Flucht und Migration Steigende Geflüchteten-Zahlen bringen Kreise und Städte an ihre Grenzen

17. November 2022, 11:28 Uhr

Immer mehr Geflüchtete kommen in Deutschland an – nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Syrien oder Afghanistan. Zuletzt gab es deutlich mehr Asylanträge und laut Innenministerium nimmt auch die illegale Einreise zu. Städte und Landkreise geraten zunehmend an Kapazitätsgrenzen. Ein aktuelles Beispiel ist Erfurt: Aus der Landeshauptstadt hieß es am Montag, dass keine Geflüchteten mehr aufgenommen werden können.

Wie aus vielen Städten und Landkreisen kam auch aus Gera vor einigen Wochen die Meldung: Aufnahmestopp – keine weitere Aufnahme Geflüchteter mehr möglich. Die Situation habe sich mittlerweile entspannt, die Stadt nehme wieder Menschen auf, sagt Oberbürgermeister Julian Vonarb. Trotzdem sieht er den Freistaat Thüringen in der Pflicht, die Städte besser zu unterstützen. Er fordert: "Dass seitens des Landes endlich die Hausaufgaben erledigt werden, dass da größere Puffer geschaffen werden, im Sinne von Erstaufnahmeeinrichtungen. Und da müssen wir leider feststellen, als Oberbürgermeister insbesondere, dass da seit Frühjahr des Jahres merklich nichts passiert ist. Zumindest nicht so, dass wir heute im November eine Lösung hätten."

Städte und Gemeinden sind überfordert

Geflüchtete aus der Ukraine müssen in Deutschland kein Asyl beantragen. Sie bekommen Grundsicherung. Für Menschen aus anderen Ländern bekommen die Städte und Landkreise eine Pauschale. Die sei in Thüringen aber viel zu gering, sagt der Geschäftsführer vom Städte und Gemeindebund, Ralf Rusch: "Wir bekommen eine Flüchtlingskostenpauschale in Höhe von 210 Euro pro Flüchtling und Monat. Das zuständige Ministerium selbst hat errechnet, dass wir mindestens das Doppelte brauchen." Das sei seit Jahren bekannt und seit Jahren habe sich der Betrag nicht geändert. "Wenn wir diese Aufgabe übernehmen, müssen wir die auch finanziert kriegen."

Neben fehlendem oder zu wenig Geld gebe es auch zu wenige Wohnungen oder Erstaufnahmeeinrichtungen. Kay Ruge, Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers beim Deutschen Landkreistag, sagt, bundesweit sei die Lage ähnlich problematisch: "Bereits jetzt sind viele Wohnungen in den Landkreisen belegt. Ehemalige Hotels, Jugendherbergen, Gemeinschaftsunterkünfte sind belegt."

Man beschaffe mit großem Engagement Container und bringe Geflüchtete wieder in Container-Dörfern unter, so Ruge weiter. Man stehe wieder vor der Frage, ob man die Menschen in Turnhallen oder Zelten übernachten lasse. Dass die Landkreise Aufnahmestopps verhängen, sei ein wichtiges Signal. Ruge ist der Meinung, dass die Einwanderung nach Deutschland begrenzt werden müsse. Denn die Kapazitäten seien bundesweit erschöpft.

Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert Aufnahmestopp

Das sieht Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin bei Pro Asyl anders. "Wenn der Wille da ist, dann werden auch Wege gefunden." Man sehe es außerdem kritisch, wenn es nun Forderungen gebe, dass wegen fehlender Kapazitäten für die Unterbringung niemand mehr nach Deutschland kommen dürfe. Judith: "Da sagen wir: Nein, wir müssen natürlich die Unterbringungskapazitäten schaffen." Bund, Länder und Kommunen müssten bei der Aufnahme von Geflüchteten besser zusammenarbeiten, statt sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. November 2022 | 06:00 Uhr

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