Aufenthalts-Übergangsverordnung verlängert So werden Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland verteilt

01. Juni 2023, 05:00 Uhr

Bund und Länder haben den besonderen Aufenthaltsstatus für Geflüchtete aus der Ukraine verlängert, samt Arbeitserlaubnis und vollen Anspruch auf Sozialleistungen. Die Zahl der Kriegsvertriebenen hat sich bei gut einer Million stabilisiert. Doch die Verteilung auf die Bundesländer funktioniert nur bedingt. Das zeigt sich etwa in Sachsen-Anhalt.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Andreas Sandig
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Die Sonderregelung zum Aufenthalt für Menschen aus der Ukraine in Deutschland wird verlängert. Das bestätigte das Bundesinnenministerium (BMI) MDR AKTUELL. Demnach hat der Bundesrat im Mai gebilligt, dass die Vierte Verordnung zur Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung "inhaltlich unverändert" bis zum 4. März 2024 fortgeführt wird. Das BMI bereite derzeit die Verkündung vor.

Basis der Regelung ist die sogenannte Massenzustromrichtlinie der EU. Sie gewährt Kriegsvertriebenen aus der Ukraine unbürokratisch Schutz – mit einem biometrischen Pass zunächst ohne Registrierung für 90 Tage im gesamten Schengen-Raum. Die Geflüchteten werden damit von einem Asylverfahren wie Geflüchtete aus anderen Ländern ausgenommen.

In Deutschland sind demnach Geflüchtete aus der Ukraine ab Einreise zunächst von der Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels befreit. Binnen drei Monaten müssen sie sich entscheiden, ob sie bleiben, in ein anderes EU-Land weiterziehen oder in die Ukraine zurückkehren wollen. Dann muss eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz bei der örtlichen Ausländerbehörde gestellt werden.

Die Menschen aus der Ukraine sind zudem seit Juni 2022 ins deutsche Sozialhilfesystem eingegliedert und haben Anspruch auf Leistungen und Arbeitsvermittlung wie alle Bundesbürger.

Zahl der Ukrainer in Deutschland hat sich bei etwa eine Million stabilisiert

Die Ersterfassung von Geflüchteten aus der Ukraine bei der Einreise in Deutschland, die Verteilung, die Anmeldung bei der Meldebehörde und die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis sind getrennte Vorgänge, werden laut Bundesamt für Migration regional jedoch manchmal auch gemeinsam erledigt.

Können sich Einreisende aus der Ukraine mit einem biometrischen Pass ausweisen, dürfen sie sich im Schengen-Raum ein Vierteljahr ohne behördliche Registrierung frei bewegen. Viele kommen zunächst bei Angehörigen, Bekannten oder privaten Helfern unter, leben zunächst von Ersparnissen und reisen dann weiter. Städte und Kommunen, in denen bereits Menschen aus der Ukraine leben oder Geflüchtete untergekommen sind, ziehen besonders stark neue Flüchtlinge an. Das erschwerte lange einen genauen Überblick in Deutschland und der EU.

Erst nach der 90-Tage-Frist oder mit Antrag auf staatliche Hilfen wird eine Registrierung bei den regionalen Behörden nötig. Neben Sozialleistungen und Krankenversicherung wird den Geflüchteten dann auch ein Wohnort zugewiesen.

Königsteiner Schlüssel funktioniert nur bedingt

Die Geflüchteten aus der Ukraine werden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt – entsprechend Finanzkraft und Einwohnerzahl. Die Länder verteilen die Menschen dann auf Städte und Kommunen. So soll der Versorgungsaufwand angemessen aufgeteilt werden. Erst an diesem Zielort können die Geflüchteten dann ihren Antrag auf einen Aufenthaltstitel und Sozialleistungen stellen.

Das gilt jedoch nicht für jene Menschen aus der Ukraine, die für ihre Versorgung zunächst selbst aufkommen und etwa bei Freunden oder Verwandten wohnen. Sie können offiziell drei Monate in ihrer selbst gewählten Unterkunft bleiben. Sie bekommen einen Ankunftsnachweis, mit dem Sie sich ans Jobcenter oder Sozialamt vor Ort wenden können.

Daraus ergeben sich Verwerfungen bei der geplanten Verteilung von Geflüchteten. In Berlin und Hamburg leben deutlich mehr Menschen aus der Ukraine, als es der Schlüssel vorsieht. Das verschärft dort die Wohnraumknappheit. Teils landen Ukraineflüchtlinge dann wieder in Sammel- oder Gemeinschaftsunterkünften. Beide Stadtstaaten forderten Veränderungen am Verteilungsprinzip, doch dafür zeichnet sich keine Mehrheit ab. Auch Sachsen-Anhalt hat mehr Geflüchtete aufgenommen, als es der Königsteiner Schlüssel vorsieht.

Das BMI erläuterte dazu MDR AKTUELL, zur Ungleichverteilung gebe es bisher keine belastbaren Erkenntnisse. Bei Berlin und Hamburg "könnten die verkehrstechnische Anbindung, Urbanität und Attraktivität einer Großstadt, das Vorhandensein einer ukrainischen Community sowie bei Sachsen-Anhalt die relative Nähe zur Heimat Ursachen dafür sein".

Sachsen-Anhalt mit Aufnahmestopp und Wohnsitzauflagen

Bei Überlastung von Kommunen können die Bundesländer die Notbremse ziehen und auch Wohnsitzauflagen anordnen. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt erläuterte MDR AKTUELL, dass derzeit dem Land keine neuen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen werden. Die Unterbringungssituation in einigen Kommunen sei "sehr angespannt, die Kapazitäten auf dem privaten Wohnungsmarkt sind weitgehend ausgeschöpft", besonders in großen kreisfreien Städten und manchen Landkreisen.  

Sachsen-Anhalt hat laut Ministerium seit Beginn des russischen Angriffskrieges deutlich oberhalb seiner Aufnahmequote Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Daher seien alle Landkreise und kreisfreien Städte berechtigt, eintreffende Kriegsflüchtlinge über das Verteilsystem FREE an andere Bundesländer mit Unterquote weiterzuleiten. Dabei werden ebenfalls die Umstände abgewogen. Wenn ein besonderer Integrationsgrund vorliegt, etwa die Kernfamilie bereits in Sachsen-Anhalt lebt oder es einen Arbeitsvertrag gibt, bleiben diese Geflüchteten trotzdem in der entsprechenden Aufnahmekommune.

Außerdem können Kommunen Wohnsitzauflagen für ukrainische Kriegsflüchtlinge aussprechen. In Sachsen-Anhalt haben etwa Halle, Magdeburg, der Burgenlandkreis oder der Landkreis Jerichower Land besonders viele Flüchtlinge aufgenommen. Per Auflage wurden keine Geflüchteten mehr dorthin geschickt – sofern kein besonderer Integrationsgrund vorliegt.

Flüchtlingszahlen bundesweit und in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

In Deutschland leben laut Ausländerzentralregister im Mai etwa 1,18 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine. Davon sind der Großteil Frauen und etwa ein Drittel Minderjährige. Die meisten Kriegsflüchtlinge haben Nordrhein-Westfalen (224.000), Bayern (152.000) und Baden-Württemberg (136.000) aufgenommen. Die Zahlen haben sich in den letzten Monaten stabilisiert, der Zuwachs ist nur noch gering.

In Sachsen wohnten im Mai nach Daten des Ausländerzentralregisters knapp 51.000 Menschen aus der Ukraine. In Sachsen-Anhalt waren nach Angaben der Landkreise und kreisfreien Städte Ende Mai 29.433 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wohnhaft. Thüringen hat nach Daten des Ausländerzentralregisters bis Mai 2023 knapp 28.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen.

MDR AKTUELL (ans)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL FERNSEHEN | 30. Mai 2023 | 19:30 Uhr

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