Clubsterben, Verdrängung, Beschwerden Nachtkultur in Mitteldeutschland unter Druck
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26. August 2024, 11:57 Uhr
In Leipzig schließt zum Jahresende der Technoclub IFZ. In Magdeburg sterben schon seit Jahren die Bars am früher beliebten Hasselbachplatz. In Jena gibt es immer wieder Konflikte zwischen Anwohnern und Veranstaltern wegen der Lautstärke, da Jena in einem geräuschempfindlichen Kessel liegt. In vielen Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt sich: Die Nachtkultur hat es schwer. Aber es besteht auch Hoffnung.
- In vielen Städten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehen die Freiräume für junge Menschen verloren.
- Lohnkosten, Verdrängung und Konflikte mit Anwohnern sind Probleme, mit denen Betreiber von Nachtkulturstätten kämpfen.
- Eine mitteldeutsche Nachtkulturkonferenz soll Akteure vernetzen, damit sie sich über Problemlage austauschen und Lösungen finden können.
Für die Attraktivität von Städten spielt die Nachtkultur eine beachtliche Rolle, auch für Tourismus und Wirtschaft. Eine Stadt, deren Verwaltung dieses Potential anerkennt, ist Leipzig. Ob Techno-Clubs, Live-Konzerte oder Open-Air-Veranstaltungen – dass Leipzig eine breite Szene biete, wo auch gute Qualität angeboten werde, lobt die Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennecke bei MDR KULTUR. Für sie bilde das den Wesenskern der Attraktivität der Stadt. Das sei auch relevant für wirtschaftliche Ansiedlungen.
Freiräume fürs Feiern gehen verloren
Doch so wie Leipzig denken noch nicht viele Städte in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das zeigt das Beispiel Weimar: Dort wurden leerstehende Gebäude und Plätze jahrzehntelang zum Feiern genutzt. Der Urbanistik-Professor Frank Eckardt beobachtet aber seit rund 20 Jahren, dass diese Räume verloren gehen: "Weil inzwischen alle Orte in der Stadt, die früher ein bisschen Platz gelassen haben für junge Leute, genutzt werden – entweder für Gastronomie oder sie werden bewohnt." Es gebe kaum noch Leerstand und "die Straßen sollen ja auch sehr schön aussehen für den Tourismus."
Von Plätzen wie dem Marktplatz oder dem Herderplatz werden die Nachtschwärmer seit Jahren verdrängt, um die Anwohner und Touristen nicht zu stören. Als letzte Ausweichmöglichkeit blieb die Universität. Aber auch da gab es bereits Diskussionen, einen Schutzzaun zu errichten.
Lohnkosten, Verdrängung und Lärmbelästigung
Der Platzmangel ist nicht das einzige Problem für die Nachtkultur. Um herauszufinden, was die Akteure des Nachtlebens noch beschäftigt, hat die Stadt Leipzig eine Studie in Auftrag gegeben. Darin werden Betreiber verschiedener Clubs in Mitteldeutschland befragt.
Erste Ergebnisse liegen MDR KULTUR vor. Zu den größten Sorgen der Betreiber zählen demnach die gestiegenen Lohnkosten und die Verdrängung aus den Veranstaltungsorten, zum Beispiel, weil die Miete nicht mehr bezahlt werden kann oder die Verträge auslaufen. Auch das Thema Lärmbelästigung spielt eine Rolle. Das führt regelmäßig zu Konflikten mit Anwohnern.
Club-Schutzzonen und Förderungen als Lösungen
In anderen Regionen ist man den mitteldeutschen Städten schon einen Schritt voraus. In Köln beispielsweise gibt es eine sogenannte Club-Schutzzone. Die betrifft einen Bereich in dem beliebten Studentenviertel Ehrenfeld. Dort ist es untersagt, in der Nähe geschützter Clubs neue Wohnräume zu schaffen. Damit sollen unter anderem Konflikte wegen der nächtlichen Lautstärke vorgebeugt werden.
Auch in Stuttgart hat die Politik das Problem erkannt und vergibt erste Förderungen. Ziel davon ist es, Schall und infrastrukturelle Probleme, die in Betrieben wie Clubs entstehen, zu beseitigen, zum Beispiel durch neue Lärmschutzwände oder ein neues Anlagensystem.
Nachtkulturkonferenz zeigt regionale Probleme
Um die Bedeutung der Nachtkultur auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu stärken, hat am Wochenende die erste Mitteldeutsche Nachtkulturkonferenz stattgefunden. In der Leipziger Moritzbastei kamen rund 80 Akteure zusammen, um sich zu vernetzen und Ansätze zur Verbesserung der Lage zu diskutieren. Auch Vertreter der Politik, wie der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, beteiligten sich an der Fachkonferenz.
Und genau darin sieht Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke auch den Vorteil in der aktuellen Problemlage. Sie erhofft sich so mehr Aufmerksamkeit für die Nachtkultur. Die gerate durch die Probleme wie die schwindenden Freiräume -insbesondere im Osten- unter Druck und in Gefahr. "Das macht natürlich auch die politische Relevanz und Brisanz aus", sagt Jennicke. Das mache es notwendig, dass man sich darum jetzt politisch kümmere.
Dass der Erhalt der Nachtkultur nicht nur eine politische, sondern auch ein gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, darin waren sich die Besucher der ersten Mitteldeutschen Nachtkulturkonferenz einig, um nicht nur jungen Menschen eine gute Lebensqualität in ihren Städten zu ermöglichen.
Quelle: MDR Kultur (Vivien Vieth)
Redaktionelle Bearbeitung: tis
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. August 2024 | 08:10 Uhr