Symbolbild - Kartenzahlung in einem Laden
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Thüringen Pilotprojekte zu Bezahlkarten für Asylbewerber mit widersprüchlichen Zielen

12. Dezember 2023, 12:30 Uhr

Bund und Länder haben die Umstellung auf spezielle Geldkarten für Asylbewerber und weniger Bargeldleistungen vereinbart. Zentrale Frage ist: Was können die Bezahlkarten und was sollen sie bewirken? Pilotprojekte wie in Thüringen preschen voran, verfolgen aber unterschiedliche Ansätze.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Andreas Sandig
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Ein häufig genanntes Ziel der Umstellung auf sogenannte Bezahlkarten für Asylbewerber in Deutschland ist die Senkung von Verwaltungs- und Personalaufwand. Ein weiteres Motiv sind Nutzungsbeschränkungen. Wo und was damit bezahlt werden kann, wird derzeit bundesweit in verschiedenen Pilotprojekten getestet. Ein weiterer Punkt ist, wie viel Bargeld den Asylsuchenden zur individuellen Verwendung bleiben soll.

Weitere erklärte Ziele sind, dass unkontrollierte Geldtransfers etwa in die Heimatländer der Asylsuchende verhindert werden sollen und mit der Geldkarte keine Glücksspiele bezahlt werden können. Gegner dieser beschränkten Bezahlkarten kritisieren, es gehe vor allem um die Abschreckung von Geflüchteten, damit weniger nach Deutschland kommen.  

Das Prepaid-Kartenmodell im Landkreis Greiz soll den Aufwand senken

Hauptziel des am 1. Dezember im Thüringer Landkreis Greiz gestarteten Pilotversuchs mit einer Geldkarte für Asylbewerber ist nach Angaben des Landratsamts mehr Effizienz. Sprecherin Christine Schimmel sagte MDR AKTUELL auf Nachfrage: "Es geht darum, den Personal- und Verwaltungsaufwand zu verringern, der bei der bisher praktizierten Bargeldauszahlung entsprechend hoch ist, da am Ausgabetag unter Polizeischutz siebenstellige Bargeldbeträge im Landratsamt vorgehalten werden müssen."*

Demnach ist der Asylsuchende Inhaber und Nutzer der Karte, das Konto bleibt beim Landratsamt. Die Bezahlkarte auf Mastercard-Basis funktioniert ähnlich einer Prepaid-Card. Man kann damit nur im Landkreis Greiz einkaufen und bezahlen. Bargeld kann man damit nicht abheben und es gibt keinen Dispokredit. Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich.

Die Kosten für die Kartenerstellung beziffert das Landratsamt auf einmalig 6 Euro pro Bezahlkarte und dann pro monatliche Aufladung jeweils 1 Euro für die rund 750 Asylbewerber im Kreis. Technischer Partner beim Greizer Modell ist nach früheren Angaben der Kartenanbieter Givve.

Ferner erhalten Asylsuchende Schimmel zufolge bar etwa 100 Euro Taschengeld. Das müsse persönlich im Amt abgeholt werden und nur dann werde der Rest der zustehenden Leistungen durch Mitarbeiter des Landratsamtes auf die Karte gebucht.

*Hinweis der Redaktion: Auf Nachfrage von MDR AKTUELL wegen der "siebenstelligen Bargeldbeträge" räumte das Landratsamt Greiz am 12. Dezember 2023 ein, das sei "zeitlich nicht korrekt eingeordnet. Es handelt sich vielmehr um die Vergangenheit, und zwar mussten entsprechende Beträge vorgehalten werden, als die ukrainischen Flüchtlinge noch unter das Asylbewerberleistungsgesetz fielen". Das war lediglich bis Juni 2022 der Fall.

Keine Abstimmung zwischen kommunalen Pilotprojekten oder mit Ländern und Bund

Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte sich im November auf ein bundeseinheitliches System für eine Bezahlkarte verständigt. Doch einen gemeinsamen Ansatz, eine Koordination von Ländern und Bund oder eine Abstimmung der verschiedenen kommunalen Projekte gibt es offenbar nicht. Es wird neu experimentiert – trotz zahlreicher gescheiterter vergleichbarer Modelle in früheren Jahren. Offenbar stimmen sich nicht einmal die beiden CDU-geführten Landratsämter in Thüringen ab, was sie eigentlich wollen.

Landkreis Eichsfeld erwartet keine Spareffekte

Das Landratsamt Eichsfeld sieht es nicht als Ziel einer "Geldkarte für Flüchtlinge, den Verwaltungsaufwand beim Bargeld zu senken". Wie der Landkreis MDR AKTUELL mitteilte, wolle man vielmehr dem "zunehmenden Unmut in der Bevölkerung über die empfundene inakzeptable Gleichstellung von bezahlter Arbeit und Leistungen zum Lebensunterhalt" entgegenwirken. An anderer Stelle heißt es: "Die laufende Verwaltung trifft keine politischen Entscheidungen zur Steuerung des Flüchtlingsaufkommens."

Das im Eichsfeld "Sachbezugskarte" benannte Modell stellt den Angaben zufolge "lediglich eine Teilrückkehr des im Asylbewerberleistungsgesetz von 1993 festgeschriebenen Sachleistungsprinzips dar". Daneben erhielten Flüchtlinge auch weiterhin Bargeld. Man erwarte keine Senkung des Verwaltungsaufwandes.

Dem Landratsamt zufolge funktioniert die Sachbezugskarte mit einer App. Die zunächst 60 Karteninhaber könnten damit den Kontostand einsehen und finden alle Lebensmittelmärkte und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs, in denen mit der Karte bezahlt werden kann. Die Aufladung erfolge elektronisch durch den Landkreis. Die Bargeldleistung entspreche der individuellen Regelleistung.

Partner bei der Kartentechnik ist dem Landkreis zufolge die Firma Edenred. Die Einführung koste insgesamt etwa 500 Euro. Überregionale "Erfahrungsaustausche oder Koordinierungen haben bisher keine stattgefunden".

Weitere Geldkartenprojekte in Deutschland – Hannover geht anderen Weg

Ein weiteres Pilotprojekt zu "Bezahlkarten" für Menschen in Asylverfahren hat in Sachsen-Anhalt der Landkreistag Jerichower Land beschlossen. Auf Anfrage von MDR AKTUELL heißt es, Details "finden sich aktuell noch in Prüfung beziehungsweise Klärung". Und: "Der Landkreis würde einheitliche Regelungen des Bundes respektive des Landes begrüßen." Bislang gebe es keine Koordination. In der sächsischen Landeshauptstadt Dresden hat die AfD die Durchführung eines Modellversuchs "Bezahlkarte für Asylbewerber" beantragt.

Andere Bezahlkartenmodelle werden etwa in Hannover, Hamburg und in Bayern bereits getestet oder sind in Planung. Dabei geht etwa Hannover mit seiner "Socialcard" einen anderen Weg: Die Geldkarte für Asylbewerber wird überregional wie eine normale Bankkarte in allen Geschäften akzeptiert, man kann sein Guthaben auch bar an Automaten abheben. Ziel sei, die Auszahlungsprozesse zu vereinfachen.

Schlechte Erfahrungen mit Bezahlkarten in der Vergangenheit

Versuche mit Sachleistungs- und Chipkartenmodellen in Deutschland reichen bis in die 90er-Jahre zurück. Ein jüngeres Pilotprojekt gegen den "Missbrauch von Sozialleistungen" startete der bayerische Landkreis Erding 2015. Der Versuch mit Sachleistungsshops und Gutscheinen wurde wegen unverhältnismäßig hohen Aufwands wieder gestoppt.

Ein Jahr später führte der Landkreis Erding den "Kommunal Pass" ein. Mit der Karte der Partner-Firmen Sodexo und Wirecard sollte man überall bargeldlos einkaufen können. Auch damals durften Asylbewerber mit der Karte kein Bargeld abheben oder Geld überweisen. Doch es gab technische Probleme. Dazu kam heftige Kritik von Flüchtlingshelfern sowie von SPD und Grünen. Ein Leben ohne ausreichend Bargeld sei diskriminierend und stark einschränkend. Daraufhin wurde erst ein kleiner Barbetrag erlaubt, ab 2018 wieder der gesamte Betrag. Mit der Pleite von Wirecard 2020 hatte sich der "Kommunal Pass" dann erledigt.

Auch der Kreis Greiz sowie weitere Thüringer Regionen machten seinerzeit schlechte Erfahrungen mit der Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen an Asylbewerber. Unter anderem wegen der Bürokratie und mangelnden Akzeptanz im Handel wurde wieder auf Geldzahlungen umgestellt.

Weitere Chipkarten-Versuche gab es etwa in Berlin, ebenfalls mit Sodexo als Partner. Die etwa 3.000 betroffenen Asylbewerber konnten nur in wenigen Geschäften einkaufen – darunter keine Discounter wie Aldi, Penny oder Lidl. Sie erhielten 1,36 Euro pro Person und Tag Taschengeld. Das Projekt "Infracard" wurde im Sommer 2003 beendet.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. Dezember 2023 | 16:45 Uhr

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