UFZ-Studie Kein Badespaß: Starke Chemikalienbelastung in deutschen Flüssen

06. April 2024, 14:25 Uhr

Ist das Wasser in deutschen Flüssen wirklich so sauber, dass man darin baden kann? Forschende haben jetzt genauer nachgeschaut. Sie haben Wasserproben von 22 europäischen Flüssen genommen und darin nach über 600 handelsüblichen Chemikalien gesucht. Die Ergebnisse klingen nicht gerade nach Badespaß.

Werner Brack sucht in seinen Unterlagen nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Darin steht, welche und wie viele Stoffe in den Flüssen im Auge behalten werden müssen. "Wir haben im Moment 69 prioritäre Stoffe in der EU."

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: 100.000 Chemikalien landen in der Umwelt

Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen also in den Flüssen 69 Chemikalien kontrollieren. Das ist gefühlt gar nichts. Werner Brack ist Chemiker am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und schätzt: "Man geht so von 100.000 Chemikalien aus, die wir im täglichen Gebrauch haben und ein Großteil dieser Chemikalien landet irgendwann unweigerlich in der Umwelt." 

Im Trüben fischen – so könnte man das bezeichnen, was Werner Brack in seinen Studien unternimmt. Daher wollte er nun endlich klarer sehen. Statt nur nach 69, suchte er nach über 600 Chemikalien. Und das tat er mit Wasserproben aus 22 europäischen Flüssen. Zum Beispiel aus dem Rhein, der Elbe oder der Donau.

Die meisten Chemikalien fand er tatsächlich im Wasser wieder. Er listet auf: 200 Pestizide und Biozide, 175 pharmazeutische Chemikalien, Kunststoff- und Gummizusätze, oder auch PFAS, sogenannte "Ewigkeits-Chemikalien", deren Wirkungen auf Wasserorganismen und den Menschen weitestgehend unbekannt sind.

Bund für Umwelt und Naturschutz: "Ein erschreckendes Dokument"

Sascha Mayer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat sich die Studie angeschaut. Er sagt: "Es ist eigentlich ein sehr erschreckendes Dokument, das uns jetzt gegeben wird, in welchem Zustand unsere Flüsse sind. Dass sie chemisch in einem schlechten Zustand sind, wissen wir. Aber dass es in dem Umfang war, ist jetzt klar verdeutlicht worden."

Vor allem kleine Flüsse seien betroffen, so Studienleiter Werner Brack. Die Verdünnung sei da nicht so stark, erklärt er und weiter: Nach heftigen Regengüssen seien Flüsse massiv durch Agrarflächen belastet. Biozide und Pflanzenschutzmittel würden am stärksten wirken. Laut Studie sind außerdem auch Stoffe dabei, die in Deutschland schon lange verboten sind: Diazinol, Fipronil, Imidacloprid. Wo kommen die her?

In der Landwirtschaft verboten, für den häuslichen Gebrauch zugelassen

Brack kann es nur vermuten. "Bei uns werden Stoffe nach Anwendung reguliert. Das heißt, Stoffe, die in der Landwirtschaft verboten und nicht mehr zugelassen sind, die sind dann oft noch zugelassen im häuslichen Gebrauch."

Mittel gegen Silberfische im Bad, gegen Läuse, überhaupt um die Wohnung insektenfrei zu halten, können Quellen sein. Auch Hundehalsbänder gegen Zecken – mutmaßt er. Sie enthalten das in der Landwirtschaft verbotene Imidacloprid. Letztlich sieht Brack in Dreiviertel aller Flüsse zu starke Chemikalien-Belastungen. "Das heißt, wir erwarten, dass dort empfindliche Arten zurückgehen und damit die Lebensgemeinschaften verändern."

BUND empfiehlt: Nur an ausgewiesenen Stellen baden

Brack untersuchte die Wirkung auf die Lebensgemeinschaften in den Gewässern. Doch was bedeutet das für den Menschen? Ist es ratsam in einem Fluss zu baden? Sascha Mayer vom BUND ist vorsichtig. "Als Freizeitvergnügen würde ich nicht in den deutschen Flüssen baden, außer es sind wirklich ausgewiesene Badestellen, wo die zuständige Kommune vorher diese Messungen durchgeführt hat."

Studienleiter Werner Brack spricht von einer großen Umweltkrise. "Wir haben das Klima, wir haben die Biodiversität und wir haben die Chemikalienbelastung. Ich glaube, wir müssen diese drei Probleme zusammen angehen, um wieder in einen Zustand unserer Umwelt zu kommen, die auch für uns Menschen verträglich ist."

Die Analyse-Methoden haben sich deutlich verbessert. Heute können viel mehr Stoffe im Wasser gemessen werden, als noch vor 30 Jahren. Das muss sich nun auch in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie widerspiegeln. Nur 69 kritische Chemikalien stehen da, aber die Liste wird erweitert: 23 Stoffe wurden bereits vorgeschlagen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. April 2024 | 06:17 Uhr

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