Barmer-Arztreport 2023 Scharlach und Hand-Mund-Fuß-Krankheit auf dem Vormarsch

14. März 2023, 10:30 Uhr

Nach Coronavirus, RSV und Grippe breiten sich an Kitas und Schulen Streptokokken-Infektionen wie Scharlach aus. Auch die Hand-Mund-Fuß-Krankheit ist weiter auf dem Vormarsch. Das geht aus dem Barmer-Arztreport 2023 hervor, der am Dienstag vorgestellt worden ist.

Kinderkrankheiten wie Scharlach oder Hand-Mund-Fuß haben während der Corona-Pandemie im Vergleich zu den Vorjahren einen Tiefstand erreicht. So ist etwa während der Pandemie die übliche Scharlach-Welle bei Kita-Kindern nahezu ausgeblieben. Das führt jetzt, nach dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen, zu einem intensiven Nachholeffekt mit teils schwereren Verläufen vor allem bei den nun älteren Schulkindern. Das geht aus dem Arztreport 2023 der Krankenkasse Barmer hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt worden ist. Der Schwerpunkt der Auswertung lag auf der Ausbreitung von Kinderkrankheiten.

Drohende Scharlach-Welle bei Schulkindern

Die im Report genannten Zahlen sprechen für sich: Den Auswertungen zufolge haben sich im Jahr 2019 vor Ausbruch der Pandemie rund 235.000 Kinder mit Scharlach infiziert. Nach Pandemiebeginn im Jahr 2021 waren es nur noch knapp 25.200. Das entspricht einem Rückgang von gut 90 Prozent, so die Krankenkasse.

"Eine drohende Scharlach-Welle bei Schulkindern ist nur ein Beispiel von vielen Infektionskrankheiten. Um solche negativen Effekte für die Zukunft zu vermeiden, müssen wir die richtigen Lehren aus der Pandemie ziehen", sagt Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.

Ähnliches berichtet der Sprecher des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. Während der Zeit der Corona-Schutzmaßnahmen seien viele Krankheiten nicht oder weniger durchgemacht worden. "Dadurch ergibt sich offenbar jetzt ein gewisser Nachholeffekt, der gerade Ende 2022 und Anfang 2023 zu einer Häufung von verschiedenen Erkrankungen bei Kindern geführt hat", so Maske.

Hand-Mund-Fuß-Krankheit auf dem Vormarsch

Neben Scharlach hat die Barmer in den Monaten der Corona-Beschränkungen auch andere klassische Kinderkrankheiten wie Ringelröteln seltener verzeichnet. Demnach gingen die Infektionen in der Pandemie um 82 Prozent zurück. Das zeige, dass sich die Corona-Schutzmaßnahmen auch merklich auf viele weitere Infektionskrankheiten ausgewirkt hätten, sagt der Autor der Arztreports, Joachim Szecsenyi.

"Einzig bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit gibt es einen gegenteiligen Effekt", sagt Szecsenyi. Im vierten Quartal 2021 seien so viele Kinder von dieser Erkrankung betroffen gewesen (141.800) wie in keinem anderen Quartal seit dem Jahr 2005. Diese besondere Entwicklung der Erkrankung müsse weiter beobachtet werden, sagt Szecsenyi. Denn: Wer die Krankheit einmal hatte, ist nicht immun. Ein Kind könne sich mehrfach anstecken. Und auch Erwachsene können sich infizieren.

Wie sich die Fallzahlen nach dem kompletten Wegfall der Kontaktbeschränkungen und der Maskenpflicht entwickelten, werde sich noch zeigen. Szecsenyi vermutet trotz der ohnehin schon hohen Fallzahlen einen Nachholeffekt ähnlich wie bei Scharlach.

Ganz anders hingegen sieht die Entwicklung jedoch bei Windpocken aus. Die Schutzimpfung sorge hier, unabhängig von Corona-Schutzmaßnahmen, für stets rückläufige Infektionszahlen, heißt es im Bericht.

WHO warnte bereits im September vor Scharlach-Welle

Eine verstärkte Scharlach-Krankheitswelle verzeichnet auch der Berliner Kinderarzt Martin Karsten. Seine jungen Patientinnen und Patienten haben mit einer Reihe von Infektionen zu kämpfen, sagt er in der rbb-Abendschau. Die Corona-Welle im vergangenen Sommer sei im Herbst von RSV und Atemwegsinfekten abgelöst worden. Zum Jahresende hin habe die Influenza vorgeherrscht, jetzt verzeichnete der Mediziner einen enormen Anstieg von Streptokokkeninfektionen. Streptokokken sind Bakterien, die verschiedene Krankheiten auslösen, etwa Mittelohr-, Rachen-, Nasennebenhöhlen-, oder Mandelentzündungen – aber auch Scharlach.

Auch das Robert Koch-Institut registriert schon seit Januar einen Anstieg an Infektionen. Bereits im Dezember 2022 warnte die WHO vor einer schweren Scharlach-Welle in Europa.

Kinderarzt: Immunsysteme nicht mehr geschult

"Der beobachtete starke Anstieg der bakteriellen Infektionen könnte durch die gleichzeitige weite Verbreitung von Atemwegsviren begünstigt worden sein, die auch das Risiko von invasiven bakteriellen Infektionen, wie durch Gruppe-A-Streptokokken, Pneumokokken sowie H. influenzae, erhöhen können", heißt es im Epidemiologischen Bulletin des RKI vom 23. Februar.

Das bestätigt auch der Berliner Kinderarzt Karsten: "Man nimmt an, dass durch die Corona-Maßnahmen das Immunsystem nicht mehr geschult und alle Bakterien in einem gewissen Gleichgewicht waren", sagt er im rbb. Jetzt sei die Situation aus dem Ruder geraten, eine Infektionswelle folge auf die nächste. Immunsysteme, vor allem die von Kindern, könnten damit nicht umgehen.

MDR, Barmer (nvm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. März 2023 | 11:00 Uhr

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