Größtenteils Männer vor Traktoren: Kundgebung von Landwirten gegen die Sparpläne der Bundesregierung am 12. Januar 2024 in Nürnberg
Vor allem Männer mit Traktoren: Kundgebung gegen die Sparpläne der Bundesregierung am 12. Januar 2024 in Nürnberg. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Jahresrückblick Was die Bauernproteste Anfang 2024 gebracht haben

18. Dezember 2024, 14:20 Uhr

Sie kamen in die Stadt und kippten Gülle auf die Straße, blockierten Autobahnen und Brücken, über die manchmal auch Kliniken nicht mehr erreichbar waren: Anfang 2024 gab es wütende Proteste von Bauern. Viel Zählbares gebracht haben sie noch nicht. Im Rückblick ziehen die Vertreter der deutschen Landwirte trotzdem ein positives Fazit.

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Ausgelöst hat die bis in den März 2024 andauernden Bauernproteste eigentlich die Union: Mit ihrer erfolgreichen Klage gegen die Haushaltspläne von SPD, Grünen und FDP beim Bundesverfassungsgericht hatten CDU und CSU die Koalition derart unter Spardruck gesetzt, dass im Rückblick viele Beobachter darin auch den Anfang vom Ende der Ampel-Koalition sehen.

Auslöser der Proteste: Sparzwang der Ampel

"Die Ampel muss weg" war dann auch einer der Schlachtrufe der protestierenden Landwirte, den viele unterstützten – von Union und Linken über das neu gegründete BSW bis zur AfD und rechten Gruppen. Denn durch das Urteil aus Karlsruhe war die glücklose Koalition per Ende 2023 zu Einsparungen gezwungen, mit denen sie vielen auf die Füße treten musste. Unter anderem gehörte dazu auch das vorzeitige Ende der E-Auto-Kaufprämie – wobei die dann beschlossenen Sparmaßnahmen auch im Agrarbereich schon länger in der Schublade gelegen haben sollen.

Konkret kündigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen unter anderem die Streichung der Steuervorteile für Agrardiesel an und die Einführung der Kfz-Steuer auch für Landwirtschaftsfahrzeuge.

Verlauf der zeitweise ausufernden Proteste

Mit dem Agrardiesel jedoch schien eine "heilige Kuh" geschlachtet. So gab es erste Blockaden von Bauern bereits im Dezember 2023 vor Weihnachten und bereits da auch erste Anzeigen, nach einer Aktion mit Traktoren in Freising in Bayern etwa. Auch in Sachsen wurde der Verkehr behindert.

Klartext Jahresrückblick Januar Bauernproteste 1 min
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Schon Anfang Januar nimmt die Ampel-Regierung geplante Kürzungen bei Agrarsubventionen teilweise zurück. Doch die Bauernproteste bleiben.

MDR FERNSEHEN Fr 13.12.2024 11:51Uhr 00:56 min

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Richtig Fahrt nahmen die Traktor-Konvois und Straßensperren dann mit Beginn des neuen Jahres auf. Und bereits Anfang Januar kam es zu einer ersten publik gewordenen Eskalation, als nicht nur wütende Bauern unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und zugleich unbeteiligte Passagiere am Verlassen eine Fähre hinderten.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, aufgenommen vor Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, aufgenommen vor Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Bereits da hatten die Verbände der Bauern erkennbar Schwierigkeiten, die Proteste unter Kontrolle zu halten. Und schon da wurde erkennbar, dass sich "Nachahmer", wie der sächische Verbandspräsident Torsten Krawczyk sie im Rückblick nennt, an die Landwirte hängten, Lkw-Fahrer und Spediteure etwa, aber auch politische Akteure mit zum Teil ganz anderen Anliegen.

Bauern selbst und ihre Verbände organisierten ab Anfang Januar große Protestaktion, etwa in Dresden und in Sachsen-Anhalt eine ganze Woche lang. Mitte des Monats gab es einen Schwerpunkt in Mitteldeutschland. Zugleich steht auch Berlin im Zentrum. Eine Sternfahrt zum Brandenburger Tor bringt riesige Verkehrsproblem auch im Umland. Und vor dem Showdown im Bundesrat im März wird das wiederholt.

Schild auf dem steht - Berlin ist unser Ruin. 5 min
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Straßen und Brücken blockiert

In Jena in Thüringen eskortieren derweil Polizisten schwangere Frauen an Protesten vorbei ins Klinikum, während die Blockaden und die Zurückhaltung der Polizei gegenüber den Landwirten zum Thema im Landtag werden. In Sachsen durchbrechen Autofahrer etwa zur selben Zeit die Sperren von Bauern an der Autobahn 72. Ende Januar sind auch in Sachsen-Anhalt die Autobahn-Auffahrten dicht, wie auch die Bundesstraße 181 bei Leuna.

Eine Blockade mit Nachspiel bis heute gab es an der Elbe-Brücke bei Tangermünde. Ärzte kamen nicht ins Krankenhaus und ihr Arbeitgeber erstatte Anzeige. Der Landkreis verhängte ein Versammlungsverbot an der Brücke, und in den nächsten Tagen gab es weitere Anzeigen.

Gülle auf Straße gekippt

Ein weiterer Tiefpunkt wird Anfang Februar erreicht, als in Magdeburg in der Nacht flüssige Gülle und Mist auf die Straße gekippt werden. Ähnliches hatte sich im Erzgebirge in Sachsen auch vor dem Haus einer Bürgermeisterin ereignet. Auch ein Bauernhof brannte dort. Doch im Februar flauten die Proteste dann zunächst erst einmal etwas ab.

Rechte Trittbrettfahrer nutzen die Bauernproteste

Bis dahin hatten sich auch diverse rechtsextreme Trittbrettfahrer im Fahrwasser der Bauernproteste eingefunden. So riefen etwa die "Freien Sachsen" zu Kundgebungen auf. Bald wehrte sich der Verein "Land schafft Verbindung" (LsV), der die eigentlichen Proteste intensiv organisierte und dem Vernehmen nach auch durchaus mit dem zentralen Deutschen Bauernverband (DBV) in Kontakt war, gegen Vereinnahmungen, auch wenn dem Verein das – etwa in Niedersachsen – nicht immer gleich sauber gelungen ist.

Verständnis für Bauernproteste in Politik und Bevölkerung

Landauf, landab wurde derweil besorgt gefragt, warum die Bauern so vehement protestierten? Ihre Verbände und der LsV wurden darum nicht müde, zu erklären, dass sich die Lage der heimischen Landwirtschaft schon seit Jahren verschlechtere. Die Streichung des Agrardiesels war demnach nur der Auslöser für den Ausbruch von lang angestautem Frust.

In allen Parteien, auch in denen der Ampel, und aus der Bevölkerung wurde darum auch viel Verständnis für die Landwirte geäußert. Wobei die Sympathie für ihren Protest in krassem Gegensatz schien zu der verbreiteten Ablehnung der sich im Grunde ähnlich auswirkenden Straßenblockaden von Klimaschutz-Aktivisten der "Letzten Generation".

Vom "Agrarpaket" zum Ende der Ampel

Die Bundesregierung will nach ihrem ersten Kompromiss-Angebot im Januar keine weiteren Zugeständnisse mehr machen. Mehr als die zumindest dann nur schrittweise Streichung der Agrardiesel-Subvention und den Erhalt der Kfz-Steuerbefreiung soll es nicht geben. Vor der finalen Abstimmung im Bundesrat gibt es zwar noch eine große Kundgebung in Berlin und nicht nur eine Resolution aus Sachsen. Doch am 22. März stimmten die meisten Länder für das "Wachstumschancengesetz" getaufte Sparpaket der Ampel – und damit gegen den Agrardiesel.

Folge der Proteste war aber auch ein "Agrarpaket" der Ampel, im September im Bundesrat gebilligt, mit Maßnahmen zur Entlastung der Landwirte. Unter anderem können sie nun ihre Einkünfte über drei Jahre besteuern lassen, um schwankende Gewinne in der vom Wetter abhängigen Branche auszugleichen. Zudem sollten Bürokratie abgebaut und die Position besonders kleinerer Betriebe gegenüber dem Handel mit Änderungen im Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz gestärkt werden.

Eine Folge dürfte im Sommer auch das Scheitern des in der Landwirtschaft unbeliebten Düngegesetzes der Ampel-Koalition zum Schutz des Grundwassers gewesen sein, das die Länder im Bundesrat ablehnten. Keine Folge mehr waren dann Änderungen an der sogenannten Höfeordnung – die letzte agrarpolitische Amtshandlung der Ampel-Koalition noch kurz nach ihrem Zerfall im November.

Das ist aus Anzeigen gegen Protestierende geworden

Den Anzeigen wegen der Traktorblockaden und anderen Aktionen ist anscheinend eher zurückhaltend nachgegangen worden. Nach der Blockade der Fähre mit Habeck an Bord gab es mindestens fünf. Der Fall wurde als eindeutig strafbar bewertet, zuletzt aber immer noch ermittelt, nachdem der Generalbundesanwalt die Übernahme abgelehnt hatte.

Der Deutsche Bauernverband und die von MDR AKTUELL befragten Bauernverbände in Mitteldeutschland versichern, dass Verfahren gegen sie oder Mitglieder nicht bekannt seien. Sie verweisen auf "Trittbrettfahrer". Auch von Steuerverfahren, weil etwa Bauern mit subventioniertem Agrardiesel zu Protesten für dessen Erhalt fuhren, war demnach nichts zu hören.

Das strafrechtliche Nachspiel der Blockade an der Elbe-Brücke in Tangermünde ist noch nicht beendet. Ende November teilte Kommissarin Lisa Stüfen von der Polizei in Stendal auf Nachfrage von MDR AKTUELL mit: "Nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft können wir aus ermittlungstaktischer Sicht keine Auskunft zu den angefragten Strafverfahren geben." Die Ermittlungen liefen demnach noch.

Strafverfahren gab es auch gegen wütende Autofahrer. Anfang Dezember etwa verurteilte das Landgericht Oldenburg einen 46 Jahre alten Mann wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sieben Monaten Haft. Er war in eine Blockade gefahren, hatte einen Landwirt mit seinem Auto erfasst und mehrere Meter mitgeschleift. Der Landwirt wurde leicht verletzt.

Fazit: Es geht um Agrardiesel und Anerkennung

Sollte das Aus der Ampel ein Ziel der Proteste gewesen sein, wäre es erreicht. Das Ampel-"Agarpaket" bezeichnen die Bauernverbände durchweg nur als ein "Päckchen". Doch bevor in Berlin eine aktive Agrarpolitik wieder anlaufen kann, dürfte nun noch mindestens ein halbes Jahr vergehen.

Dann aber erwarten die Verbände den Agrardiesel zurück. "Das wird definitiv die erste Baustelle einer neuen Regierung sein", sagte etwa Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk. Sein Kollege Olaf Feuerborn in Sachsen-Anhalt, der dort auch Landtagsabgeordneter der CDU ist, spricht sogar von einem echten "Versprechen, das man uns gegeben hat von Seiten der Opposition, den Agrardiesel wieder auf das alte Niveau zurückzuführen, dass wir die alten Zahlungen wiederkriegen. Hier erwarten wir Einhaltung".

Wie es nach den Bauernprotesten 2024 weitergeht

Eine baldige Wiederauflage der Proteste ist wohl nicht zu erwarten: "Aktuell setzen wir nicht auf Demos, sondern auf intensive politische Arbeit", teilte der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, auf Anfrage von MDR AKTUELL mit. Den Agrardiesel erwähnte er nicht.

Trotz einzelner Kundgebungen wie Anfang Dezember in Dresden dürfte das auch für Widerstand gegen das EU-Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten gelten. Denn auch von einer möglicherweise unionsgeführten Bundesregierung können die Bauern nicht erwarten, dass sie das von CDU-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach 25 Jahren fertig verhandelte Mercusor-Abkommen wieder kippt. Zu groß sind die erhofften Vorteile vor allem für die deutsche Industrie.

Landwirte: Proteste "eigentlich ein Erfolg", aber ...

Die Landwirte dürften auch darum nun umso mehr auf dem Agrardiesel und Entlastungen bestehen. Marc Bernhardt, Milchvieh-Halter aus Freital und Sprecher des Vereins LsV, der die Proteste mitorganisiert hatte, sprach im Rückblick zwar von großem Rückhalt, aber: "Die politische Ausbeute ist mager bis eigentlich nicht vorhanden." Auch Feuerborn sagte: "Echte Entlastungen fehlen weiter und viele Maßnahmen müssen erst noch umgesetzt werden." Nach Ansicht des Thüringer Bauernverbands habe man "einiges in Bewegung gebracht". Sprecherin Katja Förster sagte aber auch: "Insgesamt sind wir mit dem Ergebnis nicht zufrieden."

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, spricht auf dem Wahlbauerntag des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern.
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Wüstneck

DBV-Präsident Rukwied sagte dagegen: "In Summe gesehen waren unsere Proteste erfolgreich." Für ihn sei neben kleineren politischen Erfolgen das "positive Feedback" aus der Bevölkerung entscheidend: "Wir haben die Bedeutung der Landwirtschaft nicht nur in die Zeitungen und Talkshows, sondern auch an die Esstische gebracht."

Auch Sachsens Bauernpräsident Krawczyk spricht nun von gewachsenem Rückhalt in der Bevölkerung und mehr Präsenz in der Politik: "Wir finden uns viel deutlicher wieder mit unseren Themen", sagte er dem MDR. So seien die Proteste "eigentlich ein Erfolg" gewesen, der "nur noch nicht in den Betrieben messbar" sei. Aber "mittelfristig wird sich einiges verbessern", war Krawczyk sich Ende November sicher: "Es wird einen Politikwechsel geben."

MDR AKTUELL, mit u.a. LTO, dpa, taz, Stern, Die Welt, Der Spiegel, agrarheute

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 15. Dezember 2024 | 07:00 Uhr

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