Live-Veranstaltungen Zwischen hohen Ticketpreisen und Clubsterben – wie geht es der Konzertbranche?
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03. Dezember 2024, 03:00 Uhr
Das Konzertjahr 2024 war geprägt von großen Namen und hohen Ticketpreisen. Taylor Swift, AC/DC und Depeche Mode lockten die Massen an, während Adele in München für ganze zehn Konzerte ein temporäres Stadion errichtete. Doch während die großen Shows gut gefragt waren, kämpfen kleinere Veranstalter und Clubs ums Überleben. Die steigenden Kosten und wirtschaftlichen Herausforderungen machen ihnen zu schaffen. Wie geht es 2025 weiter? Der Szeneclub Conne Island in Leipzig musste jetzt reagieren.
- Trotz hoher Ticketpreise sind große Konzerte nachgefragt, viele kleine Veranstalter und Clubs rutschen aber tiefer in die Krise.
- Das Leipziger Conne Island ist in finanzielle Schieflage geraten und musste eine Spendenkampagne starten.
- In Großbritannien wird jetzt über eine Abgabe diskutiert, mit der große Künstlerinnen und Künstler die kleinen unterstützen sollen.
Die Konzertbranche in Mitteldeutschland schaut mit gemischten Gefühlen auf das Jahr 2024. Und das, obwohl die Tendenz trotz Corona, Krieg und Inflation inzwischen wieder nach oben zeigt: In Deutschland sind die Umsätze der Live-Branche verglichen mit 2019 um 21 Prozent gewachsen. Besonders kleine Veranstalter und Clubs stehen aber nach wie vor unter Druck, sagte Johannes Everke vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) auf Anfrage von MDR KULTUR.
Höhere Ticketpreise durch steigende Personalkosten
Bei Konzerten von Taylor Swift, AC/DC und Depeche Mode – aber nicht nur dort – wurde eines deutlich: Die Ticketpreise steigen immer weiter. "Bei allen sind die Produktionskosten explodiert und bei allen werden die Margen kleiner", sagte Johannes Everke vom BDKV. Das trifft auch auf die Veranstalter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu.
Rodney Aust betreibt mit seinem Unternehmen Aust Konzerte den Alten Schlachthof und die Junge Garde in Dresden und veranstaltet darüber hinaus viele andere große Konzerte – zum Beispiel bei den Filmnächten am Dresdner Elbufer. Auch seine Firma habe die Ticketpreise erhöhen müssen. Er sei aber überrascht, wie viel für Kultur und Konzerte auszugeben die Menschen nach wie vor bereit seien.
Wir wissen natürlich, dass wir das, was wir jetzt für 75 Euro anbieten, vor fünf Jahren für 50 Euro angeboten haben.
Rodney Aust blickt auf ein erfolgreiches Konzertjahr 2024 zurück. Ähnlich sieht es sein Kollege Philipp Helmers von der Veranstaltungsfirma Seekers Event. Er vermarktet das Techno-Festival Sonne Mond Sterne bei Saalburg und das Sputnik Springbreak bei Bitterfeld. Letzteres war auch in diesem Jahr wieder ausverkauft. 2024 seien Ticketpreise "nur um circa 10 Euro" gestiegen, sagte Helmers MDR KULTUR im Interview.
Kleine Locations nach wie vor in Krise
2025 wolle man den Preis bewusst nicht erhöhen – aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage im Land. Die wirke sich auch auf das Kaufverhalten aus, so der Veranstalter. Gleichzeitig müsse man schauen, dass sich so ein Festivalwochenende trotzdem rentiere.
Während sich die großen Konzerte und Festivals nach der Pandemie wieder in ruhigeren Fahrwassern befinden, ist das bei kleineren Veranstaltungen und Locations nicht der Fall. Jeder sechste Club denkt über eine Schließung nach. Das ergab eine Erhebung des Bundesverbands der Musikspielstätten Livekomm. Auch im Leipziger Szeneclub Conne Island fehlten zuletzt tausende Euro in der Kasse, erzählte deren Veranstalter Jan Batzer im Interview mit MDR KULTUR.
Jeder habe gehofft, dass sich die Lage nach Corona wieder erholt und die Konzerte wieder voller würden, das sei aber gerade für kleinere Locations eher ausgeblieben. Im Conne Island sei selbst bei sonst sehr erfolgreichen Konzerten "plötzlich nur noch die Hälfte an Besuchern" dagewesen. Das bestätigt auch Rodney Aust: Gerade die kleineren Clubkonzerte mit Newcomerbands seien inzwischen schwieriger zu verkaufen.
Newcomerkonzerte werden immer häufiger zum Minusgeschäft für die Veranstaltenden.
Laut Johannes Everke vom Branchenverband BDKV ist das eine bundesweite Entwicklung: "Gerade Newcomerkonzerte werden immer häufiger zum Minusgeschäft für die Veranstaltenden, was man dann über erfolgreiche Konzerte ausgleichen muss." Die Newcomerkonzerte seien aber wichtig, ansonsten "fehlen in ein paar Jahren die Stars, die ganze Stadien füllen", so Everke.
Auch Conne Island in Leipzig muss Preise erhöhen
Im Conne Island in Leipzig waren die Rücklagen irgendwann aufgebraucht. Deshalb habe man vor kurzem eine Spendenkampagne gestartet. Über 150.000 Euro sind dabei schon zusammengekommen. Jan Batzer und sein Team hoffen, damit wieder stabil wirtschaften zu können.
Ein weiterer notwendiger Schritt: Auch das Conne Island muss die Ticketpreise erhöhen. Einige Gäste könnten sich das leisten, anderen werde es jetzt zu teuer, so Jan Batzer. Diese "Leute nicht reinlassen zu können" sei für das Conne Island sehr schmerzhaft.
Ich finde die Entwicklung sehr bedenklich und auch sehr frustrierend.
Der Veranstalter vom Conne Island blickt frustriert auf die Entwicklung in der Konzertbranche: "Dass die Leute, die schon gut Geld verdienen, dass die immer noch mehr Gewinne einfahren können", finde er "bedenklich". Kleinere und mittelgroße Künstler und Veranstalter blieben hingegen auf der Strecke.
Großbritannien wagt Vorstoß mit Konzept zur Umverteilung
Deshalb schaut Jan Batzer gespannt auf ein Konzept aus dem Vereinigten Königreich. Dort überlege man, eine Gebühr bei Großveranstaltungen auf die Tickets zu erheben, um kleine Veranstaltungsorte damit mitzufinanzieren. Ist das auch in Deutschland eine Möglichkeit, um kleinen Clubs wieder auf die Beine zu helfen?
Beim Branchenverbank BDKV beobachte man das mit Interesse, sagte Geschäftsführer Johannes Everke MDR KULTUR, insbesondere weil es eine freiwillige Abgabe ist. Man sei aber als "freie Kultur gerne auch frei von staatlicher Einflussnahme". In Deutschland gab es bisher keine politischen Vorstöße für eine solche Abgabe.
Wie geht es 2025 weiter?
Trotz widriger Bedingungen für die Clubs und steigender Ticketpreise schauen die Veranstalter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen positiv auf das kommende Jahr. Der Festivalvorverkauf von Seekers Event laufe besser als im Vorjahr, berichtete Philipp Helmers. Auch im Leipziger Conne Island sei man durch die Spendenkampagne sehr zuversichtlich, so Jan Batzer. Und auch Rodney Aust freut sich auf das kommende Jahr. Es seien wieder große Konzerte geplant – einige seien sogar jetzt schon ausverkauft.
Als Highlights nannte er Konzerte von Sido oder Robbie Williams. Letzterer wird im Stadion in Leipzig spielen. Aust drückt indes auch die Daumen für die kleineren Veranstaltungen: "Ich hoffe, dass wir da gut durchkommen und kein Clubsterben erleben." Das dürfte für die weitere Entwicklung der Konzertbranche im Interesse aller sein.
Quelle: Philipp Lakomy (MDR KULTUR), BDKV
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. Dezember 2024 | 17:10 Uhr