Bund und Länder auch Einschränkungen bei den finanziellen Leistungen für Asylbewerber. So sollen Asylbewerber erst nach 36 Monaten und nicht wie bisher nach 18 Monaten Ansprüche auf sogenannte Analogleistungen haben, die ungefähr auf Höhe der regulären Sozialhilfe liegen.
Weiterhin sollen Länder und Kommunen nach Angaben von Scholz durch Leistungskürzungen bei Asylbewerbern rund eine Milliarde Euro einsparen. So soll etwa die Versorgung in Gemeinschaftsunterkünften künftig gegengerechnet werden, wodurch Länder und Kommunen einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag einsparen sollen.
Bezahlkarte soll kommen
Außerdem verständigten sich die Regierungschefs von Bund und Ländern darauf, dass Asylbewerber mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis Ende Januar Vorschläge für bundesweit einheitliche Mindeststandards dazu erarbeiten.
Grenzkontrollen bleiben vorerst bestehen
Grenzkontrollen an mehreren Landesgrenzen sollen ebenfalls bis auf Weiteres fortgeführt werden. Außerdem wolle man Voraussetzungen schaffen, dass Behörden und Gerichte Asylverfahren künftig deutlich schneller abarbeiten. So soll die erste Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Regelfall bereits nach sechs Monaten vorliegen, ein Gerichtsverfahren in erster Instanz ebenfalls nach sechs Monaten abgeschlossen sein.
Bayern und Sachsen fordern Grundgesetzänderung zu Asyl
Bayern und Sachsen forderten noch vor Beginn der Beratungen am Montagabend deutlich schärfere Maßnahmen. So verlangten beide Länder in einer Protokollerklärung das Grundrecht auf Asyl in seiner jetzigen Form prüfen zu lassen.
Vorstoß für Asylverfahren außerhalb Europas sorgt vor Beginn der Beratungen für Ärger
Ebenfalls für Unmut sorgte der unerwartete Vorstoß aller von Union und Grünen regierten Länder, Asylverfahren künftig auch außerhalb von Europa durchführen zu lassen. Das stieß bei den SPD-geführten Bundesländern auf brüske Ablehnung.
Differenzen über getätigte Beschlüsse
Der Sprecher der SPD-Länder, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, sagte, bei den Gesprächen der Regierungschefs seien die SPD-geführten Bundesländer und Thüringen von umfassenden Änderungen gegenüber dem jüngsten Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz überrascht worden, die die damaligen Ergebnisse teilweise infrage stellten und darüber hinausgingen.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU), wollte dagegen den Eindruck des Streits vermeiden. Die Runde sei nicht zerstritten gewesen, sagte er. Unterm Strich stehe ein von allen Bundesländern getragenes Papier.
Paket zur Entbürokratisierung
Zu Beginn des Treffens bei Kanzler Scholz - noch bevor es um das Thema der Migration ging - präsentierten Bund und Länder ein umfassendes Paket zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung beschließen. Die Einigung sehe "grundlegende Änderungen" vor, um Vorhaben etwa in den Bereichen Bau und Verkehr zu beschleunigen, sagte Bundeskanzler Scholz vor der Presse. Die geplante Entbürokratisierung sei in diesen Dimensionen eine Premiere.
Zudem bekannten sich die Länder im Streit um die Zukunft des Deutschlandtickets zu einer Fortsetzung des Angebots und unterbreiteten dem Bund einen Lösungsvorschlag für 2024. Ministerpräsident Weil sagte, nach Vorstellung der Länder könnten, wenn der Bund mitmache, in diesem Jahr nicht verbrauchte Mittel übertragen werden. Dies schaffe die Grundlage, dass das Ticket auch im nächsten Jahr weitergehen könne.
dpa,AFP (isc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. November 2023 | 07:05 Uhr