Joint in einer Hand
Seit April 2024 ist der Konsum und Besitz von Cannabis in Deutschland legal. Doch welche Auswirkungen hat das auf den Jugendschutz? Bildrechte: IMAGO / MiS

Gleicher Konsum, weniger Beratungen Was die Cannabis-Legalisierung für den Jugendschutz bedeutet

28. August 2024, 13:11 Uhr

Jugendliche selbst bewerten die Legalisierung von Cannabis eher positiv. Auch die Suchtpräventionsarbeiterin Helga Meeßen-Hühne sagte MDR AKTUELL, dass die Akzeptanz von Cannabis auch zu mehr Akzeptanz von Aufklärungsarbeit bei Jugendlichen führe. Dem gegenüber steht die Kritik eines Drogenberaters, dass durch die Legalisierung weniger Jugendliche zu Beratungen erscheinen müssten.

Britta Veltzke
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Ich begleite Oskar Noack zu einem beliebten Platz zum Kiffen. "Ja, also wir befinden uns gerade in der sonnigen Südvorstadt im Exil, umgangssprachlich genannt.", erklärt er.

Auf Leipzigs Stadtkarte heißt dieser Ort Alexis-Schumann-Platz. Wir setzen uns auf eine Bank. Von hier aus sind die Karl-Liebknecht-Straße und das Kantgymnasium zu sehen. Noack, der sich gerade darum bemüht, einen Cannabis-Club zu eröffnen, wo Gras legal angebaut werden kann, nimmt sein Handy öffnet die Bubatz-App. Bubatz, ein anderes Wort für einen "Joint", eine mit Cannabis gedrehte Zigarette. "Genau, das ist die Bubatz-Karte und da ist einfach eingezeichnet, in welchen Zonen man Cannabis konsumieren darf", erklärt Noack.

Hier jedenfalls nicht. In der Nähe von Schulen und Spielplätzen darf nie gekifft werden. Und das tut hier gerade auch niemand. Es ist helllichter Tag.

Was sagen Jugendliche zur Legalisierung?

Ich komme am Abend zurück. Es ist angenehm warm – nach dem charakteristisch süßlich-würzigen Cannabis-Geruch muss ich nicht lang suchen. Kiffen Jugendliche seit der Legalisierung mehr?

Eine jugendliche Person erzählt mir: "Also ich habe jetzt schon von ein paar Leuten gehört: Ja, seitdem es legal ist, ist kiffen langweilig. Aber das ist quatschig." So etwas würden Leute nur als Witz meinen, sie selbst habe das nie so empfunden. Eine andere Person sagt: "Ich weiß nicht, ob es dadurch seinen Reiz verloren hat, wenn du es davor schon gemacht hast, wirst du es wahrscheinlich weitermachen und es jetzt genießen, dass es wahrscheinlich günstiger und leichter zu bekommen ist."

"Ganz bisschen anderen Gedanken: Also durch die Legalisierung hat es, glaube ich, nicht an Reiz gewonnen. Der ist einfach da in der Gesellschaft.", sagt eine dritte Person. "Nur die Hoffnung ist, dass durch die Legalisierung mehr drüber gesprochen wird, auch über die negativen Seiten."

Suchtpräventionsexpertin sieht Vorteil in Akzeptanz für Aufklärung

Durch die Legalisierung offener mit Jugendlichen über die Gefahren der Droge sprechen zu können. Das hofft auch Helga Meeßen-Hühne. Drogen sind seit 25 Jahren ihr Metier – sie leitet die Landesstelle für Suchtfragen in Sachsen-Anhalt. An Schulen sachlich übers Kiffens zu sprechen, sei vor der Legalisierung mitunter schwer gewesen. Mittlerweile stoße man bei den Eltern und Lehrern nicht mehr so sehr auf Widerstand.

Meeßen-Hühne malt das Szenario einer Cannabis-Präventionsveranstaltung in der Schule zu Zeiten, als Cannabis noch illegal war. Sie erklärt: "Und dann läuft der 15-Jährige nach Hause und sagt: Mama, die Frau von der Drogenberatung hat gesagt, vom Kiffen stirbt man gar nicht direkt und wird auch nicht sofort abhängig." Die Mutter wende sich in ihrer Sorge und Angst an die Schule. "Wie können Sie nur. Was soll das? Ja, das heißt, die Stimmung gegen diese Art von Prävention war sehr, sehr schwierig", erinnert sich Meeßen-Hühne.

Drogenberater: Zugang zu Jugendlichen ist schwerer geworden

Was sagt Matthias Rost dazu? In einer Beratungsstelle der Diakonie, fußläufig vom Leipziger Hauptbahnhof, sitzt er täglich Jugendlichen gegenüber, die Drogen nehmen – legale oder illegale. Auch wenn Cannabis erst seit ein paar Monaten legal ist – eine erste Bilanz sei schon möglich.

Anders als Meeßen-Hühne ist Rost überzeugt, dass gute Prävention auch über illegale Drogen möglich ist und dass Jugendliche jetzt eher schlechter zu erreichen sind. Man merke zwar, dass mit der Legalisierung die Strafverfahren in Zusammenhang mit Cannabis gesunken seien – so wie es auch Sinn der Sache gewesen sei. "Aber dadurch sind Jugendliche auch sehr früh ins Hilfesystem gekommen, weil sie einfach zu Beratungen mussten. Die sind alle weggefallen. Und wir haben zu dieser Konsumentengruppe kaum noch einen Zugang."

Und: Bei Jugendlichen habe die Legalisierung das Problembewusstsein gesenkt. "Auch bei Eltern kommt immer stärker an. Naja, wenn es legal ist, kann es ja nicht so schlimm sein", sagt Rost. Auch Gras auf der Straße sei seitdem billiger. Zu sprunghaft mehr Beratungen zum Thema Cannabis habe all das aber nicht geführt. Auch in anderen Länder sei der Cannabiskonsum durch die Legalisierung nicht gestiegen.

In 2023 – vor der Legalisierung – hat Cannabis in Sachsen in der Beratung Crystal vom ersten Platz verdrängt. Das Niveau – unverändert hoch. Legalisierung hin oder her. Eigentlich ist der Jugenddrogenberater dafür, dass Cannabis legal ist – doch sei die Legalisierung Sinne des Jugendschutzes denkbar schlecht umgesetzt worden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 28. August 2024 | 06:24 Uhr

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