Ein junge Frau schaut ernst in die Kamera.
Die Leipzigerin Maike Grunst geht demonstriert seit mehreren Jahren mit der Klimagruppe "Letzte Generation". Weil sie für den Klimaschutz demonstrierte, stand sie schon mehrfach vor Gericht. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Akzeptanz Sympathie für Protest von Bauern versus Frust über Klimaprotest

13. Januar 2024, 18:12 Uhr

Die Bauernproteste haben auch in Sachsen für Staus und gesperrte Straßen gesorgt. Trotzdem gab es für die Demos auch viele nach oben zeigende Daumen. Die öffentliche Meinung zu Klimaprotestlern ist eine andere. Sie werden nicht selten als "Klimakleber" und "kriminell" bezeichnet. Ein junges Mitglied der "Letzten Generation" erklärt, warum Handeln wichtiger ist als Pluspunkte sammeln. Ein Protestforscher ordnet das ein.

Seit dem Jahr 2022 engagiert sich Maike Grunst bei der Klimagruppe "Letzte Generation". Um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, klebte sie sich vor zwei Jahren an die Sixtinische Madonna in der Dresdner Gemäldegalerie. Die junge Frau mit rötlich-brünetten Haaren schaut mit gelassenem, aber ernstem Blick in die Kamera. Maike Grunst spricht ruhig, doch die 23-Jährige stand wegen ihrer Aktionen schon mehrmals vor Gericht. Beim Thema Klimaschutz spricht die Leipzigerin mit entschlossener Stimme: "Wir sehen, dass unsere ökologischen Netze zusammenbrechen und die Polkappen schmelzen. Ich kann die Untätigkeit der Regierung nicht akzeptieren."

Protestanten bei einer Sitzblockade 5 min
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Für ihre Aktion an der Sixtinischen Madonna muss Grunst mit mehr als 10.000 Euro Strafe rechnen. Bislang sei sie aber in noch keinem ihrer Fälle rechtkräftig verurteilt, sagt sie. In Bayern saß sie nach eigener Aussage mehrere Tage in Präventivhaft. "Mir war bewusst, dass persönliche Konsequenzen folgen werden. Ich nehme das in Kauf, weil wir einem viel größeren Leid - der Klimakatastrophe - gegenüberstehen", sagt die Soziologiestudentin.

Protestaktionen der "Letzten Generation" umstritten

Die Proteste der "Letzten Generation" - ob angesprühte Weihnachtsbäume oder auf Straßen festgeklebte Demonstrierende - sind umstritten. In der Öffentlichkeit ist dafür oft viel Ablehnung zu hören. Dagegen haben die Landwirte für ihre Proteste in dieser Woche viel Sympathie und Aufmerksamkeit bekommen. Eine Aufmerksamkeit, die sich die "Letzte Generation" wünscht?

Letzte Generation: Bauern bekommen mehr Gehör

Die Proteste der Bauern hält Maike Grunst für legitim. Doch sie fragt sich, warum die Landwirte bei Politikern offenbar eher Gehör bekommen als die Klimademonstranten. "Warum reagiert die Politik so anders auf ihre Straßenblockaden?", fragt Grunst.

Ein junge Frau schaut ernst in die Kamera.
Die "Letzte Generation" gehe für das Wohl aller auf die Straßen, findet Maike Grunst. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Es ist ungerecht, wenn Menschen unterdrückt werden, die für das Überleben aller Menschen auf die Straßen gehen.

Maike Grunst Mitglied der Klimagruppe "Letzte Generattion"

Die "Letzte Generation" gehe immerhin zum Wohl aller auf die Straße. "Es ist ungerecht, wenn Menschen unterdrückt werden, die für das Überleben aller Menschen auf die Straßen gehen", findet Grunst und relativiert damit Straftaten wie Sachbeschädigung. Die Beweggründe der Bauern bezeichnet sie als Forderungen von Menschen, die für "egoistische Gründe" demonstrierten. Deren Anliegen würden von der Politik hingegen kurzerhand erfüllt.

Widersprüche bleiben ohne Antworten

Trotzdem sieht die "Letzte Generation" die Bauernproteste nicht als Konkurrenz im Kampf um Aufmerksamkeit. Grunst meint, die Demos der Landwirte hätten mit denen der "Letzten Generation" viel gemeinsam. Genauer will Grunst das nicht erklären. Während des Interviews liest die junge Frau weitestgehend vorgefertigte und anscheinend abgesprochene Antworten von ihrem Handy ab. Spontan antwortet sie selten.

Obwohl die "Letzte Generation" fossile Kraftstoffe ablehnt, befürwortet die Klimagruppe Grunst zufolge die Proteste der Bauern, die gerade für den Erhalt ihrer Steuererleichterungen beim Tanken von Diesel für ihre Traktoren protestieren. Ein Widerspruch zu den erklärten Zielen der "Letzten Generation". Keine Erklärung dazu von Grunst.

Protestforscher: Klimademonstrierende verbreiten negative Botschaften

Allgemein haben der Bauernprotest und die Klimademos der "Letzten Generation" bis auf den Protest durch Blockaden wenig gemeinsam, sagt der Protestforscher an der Uni Leipzig, Alexander Leistner. Bei den Inhalten begännen die Unterschiede. "Die 'Letzte Generation' will die Regierung daran erinnern, dass sie sich zu Klimaschutz verpflichtet hat", sagt Leistner.

Es gehe also darum, der Politik, aber auch der Bevölkerung eine eher unangenehme Botschaft zu vermitteln. "Es ist die Botschaft 'Die Hütte brennt!' und 'Wir müssen für das Klima etwas ändern!'", so Leistner.

Ein Verkehrsteilnehmer schüttet bei einer Blockade der Letzten Generation auf der Autobahn 100 einer Aktivistin Wasser über den Kopf. 1 min
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Bauernproteste spiegeln Fülle von Zumutungen wider

Durch die Stimmung, die die Aktionen der Landwirte begleite, fühlten sich hingegen mehr Leute angesprochen, erklärt Leistner. "Diese Proteste sind in eine Stimmung eingebettet, die verbreiteter ist. Es geht darum, dass uns die gesellschaftlichen Zumutungen zu viel geworden sind", erklärt der Forscher. Die Anliegen der Klimagruppen treffen ihm zufolge auf starke Abwehr weiter Bevölkerungsteile, da es um Veränderungen für jeden geht. "In Sachsen spielt das etwa auch in der politischen Rhetorik eine große Rolle", betont Leistner.

Ein Mann schaut in die Kamera
Von den Bauernprotesten fühlten sich viele Menschen angesprochen, die unzufrieden sind, sagt der Protestforscher der Uni Leipzig, Alexander Leistner. Bildrechte: Universität Leipzig/Swen Reichhold

Diese Proteste sind in eine Stimmung eingebettet, die verbreiteter ist. Es geht darum, dass uns die gesellschaftlichen Zumutungen zu viel geworden sind.

Alexander Leistner Protestforscher an der Uni Leipzig

Hinzu komme, dass sich mit den Bauernprotesten auch andere Berufsgruppen und Personen angesprochen fühlten und für ihre Anliegen demonstrierten. "Es gab den Eindruck 'Das ist ein Protest, der auch meine Unzufriedenheit widerspiegelt'", verdeutlicht Leistner. Es werde das Bild aufgebaut, dass sich "das Volk vermeintlich gegen die Politik erhebt."

Konkrete Lösungen nur durch konkrete Forderungen

Darin sieht Leistner auch eine Gefahr. Denn wenn Protest so diffus wird und sich kein kleinster gemeinsamer Nenner mehr erkennen lässt, seien auch keine konkreten Lösungen mehr möglich. "Es wird ein grundsätzlicher Unmut etwa gegen die Ampel oder die Meinung 'alles Schlimme kommt von oben' artikuliert. Da kann man keine konkreten gesellschaftlichen Probleme mehr erkennen", betont der Protestforscher.

Doch gibt es nach einer Woche mit Bauernprotesten noch die große Sympathie dafür in der Bevölkerung? Leistner setzt da ein großes Fragezeichen. "Das war Anfang der Woche sicher nochmal anders als zum Ende der Woche", so Leistner. Ein Fazit kann er da erst mit etwas zeitlichen Abstand geben - auch in der Frage, ob es regionale Unterschiede gibt.

Vorwurf: Medien schüren Bild "hochkrimineller" Proteste

Was fest stehe, so Leistner: Für viele Menschen sei der Klimawandel irrevelant und werde sogar bestritten. Die mediale Berichterstattung spiele bei der "Letzten Generation" und deren Bild in der Öffentlichkeit dazu noch eine entscheidende Rolle, so der Forscher. Schnell hätten Medien davon gesprochen, dass die Klimaproteste "hochkriminell" und gefährlich seien. Bei den Bauernprotesten erkennt Leistner bisher weitaus differenziertere Medienberichte. Das Thema Klimawandel und dessen Folgen lässt sich offenbar nicht so schnell erklären, wie die konkreten Forderungen der Bauern.

Sympathie ist "Letzter Generation" nicht wichtig

Auf die Frage, ob es nur Meinungsmache der Medien sei, wenn über "Klimakleber" und eher negativ über die "Letzte Generation" gesprochen wird, geht Maike Grunst nicht ein. Ohnehin komme es den Klimaschützern auch nicht auf Sympathie an, sagt Maike Grunst: "Es geht uns darum, Druck aufzubauen und die Regierung zum Handeln zu bewegen. Die Sympathien der Menschen sind da zweitrangig", findet sie.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 12. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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