Ein Schild - Fahrschule - auf einem Autodach.
Der Verkehr ist komplexer geworden. Vor allem in der Stadt ist das Fahren für Fahrschüler und Anfänger daher schwieriger geworden. Bildrechte: IMAGO / Karlheinz Pawlik

Fahrerlaubnis Fahrprüfungen auf Rekordniveau – Durchfallquote auch

18. Februar 2023, 05:15 Uhr

Hunderte Praxisstunden absolvieren und Testfragen büffeln – und doch am Ende keinen Führerschein bekommen. Immer mehr Menschen legen Führerscheinprüfungen ab und immer mehr scheitern. Woran liegt das?

Aufgrund der Pandemie und den erlassenen Kontaktbeschränkungen mussten viele Fahrschüler ihre Führerscheinprüfungen verschieben, pausieren oder gar ganz absagen. Nun hat die Zahl der Fahrerlaubnisprüfungen in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Nach Angaben des TÜV-Verbands sind in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 1,76 Millionen praktische und 1,81 Millionen theoretische Prüfungen in den verschiedenen Führerscheinklassen abgelegt worden.

Das sind bei den praktischen Prüfungen ein Zuwachs von rund 110.000 Prüfungen oder 6,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor, bei den theoretischen 91.000 im Vergleich oder 5,3 Prozent mehr.

Neues Rekordhoch für Führerscheinprüfungen

Damit wurde der bisherige Spitzenwert von 2019 mit 1,76 Millionen Prüfungen um rund 20.000 übertroffen. "Die Prüfstellen haben im Jahr 2022 so viele praktische Fahrprüfungen abgenommen wie noch nie", sagt Richard Goebelt, Mitglied der Geschäftsleitung im TÜV-Verband e.V.

Ein Teil des Anstiegs dürfte dabei auf nachgeholte Prüfungen zurückgehen. Diese konnten aufgrund der Corona-Pandemie in den beiden Vorjahren nicht abgelegt werden. So sank die Zahl von 200.000 Prüfungen im Jahr 2020 auf 100.000 in 2021.

Andreas Grünewald, Vorstand beim sächsischen Fahrlehrerverband und aktiver Fahrlehrer, spürt den Anstieg der Prüfungen im täglichen Geschäft: "Der Aufwand für die Praktische Fahrerlaubnisprüfung zum Beispiel ist deutlich größer geworden. Dies unabhängig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie."

Durchfallquote bei Führerscheinprüfung steigt

Zugleich ist jedoch auch die Durchfallquote enorm gestiegen. Nach Angaben des TÜV-Verbands wurden im vergangenen Jahr 43 Prozent der praktischen Prüfungen für den Auto-Führerschein nicht bestanden. Bei den Theorieprüfungen stieg die Durchfallquote von 32 auf 37 Prozent. Dabei sorgten Wiederholungsversuche auch dafür, dass die Zahl der Prüfungen insgesamt steigt.

In Sachsen wurden 2021 rund 62.500 theoretische und 59.800 praktische Prüfungen durchgeführt. Dabei haben die Theorie rund 38,1 Prozent und die Praxis 33,4 Prozent nicht bestanden. Einen signifikanten Anstieg der Quote sieht Grünewald aber nicht. Die steigenden Zahlen "können wir für Sachsen so nicht bestätigen. Im Vergleich zum Jahr 2021 liegen wir im Jahr 2022 fast bei identischen Erfolgsquoten, wenn wir einmal den Zeitraum Januar- September heranziehen." Theorieprüfungen bestanden laut Grünewald sowohl im Jahr 2021 als auch im Jahr 2022 jeweils 61,8 Prozent. "Praxisprüfungen bestanden 66,6 Prozent im Jahr 2021 und 66,5 Prozent im Jahr 2022".

In Sachsen-Anhalt wurden von den im Jahr 2021 rund 41.000 absolvierten theoretischen Prüfungen 43,7 Prozent nicht bestanden. Bei den rund 36.000 praktischen Prüfungen 35 Prozent nicht.

In Thüringen gibt es einen eigenen Trend: Die Quote der nicht bestandenen Prüfungen ging hier seit 2011 nur leicht nach oben, ist jedoch insgesamt hoch. Sind im Jahr 2011 noch 34 Prozent der praktischen und 38 Prozent der theoretischen Prüfungen nicht bestanden worden, waren es zehn Jahre später 35 Prozent der praktischen und 41 Prozent der theoretischen Prüfungen.

Anspruchsvolle Prüfungen: Gründe für die Durchfallquote vielfältig

Die Gründe für die steigenden Durchfallquoten sind laut Experten vielfältig. So sieht der TÜV-Verband ein Problem im zunehmend komplexer und dichter werdenden Straßenverkehr. So gibt es mehr Autos im Straßenverkehr als je zuvor. Das bekämen insbesondere diejenigen zu spüren, die ihre Führerscheinprüfung in einer Großstadt absolvieren. Dort liege die Durchfallquote deutlich höher als auf dem Land. So erschweren Pop-Up-Radwege, Fahrradstraßen oder Busspuren den Fahranfängern das Navigieren im erhöhten Straßenverkehr und erfordern noch höhere Aufmerksamkeit als früher.

"Natürlich bilden wir Fahrlehrer nicht im geschützten Bereich aus, sondern im öffentlichen Straßenverkehr. Und dieser befindet sich in seiner kompletten Struktur ständig im Wandel", schildert Andreas Grünewald. Der gestärkte Schutz für Radfahrer und Fußgänger, viele neue technische Besonderheiten wie Elektrofahrzeuge oder weniger verkehrsgerecht teilnehmende Fahrzeuge der Paketzustelldienste beeinflussten in großem Maße den Verkehr. "In diesen schwierigen Verkehrsverhältnissen versuchen wir Fahrschulen unsere anvertrauten Bewerberinnen und Bewerber zu sicheren, rücksichtsvollen und umweltbewussten Fahrzeugführinnen und Fahrzeugführern auszubilden", sagt Grünewald. Das sei zuweilen eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.

Damit haben auch die Menge der Regeln sowie die Anforderungen an die Fahrschüler während der Prüfung in den vergangenen Jahren zugenommen. Für Reiner Nuthmann, Fahrlehrer und Verbandsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, hat sich die Theorieprüfung zum Negativen verändert. "Die theoretische Prüfung ist länger und komplexer geworden. Man ist weg vom reinen Auswendiglernen gegangen. Es gibt nun flexible Varianten, Videofragen und andere Elemente, die können nicht auswendig gelernt werden." Das sei vor allem für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, schwierig.

Fahrschule im Spannungsfeld zwischen hohen Kosten und Sicherheit

"Scheitern ist nie gut", sagt Nuthmann mitfühlend. Bei seiner Arbeit erlebt er mit, wie sich eine gescheiterte Führerscheinprüfung auf die Psyche der Fahrschüler legt. Dabei geht es nicht nur um das Durchfallen an sich. Eine Fahrerlaubnis kostet viel Geld. "Führerscheine sind teurer geworden und für viele eine erhebliche Investition." Daher gerieten auch Fahrschulen unter Druck. Man höre oft die Frage von Fahrschülern, ob wirklich noch weitere Fahrstunden gebraucht würden. "Es ist knapper gestrickt", resümiert Nuthmann.

Er sehe die Fahrschulen daher in einem Spannungsfeld zwischen der Vermittlung von sicherem Fahrverhalten bis zur Prüfungsreife und dem Verständnis der finanziellen Möglichkeiten des Fahrschülers. "Wir haben Programme für die Theorie, bei der wir das Wissen kontrollieren können. In der Praxis fahren wir so lange, bis sie prüfungsreif sind", erklärt Nuthmann.

Auch Grünewald betont die Schwierigkeiten: "Wir versuchen mit unseren pädagogischen Mitteln die Akzeptanz für ein Einhalten der Verkehrsregeln auch weit nach dem Fahrerlaubniserwerb zu erzeugen. Aber letztlich endet in gewisser Weise die Verkehrserziehungsarbeit nach der bestandenen Praxisprüfung."

mit dpa(lmb,caf)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 17. Februar 2023 | 13:00 Uhr

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