OECD-Studie Pisa-Test für Erwachsene: Jeder Fünfte liest sehr schlecht
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11. Dezember 2024, 14:07 Uhr
Bei jedem fünften Erwachsenen in Deutschland liegt die Lese-Kompetenz auf dem Niveau eines zehnjährigen Kindes oder deutlich schlechter. Das geht aus der aktuellen Pisa-Studie für Erwachsene hervor. Der Bildungsgerfolg sei dabei abhänging von der sozialen Herkunft. Im internationalen Vergleich liegen deutsche Erwachsene im oberen Mittelfeld.
- Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland hat Probleme beim Lesen und Rechnen.
- Deutschland liegt beim internationalen Vergleich im Mittelfeld.
- Ältere schneiden bei der Lesekompetenz besser ab als Jüngere.
Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland liest auf dem Niveau eines zehnjährigen Kindes oder deutlich schlechter. Das geht aus der zweiten Bildungsvergleichsstudie "PIAAC" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die unter Erwachsenen aus 31 Ländern durchgeführt wurde.
Demnach können rund 22 Prozent der 16- bis 65-Jährigen den Inhalt eines einfachen Satzes wie "Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind bis zehn Uhr hier ist" nicht oder nur mit Problemen erfassen. In der leistungsstarken Gruppe, die lange anspruchsvolle Texte verstehen und bewerten kann, finden sich 14 Prozent der Erwachsenen wieder.
Wie wurden die Ergebnisse der PIAAC erhoben? An der "Internationalen Studie zur Untersuchung von Alltagsfähigkeiten Erwachsener" nahmen von 2022 bis 2023 rund 160.000 Personen teil, 4.793 davon in Deutschland. Im Gegensatz zum ersten Erhebungszeitraum (2012 bis 2013) wurden die Tests ausschließlich mit Tablets durchgeführt. Die Teilnehmer mussten dabei Fähigkeiten zeigen, die für den Alltag und den Arbeitsmarkt als wichtig gelten.
Pisa-Test für Erwachsene: Probleme auch beim Rechnen
Ein ähnliches Bild ergab sich beim Rechnen. Jeder Fünfte gelangte bei den Tests nicht über einfaches Zählen und Grundrechnen hinaus, hieß es bei der Vorstellung der Ergebnisse am Dienstag. 18 Prozent finden sich dagegen in den beiden höchsten Leistungskategorien wieder. Das Kompetenzniveau hängt der Studie zufolge dabei eng mit dem erreichten Schulabschluss zusammen.
Deutschland international im Mittelfeld
Die Diskrepanz in Deutschland sei sehr groß, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. "Das Leistungsniveau der Erwachsenen ohne Schulabschluss ist sehr schwach." Auch die familiäre Herkunft spiele eine große Rolle. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland insgesamt im oberen Mittelfeld.
Frauen im Lesen besser, Männer im mathematischen Bereich
Das Testergebnis der fast 4.800 deutschen Teilnehmer lag sowohl beim Lesen als auch in Mathematik leicht über dem OECD-Durchschnitt. Frauen schnitten bei der Lesekompetenz besser ab als Männer. "Schon bei den Pisa-Untersuchungen in Schulen hatten Mädchen bessere Leseleistungen gezeigt", sagte Schleicher. Männer schnitten hingegen erneut besser im mathematischen Bereich ab.
Auch das Leistungsgefälle zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund war beträchtlich. Bei nach Deutschland eingewanderten Menschen lag die Lesekompetenz 75 Prozent unter dem Durchschnitt der deutschen Teilnehmer ohne Migrationshintergrund. Das sei der drittgrößte Unterschied innerhalb der OECD: Nur in Japan und Finnland liegen Einwanderer bei der Lesekompetenz noch weiter zurück.
"In der zweiten Einwanderungsgeneration liegt Deutschland nicht mehr so weit hinten", betonte Schleicher indes. Bei hier geborenen Menschen mit eingewandertem Elternteil ist der Leistungsrückstand beim Textverständnis kleiner. Deutschland landete dabei mit weniger als 20 Prozent auf Platz neun unter den 31 untersuchten Ländern.
Ältere schneiden besser ab als Jüngere
Auch zwischen den Altersgruppen zeigten sich Leistungsunterschiede. Die immer noch insgesamt guten Testergebnisse in Deutschland seien vor allem auf die Leistungen der älteren Generation zwischen 55 und 64 Jahren zurückzuführen, sagte der OECD-Bildungsdirektor. In anderen Ländern, etwa in Singapur, hätten vor allem die Jüngeren besser abgeschnitten.
"Das war für uns die große Überraschung der Studie", so Schleicher. Als möglichen Grund nannte er den zunehmenden Kontakt mit der digitalen Welt: "Das Lesen in der digitalen Welt macht uns mehr zu Konsumenten als zu reflektierenden Menschen." Es gebe weniger Kontakt mit komplexen Texten und Aufgaben.
KNA, AFP (smk)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. Dezember 2024 | 12:05 Uhr