MDRfragt Große Mehrheit befürwortet Autofahren im hohen Alter – aber unter Sicherheitsvorkehrungen
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26. Januar 2023, 07:56 Uhr
Die Debatte um das Autofahren im hohen Alter wurde wieder entfacht, nachdem es in letzter Zeit einige, teils tödliche Unfälle in Mitteldeutschland gab, die durch ältere Verkehrsteilnehmende verursacht wurden. Die Mehrheit der MDRfragt-Community spricht der Mobilität im Alter eine hohe Bedeutung zu, wünscht sich aber auch, dass die Fahrtauglichkeit regelmäßig geprüft wird. Das zeigt die nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt unter rund 29.000 Menschen aus Mitteldeutschland.
- Die deutliche Mehrheit findet Mobilität im hohen Alter wichtig.
- Gleichzeitig geht bei sechs von zehn die Verkehrssicherheit aber vor Selbstbestimmung.
- Um die Fahrtauglichkeit zu überprüfen, wünschen sich die MDRfragt-Teilnehmenden vor allem Gesundheitschecks und Erste-Hilfe-Auffrischungen.
Die überwiegende Mehrheit der Befragungsteilnehmenden – 87 Prozent – findet es wichtig, dass Seniorinnen und Senioren auch im hohen Alter noch Auto fahren dürfen. Zehn Prozent sind hingegen der Meinung, dass dies unwichtig ist.
Warum sie es befürworten, dass auch betagte Menschen noch Autofahren, schreiben die MDRfragt-Teilnehmenden in den Kommentaren:
Ohne Führerschein müsste ich umziehen, an einen Ort, wo ich notwendige Einrichtungen fußläufig erreichen kann.
Wenn Senioren auf dem Land leben, sind sie auf das Auto angewiesen. Nicht jeder hat gute Nachbarn oder Kinder vor Ort, die einspringen könnten. Wenn alle Aktivitäten weniger werden, das macht schon viel mit einem. Das Selbstwertgefühl sinkt in den Keller.
Andere MDRfragt-Mitglieder finden es aber besser, wenn ältere Verkehrsteilnehmende den Führerschein abgeben:
Meine Großmutter war nicht mehr in der Lage, ein Auto zu führen, da sie wegen Beinproblemen nicht mehr bremsen konnte. Trotz unseres Drängens wollte oder konnte die Ärztin keine Mitteilung an die Führerscheinstelle machen. Es blieb zum Glück bei eigenen Blechschäden.
Ich bin privat und beruflich ca. 1,5 Millionen Kilometer unfallfrei gefahren. Jetzt mit 64 merke ich aber, dass ich nicht mehr so fit wie mit 30 bis 50 bin! Meine Frau soll mich ansprechen, sollten Defizite auftreten. Alles hat irgendwann mal ein Ende, auch das Autofahren. Mein Ziel ist, das selbstbestimmt zu tun, ohne Zwang.
Verkehrssicherheit geht für die Mehrheit vor Selbstbestimmung
Grundsätzlich finden knapp zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, dass die Verkehrssicherheit bei der Diskussion immer im Vordergrund stehen sollte – noch vor der Selbstbestimmung bis ins hohe Alter. Bei rund einem Drittel überwiegt hingegen die Selbstbestimmung bis ins hohe Alter.
Je jünger die Befragten, umso eher sehen sie in älteren Verkehrsteilnehmenden eine Gefahr
Betrachtet man die Antworten aller Befragungsteilnehmenden in Bezug auf die Gefahr durch ältere Menschen, die Auto fahren, sind die Meinungen gespalten. Die eine Hälfte sieht in ihnen keine Gefahr, die andere Hälfte dagegen schon.
Der Vergleich der Altersgruppen zeigt jedoch große Unterschiede: Während 84 Prozent der Unter-Dreißigjährigen betagte Verkehrsteilnehmende als Gefahr sehen, sind es bei den Über-65-Jährigen nur 21 Prozent.
Wie sich die Sicht auf das Thema mit dem Alter eventuell verändern kann, beschreibt dieser MDRfragt-Teilnehmer:
Aus heutiger Sicht erachte ich es für sehr vernünftig, bei nachlassender Fahreignung den Führerschein freiwillig abzugeben. Aber ich bin noch keine 30 Jahre alt. Gut möglich, dass ich das in 40 Jahren ganz anders sehe und nur äußerst ungern auf meine Fahrerlaubnis verzichten möchte.
Große Zustimmung zu Gesundheitschecks und Erste-Hilfe-Auffrischung
Bislang muss man in Deutschland nach der bestandenen Führerscheinprüfung keinen Nachweis mehr erbringen, dass man noch fahrtauglich ist. In anderen europäischen Ländern ist dies aber mitunter Pflicht. Die MDRfragt-Teilnehmenden sprechen sich mehrheitlich für solche Maßnahmen aus.
- Vor allem regelmäßige Gesundheitschecks und Sehtests für Menschen mit Führerschein, aber auch verpflichtende Erste-Hilfe-Auffrischungskurse stehen ganz oben auf der Wunschliste.
- Ebenso befürworten rund zwei Drittel verpflichtende regelmäßige Fahrsicherheitstrainings.
- Rund jeder Zweite würde auch die Einführung von verpflichtenden begleiteten Testfahrten begrüßen.
Warum sie sich für oder gegen Maßnahmen zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit aussprechen, erklären die Befragungsteilnehmenden in den Kommentaren:
Ich bin dafür, dass alle Verkehrsteilnehmer, also vom Radfahrenden bis zum Berufskraftfahrer, regelmäßig zur Führerschein-Auffrischung müssen, um sich auch verpflichtend über neue Verkehrsregeln zu informieren. Es kann ja nicht sein, dass das nur Bus- und Lkw-Fahrer wissen müssen.
Schulungen zum Auffrischen sollten Pflicht sein, aber ohne Prüfung.
Im Prinzip bin ich sehr für regelmäßige Checks. Doch wie ich unsere Behörden kenne, wird das eine Stange Geld kosten. Und die Wartezeit im Arztzimmer. Ich kann den Zorn des Volkes (und meinen) jetzt schon spüren.
Bei uns in Deutschland muss alles bürokratisch geregelt sein, das ist schlimm. Die bestehenden Bestimmungen reichen absolut aus bzw. sind schon überreguliert.
Viele Kommentare haben uns auch dazu erreicht, die Überprüfungen unabhängig vom Alter der Verkehrsteilnehmenden durchzuführen:
Ich würde die Gefahr nicht auf ältere Menschen beschränken. Auch Wenigfahrer oder aggressive Vielfahrer können mitunter schwerwiegende Fehler machen.
Deutliche Mehrheit lehnt befristete Fahrerlaubnis ab
In Deutschland muss man die Führerscheinprüfung nur einmal bestehen, dann gilt sie in der Regel ein Leben lang – unabhängig davon, ob sich Regeln und Techniken (E-Mobilität, autonomes Fahren) ändern oder nicht. Im Hinblick auf die Frage, ob der Führerschein befristet und nach Ablauf der Gültigkeit eine neue Prüfung fällig sein sollte, zeigt sich eine deutliche Ablehnung. 87 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, lehnen eine Befristung des Führerscheins und eine erneute Prüfung nach Ablauf der Gültigkeit ab. Lediglich elf Prozent befürworten dies.
Freiwilliger Abgabe des Führerscheins im Alter stimmen 6 von 10 zu
63 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die an der Befragung teilgenommen haben, können sich aber vorstellen, ihren Führerschein im Alter freiwillig abzugeben. Knapp ein Drittel lehnt dies ab.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 20.01. - 23.01.2023 stand unter der Überschrift:
Autofahren im hohen Alter - unverantwortlich oder unverzichtbar?
Insgesamt sind bei MDRfragt 63.370 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 23.01.2023, 13 Uhr).
29.359 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 406 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 4.143 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.154 Teilnehmende
65+: 12.656 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.163 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.049 (24 Prozent)
Thüringen: 7.147 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 13.160 (45 Prozent)
Männlich: 16.137 (55 Prozent)
Divers: 52 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 26. Januar 2023 | 21:45 Uhr