Krankenkassen Steigende Zusatzbeiträge: Das sind die Kostentreiber
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02. Januar 2025, 09:31 Uhr
Rund 90 Prozent der Deutschen sind gesetzlich krankenversichert. Und für die wird es 2025 deutlich teurer – bei einigen Kassen wird der Anstieg der Zusatzbeiträge den geplanten neuen Durchschnitt von 2,5 Prozent sogar übersteigen. Grund ist eine Finanzierungslücke von fast 14 Milliarden Euro. Wo liegen die Gründe für diesen drastischen Preisanstieg?
- Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands ist die Politik für die stark steigenden Kassenbeiträge verantwortlich.
- In den vergangenen Jahren seien die Kosten stärker gestiegen als die Einnahmen, erklärt ein Verbandssprecher.
- Der Gesundheitsökonom Stefan Greß sagt, notwendige Strukturreformen würden zunächst überwiegend den Beitragszahlern aufgelastet.
- Eine Kostendämpfungsrunde sei unausweichlich, sagt der Ökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg.
Das Finanzproblem der Gesetzlichen Krankenkassen hat die Politik zu verantworten. Das konstatiert der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz. Denn die habe die Kassen in den vergangenen Jahren gezwungen, ihre Rücklagen aufzubrauchen, und gleichzeitg zusätzliche Ausgaben ohne eine Gegenfinanzierung beschlossen – unter anderem etwa die Tariferhöhungen für die Pflegekräfte. "Und das geht natürlich dauerhaft nicht. Ich kann nicht dauerhaft höhere Leistungen finanzieren, indem ich die Rücklagen aufbrauche. Denn irgendwann sind die Rücklagen alle", sagt Lanz.
Kosten steigen stärker als die Einnahmen
Gleichzeitig seien auch die Kosten rasant gestiegen, erklärt der GKV-Sprecher – und zwar deutlich schneller als die Einnahmen. "Es gibt zwei besonders wichtige und dynamische Ausgabenbereiche. Das eine ist der Krankenhausbereich. Jeder dritte Euro, den die Krankenkassen ausgeben, geht an die Krankenhäuser. Allein im nächsten Jahr erwarten wir Mehrausgaben von sieben bis acht Milliarden Euro – in einem Jahr an zusätzlichen Ausgaben." Der andere Bereich seien die Arzneimittelausgaben. "Dort haben wir in den letzten fünf, sechs Jahren insgesamt Ausgabensteigerungen von rund 40 Prozent gehabt", erklärt Lanz.
Die Kassen hätten aber keine Möglichkeit, darauf zu reagieren. So dürfe etwa die Pharmaindustrie im ersten halben Jahr selbst bestimmen, was ein neues Medikament koste. Man verlange teils regelrechte Fantasiepreise, so der GKV-Sprecher.
Politik hat kaum gegengesteuert
Tatsächlich benötigen die Kassen rund ein Fünftel ihres Budgets für Arzneimittel, erklärt der Gesundheitsökonom Stefan Greß von der Hochschule Fulda. Ein weiteres Fünftel fließt demnach zu den ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten. Der größte Teil aber geht mit zwei Fünfteln an die Krankenhäuser.
In den vergangenen Jahren sei politisch kaum etwas getan worden, um die Kosten in diesen drei Bereichen zu begrenzen, sagt Greß. Es seien eine Reihe von Strukturreformen angestoßen worden, wie die Digitalisierung oder die Krankenhausreform. "Das ist alles notwendig, kostet aber auch erstmal Geld. Den Mechanismus, den wir sehen in den letzten Jahren, das zahlen immer die Beitragszahler – auch die Kosten für die Transformation der Krankenhäuser, für den Umbau, das wird auch überwiegend den Beitragszahlern aufgelastet, obwohl es eigentlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Bundes wäre."
Und deshalb aus Steuergeldern finanziert werden sollte, sagt Gesundheitsökonom Greß. Seiner Ansicht nach wären höhere Steuerzuschüsse für die Kassen ein Instrument, um die steigenden Beiträge zu begrenzen. Außerdem gebe es die Option, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen.
Gesundheitsökonom: Kostendämpfungsrunde unausweichlich
Sicher sei jedenfalls, dass es mit solch drastischen Erhöhungen der Zusatzbeiträge nicht weitergehen könne. Nach der Bundestagswahl sei deshalb eine sogenannte Kostendämpfungsrunde unausweichlich, sagt auch der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. "Das heißt, die Arzthonorare, die Arzneimittelpreise, die Anstiege der Gebühr im Krankenhaus müssen begrenzt werden für ein, zwei Jahre. Und ich denke wir brauchen, auch wenn sich das unpopulär anhört, eine Erhöhung der Selbstbeteiligung der Versicherten." Die sei seit 20 Jahren konstant geblieben.
Perspektivisch müsse man auch über Leistungskürzungen nachdenken, meint Wasem. Denn die Kosten dürften aufgrund der alternden Gesellschaft auf absehbare Zeit nicht sinken. Langfristig gesehen, so die Gesundheitsökonomen, würden jedoch die angestoßenen Reformen im Gesundheitswesen greifen und den Kassen Ausgaben ersparen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Januar 2025 | 06:08 Uhr