Bundessozialgericht Rettungssanitäter begrüßen PTBS-Urteil
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26. Juni 2023, 13:12 Uhr
Das Bundessozialgericht hat posttraumatische Belastungsstörungen grundsätzlich als Berufskrankheit bei Rettungssanitätern anerkannt. Wie wird das Urteil angenommen, was bedeutet es für Beschäftigte im Rettungswesen?
- Zahl der bundesweiten PTBS-Fälle im Rettungsdienst ist unklar.
- Oft reicht die Schulung und Vorbereitung auf schwere Unglücke und Bilder nicht aus.
- Notärzte fordern mehr Hilfsangebote für Betroffene im Rettungsdienst.
- Gewerkschaft der Polizei drängt auf Verbesserung im Beamtenrecht.
Es gibt Einsätze, die erschüttern Rettungskräfte nachhaltig, trotz professioneller Distanz. So geschehen bei einem Rettungssanitäter aus dem baden-württembergischen Esslingen, bei dem sich nach Einsätzen bei Amokläufen und Suiziden eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, einstellte.
Zahl der bundesweit Betroffenen unklar
Das Bundessozialgericht befand nun, seine Erkrankung kann im Grundsatz als Berufserkrankung eingestuft werden: Aktenzeichen B 2 U 11/20 R.
Marco König, Vorsitzender vom Deutschen Berufsverband Rettungsdienst, bewertet das Urteil als "sehr wichtig", weil nun viele Beschäftigte im Rettungswesen Chance auf eine finanzielle Absicherung erhielten. Wie viele Betroffene es gibt, kann er nicht beziffern.
König sagt: "Viele Kolleginnen und Kollegen, die an PTBS erkrankt sind, haben nun deutlich bessere Chancen, das anerkannt zu bekommen, und sie sind dann entsprechend besser finanziell abgesichert."
Weiter erklärt König, dass für das Thema psychische Gesundheit nur in der dreijährigen Notfallsanitäter-Ausbildung Platz sei, bei der dreimonatigen Ausbildung zum Rettungssanitäter jedoch nicht.
Wie werden Sanitäter auf schlimme Eindrücke vorbereitet?
Kai Kranich vom DRK Sachsen ist gerade im Ausland. Er nimmt an einer Rettungsübung des Polnischen Roten Kreuzes teil.
Dort und bei anderen Übungen erzählt er, trainieren Einsatzkräfte schwierige Situationen, die auch psychisch belastend sein können. Kranich schildert das Szenario eines schweren Industrieunglücks: Eine sehr große Fabrik sei zerstört. Es gebe um die 300 Verletzte. Die Einsatzkräfte müssten sich von Sektor zu Sektor vorarbeiten, um Überlebende zu finden.
Dann gebe es einen Raum, wo eigentlich nur noch Körperteile liegen… Die Rettungskräfte müssen trotz dieser Bilder die erstmedizinische Versorgung und den Abtransport Verletzter sichern.
Danach stehe dann auch die Aufarbeitung des Erlebten an. Vermeiden ließen sich solche Bilder für Rettungskräfte nicht.
Notärztevereinigung fordert mehr Hilfsangebote
Über 12.000 Notärztinnen und Notärzte sind in der Bundesvereinigung der Notärzte Deutschlands BAND organisiert. Verbandschef Florian Reifferscheid begrüßte das Urteil des Bundessozialgerichts. Es stärke allen im Rettungsdienst den Rücken und verdeutliche, was die Einsatzerlebnisse mit den Mitarbeitenden machten, die hohe psychische Belastung. Bei der Anerkennung als Berufskrankheit gehe es ja auch um Therapiekosten.
Reifferscheid sagt: "Das Urteil macht einfach klar, dass das (PTBS) auch tatsächlich als eine ernstzunehmende Erkrankung anerkannt werden kann und dann auch die Therapiekosten gedeckt werden."
Zugleich fordert Reifferscheid, die Hilfsangebote deutlich auszuweiten. Bei der Nachbearbeitung schwieriger Einsätze stehe meist zuerst das kollegiale Gespräch an, zum Teil kämen Kriseninterventionsteams zum Einsatz. In manchen Fällen sei aber Hilfe von Psychologen nötig. Die Akzeptanz für psychische Probleme durch den Rettungsjob habe sich aber deutlich gebessert, so Reifferscheid.
Gewerkschaft der Polizei hofft auf Anpassung im Beamtenrecht
Von einem "ganz wichtigen Urteil" spricht auch Sven Hüber, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Allerdings könne das Urteil nicht ohne weiteres auf die Polizei übertragen werden. Im Polizeidienst müsste eine PTBS-Erkrankung konkret auf einen Einsatz zurückgeführt werden.
Hübner erklärt: "Als Beamtinnen und Beamte müssen Sie einen ganz konkreten Einsatz nachweisen, in dessen ganz konkreter Folge Sie eine Posttraumatische Belastungsstörung erlitten haben." Hüber hofft auf eine Änderung im Beamtenrecht, damit auch Polizistinnen und Polizisten PTBS leichter als Berufserkrankung geltend machen können.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. Juni 2023 | 08:00 Uhr