Substitution und Obdachlos Keine Wohnung, keine Hilfe: Der Kampf von Maxim
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25. Oktober 2024, 09:00 Uhr
Nach über zehn Jahren Drogenabhängigkeit schaffte es Maxim in ein Substitutionsprogramm. Anschließend benötigte er weitere Unterstützung – doch die blieb aus.
- Behörden, Ämter, Einrichtungen: Zehn Beteiligte hätten unterstützen können
- Gericht: Einen Termin versäumt, Fall erledigt
- Das Hilfsnetzwerk, das nicht hilft
- Aus dem Obdachlosenheim ins Gefängnis
Heroin, Kokain oder Cannabis: Maxim hat seit seinem 16. Lebensjahr kaum etwas ausgelassen. Es folgten Partys, Abstürze und Gefängnis - schließlich landete er in einem Obdachlosenheim. Als er nach einem Schlaganfall und später einem Suizidversuch ganz unten war, erhoffte er sich durch Substitution eine Wende in seinem Leben: Eine Ersatzdrogen-Therapie. Nach monatelangem Warten wurde der 28-Jährige endlich substituiert. Doch der ersehnte Neuanfang scheiterte bald an einem weiteren Problem – dem Hilfesystem.
Maxim leidet seit einem Heroin-Unfall an einer schweren Behinderung: Ein falsch gesetzter Schuss führte vor drei Jahren zu einem Schlaganfall. Seitdem ist seine linke Hand gelähmt, und er hat Schwierigkeiten beim Laufen. Körperlich und kognitiv eingeschränkt, steht ihm eigentlich Pflegegeld zu – doch das bekommt er nicht.
"Der Antrag auf Pflegegeld muss alle sechs Monate erneuert werden", sagt Maxim. Aufgrund seiner Einschränkungen kann er diesen komplexen Prozess nicht allein bewältigen. Einen gesetzlichen Betreuer, der ihm helfen könnte und zusteht, hätte er in seinem Heimatort Halle dringend benötigt.
Behörden, Ämter, Einrichtungen: Zehn Beteiligte hätten unterstützen können
Maxims Betreuer, Christian Jethon, wurde in einem Eilverfahren eingesetzt, als der junge Mann in einer Klinik in Bernburg lag. Im November 2023 stellte Jethon einen Antrag, die Betreuung an die Stadt Halle zu übertragen, da eine Betreuung aus der Ferne nicht möglich wäre.
Das System ist ziemlich zersplittert.
Seitdem hätte auch viele andere Verantwortung übernehmen können. "Zehn Beteiligte – das Sozialamt, ein Rechtsanwalt, seine Bewährungshelferin", erklärt Jethon. Maxims Fall ist kein Einzelfall. "Das System ist ziemlich zersplittert." Es gebe unterschiedliche Zuständigkeiten, es fehle an klaren Vorgaben und mangele an klaren Strukturen für die Zusammenarbeit.
Gericht: Einen Termin versäumt, Fall erledigt
Eine zentrale Person, die all diese Fäden zusammenführt, wäre der gesetzliche Betreuer gewesen. Nachdem Jethon nicht mehr zuständig war, wurde das Betreuungsgericht tätig und lud Maxim zu einem Gespräch ein. Doch Maxim, der aufgrund seines Schlaganfalls unter kognitiven Problemen leidet, verpasste den Termin – und das Gericht legte den Fall einfach zu den Akten.
Wie konnte es dazu kommen? Auf Anfrage von MDR Investigativ erklärt das Amtsgericht schriftlich: "Aktuell ist hier kein Betreuungsverfahren anhängig. Entsprechende Anträge können vom Betroffenen selbst oder von Dritten gestellt werden." Theoretisch hätte also jeder, der mit Maxim zu tun hat, das Verfahren wieder in Gang setzen können – doch niemand tat es.
Das Hilfsnetzwerk, das nicht hilft
Maxim ist seit Anfang 2024 wieder im Obdachlosenheim in Halle. Dort landete er nach seinem Entzug und der Aufnahme in die Substitution. Mit Pflegegeld, Wohn- und Bürgergeld hätte er sich eine kleine, barrierefreie Wohnung leisten können. Doch aufgrund seiner Behinderung und der damit verbundenen Schwierigkeiten, Formulare und Anträge zu bewältigen, bekommt er keine dieser Hilfen.
Maxim teilt sich ein Zimmer mit sechs anderen Obdachlosen. Die steile Treppe ohne Geländer, die zu den Toiletten im Keller führt, ist für ihn eine zusätzliche Herausforderung. Doch weder die Sozialarbeiter im Heim noch Mitarbeiter des Sozialamts oder der Pflegekasse kamen auf die Idee, Maxim in dieser Situation zu unterstützen.
Auch seine Bewährungshelferin hat dies offenbar verpasst. So besteht eine seiner Auflagen nach einer Verurteilung darin, eine Langzeittherapie anzutreten und durchzuhalten. Erfüllt er diese nicht, müsste er ins Gefängnis. Das soll nach dem Entzug und der Aufnahme in die Substitution seinen Weg unterstützen.
Aus dem Obdachlosenheim ins Gefängnis
Maxim kämpft mit seiner Planlosigkeit – ebenfalls eine Folge seines Schlaganfalls. "Ich nehme mir etwas vor, stehe auf und weiß dann gar nicht mehr, was ich machen wollte", sagt er. Das Arbeitsgedächtnis ist beschädigt, Termine zu koordinieren fällt ihm schwer. Immer wieder versäumt er wichtige Termine, und dafür wird er von Behörden sanktioniert. Der Vorwurf: Er würde seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllen.
Nach all den Rückschlägen fühlt sich Maxim zunehmend frustriert. "Nur weil ich jetzt clean vom Heroin bin, heißt das nicht, das sich alles andere auch mitgeregelt hat, was ich in den vergangenen zehn Jahren Sucht angerichtet habe." Die Aussicht auf einen Platz in der Langzeittherapie oder eine Wohnung? Fern.
Zwischenzeitlich konnte er zwar aus dem Obdachlosenheim ausziehen und bei einem Kumpel unterkommen, den er aus der Drogenszene kannte. Doch der Versuch, ein geregeltes Leben zu führen, scheiterte erneut – diesmal an einem Streit um Geld.
Der Streit soll laut einer Meldung der Polizei eskaliert sein. Maxim wurde verhaftet und musste so seinen 29. Geburtstag in einer Zelle verbringen. Durch seine zur Bewährung ausgesetzten Strafe muss er nun auch länger im Gefängnis bleiben. Die einzig gute Nachricht: In der Haft wird die Substitution fortgesetzt. Draußen hatte er ohnehin auch keine Unterstützung durch das Hilfesystem.
Dieses Thema im Programm: MDR+ | MDR exactly | 21. Oktober 2024 | 17:00 Uhr
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