Schulsystem Bildungsexperten wollen Sitzenbleiben abschaffen
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31. Mai 2024, 09:26 Uhr
Der OECD-Bildungsdirektor will das Sitzenbleiben abschaffen. Experten zufolge verbessert Sitzenbleiben nicht zwingend die Schulnoten. Diese Alternativen schlagen sie vor.
- Der OECD-Bildungsdirektor will das Sitzenbleiben abschaffen.
- Sitzenbleiber müssen sich an eine neue Situation gewöhnen und werden stigmatisiert.
- Es braucht Alternativen zur Verbesserung der Schülerleistung.
Die Schülerinnen und Schüler in Mitteldeutschland nähern sich dem Ende des Schuljahrs – und damit den Zeugnissen. Wegen schlechter Noten in zwei Fächern müssen Schüler häufig ein ganzes Jahr wiederholen. Der Bildungsdirektor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Schleicher, will das Sitzenbleiben ganz abschaffen.
Sitzenbleiben müsse als zweite Chance verstanden werden – das teilt das Sächsische Kultusministerium auf Anfrage mit. Effektiv bringe es den Schülern selten eine Leistungsverbesserung, sagt Bildungswissenschaftler Paul Fabian. Er forscht an der Universität München seit mehr als zehn Jahren zum Thema Klassenwiederholung. "Ich kenne kaum eine Studie, die belegt, dass es zu einer Leistungsverbesserung führt." In Einzelfällen könne das sicher der Fall sein. "Allerdings zeigt sich in unseren größeren Studien, in denen viele Kinder befragt und getestet werden, dass wir da einfach keine systematische Verbesserung durch die Maßnahme finden."
Ganzes Schuljahr wiederholen ist "ineffizient"
Das kann auch Tomi Neckov bestätigen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende im Verband Bildung und Erziehung (VBE) ist auch Lehrer. Er sagt: "Wenn ein Kind ein komplettes Schuljahr wiederholen muss, weil es in zwei Fächern die entsprechenden Leistungen nicht gebracht hat, dann ist das extrem ineffizient."
Das Problem sei, dass die Kinder lediglich den Stoff des Schuljahres von vorne durchnähmen, sagt Bildungsforscher Fabian. Dabei bräuchten sie für ihre schwachen Fächer eher eine gezielte Förderung und Unterstützung. Die Klassenwiederholung würde Kinder dabei noch zusätzlich vor die Aufgabe stellen, sich in einer neuen Klasse zurechtzufinden. Daher binde eine Klassenwiederholung eine Menge an Kapazitäten, die nicht zwangsläufig damit zu tun hätten, sich auf Schule oder Leistungsentwicklung zu konzentrieren, so Fabian. Sondern damit, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
Alternativen zum Sitzenbleiben schaffen
Tomi Neckov vom VBE geht noch einen Schritt weiter: Das Wiederholen könne die Kinder stigmatisieren, sie fühlten sich als Versager. Deswegen begrüße der VBE den Vorschlag des OECD-Bildungsdirektors Schleicher, Sitzenbleiben abzuschaffen – und stattdessen mehr gezielte und kostenlose Nachhilfe anzubieten.
Burkhard Naumann von der Bildungsgewerkschaft GEW sind Alternativen zum Sitzenbleiben wichtig. "Da brauchen wir einen guten Plan dafür. Da reden wir von gezielter Unterstützung, zusätzlichen Mitteln und Lehrkräften, die auch Zeit brauchen, sich den einzelnen Schülerinnen und Schülern, die in so einer Situation sind, auch zu widmen", sagt Naumann. Das fehle gerade.
Solange diese Mittel fehlten – sprich Lehrkräfte und Pädagogen – sollte man Klassenwiederholungen beibehalten, so Naumann. Allerdings mit dem Ziel, die Maßnahme perspektivisch abzuschaffen. Entsprechende Pläne existieren derzeit weder in Thüringen noch in Sachsen-Anhalt. Laut sächsischem Kultusministerium ist Sitzenbleiben immer das letzte Instrument.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 29. Mai 2024 | 06:24 Uhr
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