Ein Barbier beim Rasieren
In Barbershops werden die Haare zumeist sehr kurz rasiert, oft auch mit Rasiermesser. Nach Einschätzung von Hautärzten verursacht das kleinste Verletzungen, die Einfallstor für Hautpilz sein können, wenn Hygienestandards nicht eingehalten werden. Bildrechte: IMAGO/Addictive Stock

Infektionen am Kopf Hautpilz-Ausbreitung in Barbershops: "Nicht alle über einen Kamm scheren"

13. Juli 2024, 05:00 Uhr

Der Hautpilz Trichophyton tonsurans verursacht deutschlandweit zunehmend Kopf- und Gesichtsinfektionen. Hautärzte führen das auf schlechte Hygiene in Barbershops zurück. Die Barbiere weisen die Vorwürfe zurück.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Alexander Laboda
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Inhaber von Barbershops in Mitteldeutschland fühlen sich zu Unrecht wegen angeblich mangelnder Hygiene in ihren Salons an den Pranger gestellt. Shiehad Abdo​, Inhaber des Barbershops Style Deluxe in Magdeburg, sagte MDR AKTUELL mit Blick auf die Ausbreitung des Hautpilzes Trichophyton tonsurans, auch "Ringerpilz" genannt: "Bei uns wird Hygiene groß geschrieben und das nicht erst seit den Meldungen über diese Erkrankung." Auch sein Salon werde behördlich überwacht und müsse jederzeit mit Kontrollen rechnen. "Zu uns kann das Gesundheitsamt gerne kommen, ich weiß was wir hier tun und leisten."

Anas Al Darwesh, Inhaber von Bablios Barbershop in der Dresdner Neustadt, fragt sich, warum auf Barbershops abgezielt werde. "Ist es, weil wir Dienstleistungen zu 50 Prozent günstiger anbieten als deutsche Salons und dabei eine Qualität liefern, die diese zu 100 Prozent übertrifft?" Wo keine überzeugenden Argumente gefunden würden, argumentierten manche mit ansteckenden Hautkrankheiten. Auch Al Darwesh betonte, dass in seinem Laden die Hygiene auf höchstem Niveau beachtet werde, "sowohl zu unserem eigenen Schutz als auch zum Schutz unserer Kunden und zur Wahrung des guten Rufs unseres Salons".

Barbershops sind Friseurgeschäfte, die sich fast ausschließlich an Männer wenden und zu vergleichsweise sehr günstigen Preisen Bartrasuren und Kurzhaarschnitte anbieten. Inhaber und Mitarbeitende sind oftmals Menschen mit Migrationshintergrund.

Direkter Nachweis zu Barbershop

Experten hatten diese Woche die Ausbreitung des Hautpilzes Trichophyton tonsurans in Verbindung gebracht mit Barbershops, die in den vergangenen Jahren in großer Zahl eröffnet wurden. Der Dermatologe und Laborarzt Pietro Nenhoff, sprach im Interview mit MDR AKTUELL von einem "heiklen Thema". Mittlerweile gebe es aber den direkten Nachweis. Er verwies auf eine Untersuchung in Kiel, bei der man den Pilz in einem Barbershop etwa an Rasierapparaten und auf Oberflächen fand.

Trichophyton tonsurans – Symptome und Therapie Der Hautpilz Trichophyton tonsurans, auch bekannt als "Ringerpilz", "Mattenpilz" oder dem Oberbegriff Fadenpilz, kann schuppende, gerötete, teils auch eitrige Infektionen der Haut auslösen. Gelangt der Pilz über kleine Schnitte, etwa beim Rasieren, unter die Haut sind auch Pusteln, Vernarbungen und Haarausfall möglich.

Die Erkrankung ist nach Angaben von Hautärzten effektiv behandelbar. Eingesetzt werden zum einen mehrfach täglich Salben gegen Pilze. Insbesondere bei stärkeren Infektionen am Kopf müssen aber auch Tabletten zur Therapie eingesetzt werden. Die Behandlung kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. Mit Informationen vom Deutschen Ärzteblatt

Nenhoff und andere Hautärzte sehen den Pilz in ihrer Praxis immer häufiger. Er werde inzwischen drei- bis fünfmal so oft nachgewiesen wie noch vor fünf Jahren, sagt er. Allein in seinem Labor seien im vergangenen Jahr fast 350 Nachweise des Pilzes gelungen: "Das ist für diesen eigentlich eher seltenen Pilz wirklich viel."

Bundesweit mehr als zehntausend Fälle

Der Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten und Innere Medizin in Berlin, Hans-Jürgen Tietz, bestätigt diese Befunde. "Es ist kein neues Phänomen. Wir sehen schon seit längerer Zeit, dass die Infektionen zunehmen. Jetzt spitzt sich die Lage zu." In Deutschland gebe es rund 4.500 Hautarztpraxen, rechnet der Professor der Humboldt-Universität vor. "Wenn Sie da nachfragen, hat jede Praxis zwei bis drei betroffene Patientinnen und Patienten. Also können wir konservativ geschätzt von über zehntausend Fällen in Deutschland ausgehen."

Auch die Verbindung zu Barbershops sei unter Praktikern unstrittig, sagt Tietz, übrigens ein gebürtiger Thüringer. "Wenn Sie die Patienten fragen, waren fast alle Kunden in solchen Salons." Selbstverständlich verbreite sich der Pilz aber auch auf anderen Wegen. Nicht umsonst sei er als "Ringerpilz" oder "Mattenpilz" bekannt. Im Kampfsport-Milieu handele es sich um ein "ungelöstes Problem". Epidemische Ausbrüche habe es zudem auch in Kitas gegeben.

Der Fachmann befürwortet eine Meldepflicht für hoch ansteckende Pilzerreger, unter anderem für den Trichophyton tonsurans. Zudem sieht er die Gesundheitsämter in der Pflicht, die Hygienevorschriften in Friseursalons zu kontrollieren.

Mehr Kontrollen, Meisterpflicht strenger durchsetzen

Diese Forderung unterstützt Sven Heubel, Landesinnungsmeister des Friseur- und Kosmetikerhandwerks in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Friseur sieht sein Handwerk in ein schlechtes Licht gerückt – und macht dafür Barbershops verantwortlich. "Man darf hier bestimmt nicht alle über einen Kamm scheren, aber in vielen dieser Läden werden Hygienevorschriften aus schlichter Unkenntnis nicht eingehalten, weil zumeist auch junge, ungelernte Kräfte am Werk sind." Hier brauche es mehr Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht.

Es ist eben nicht nur Haareschneiden.

Sven Heubel, Landesinnungsmeister des Friseurhandwerks in Sachsen-Anhalt und Thüringen

Generell gelten für Barbershops die gleichen Vorschriften wie für jeden anderen Friseursalon. Beispielsweise müssen Arbeitsmaterialen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Mitarbeitende müssen dahingehend regelmäßig geschult werden. Außerdem gilt auch für Barbershops die Meisterpflicht.

Hier liegt für Friseurmeister Sven Heubel jedoch ein weiteres Problem. Zu häufig würden bei der Gewerbeanmeldung Ausnahmegenehmigungen von der Meisterpflicht erteilt. So darf der Inhaber eines Salons etwa auch einen Friseurmeister als Betriebsleiter anstellen. Heubel: "Wenn dieser Betriebsleiter dann aber für mehrere Salons zuständig und praktisch nie vor Ort ist, kann der die Mitarbeiter gar nicht kontrollieren."

Heubel plädiert dafür, die Handwerksordnung abzuändern und Gewerbeanmeldungen unter strengeren Regeln zu genehmigen. "Wir haben einen Gesundheitsberuf, eine körpernahe Dienstleistung. Wir brauchen da ordentliche Abschlüsse und Qualifikationen. Es ist eben nicht nur Haareschneiden."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - das Nachrichtenradio | 09. Juli 2024 | 09:48 Uhr

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