Gelände Gaskraftwerk von Trianel in Hamm
Gaskraftwerk, das auch mit Wasserstoff betrieben werden kann: Ist H2 wirklich so klimaneutral, wie allgemein angenommen wird? Bildrechte: IMAGO / Cord

Klimawandel Besser als CO2, aber: Auch grüner Wasserstoff schadet dem Klima

02. August 2023, 16:58 Uhr

Eine brummende Wirtschaft ohne das Weltklima weiter aufzuheizen, das soll mit Hilfe von Wasserstoff gelingen, der mit grünem Strom hergestellt wird. Doch es gibt einen Haken: Völlig klimaneutral ist Wasserstoff nicht.

Autorenfoto von Clemens Haug
Bildrechte: Tobias Thiergen/MDR

  • Wasserdampf ist zwar das stärkste Treibhausgas, aber weil die maximale Luftfeuchtigkeit stark begrenzt ist, spielt von Menschen erzeugter Dampf kaum eine Rolle für das Klima
  • Es gibt aber den Wasserdampfrückkopplungseffekt: Mehr CO2 heizt die Atmosphäre auf, die dadurch mehr Luftfeuchtigkeit aufnehmen kann
  • Das größte Problem für Klima stellt unabsichtlich entweichender Wasserstoff aus Leckagen dar, weil er die chemischen Abläufe in der Atmosphäre verändert

Wird Wasserstoff mit Sauerstoff verbrannt, entsteht einfach Wasser. Ein völlig sauberer Vorgang, loben diejenigen, die Werbung machen dafür, mit Wasserstoff fossile Energieträger wie Kohle, Erdgas oder Öl zu ersetzen. Völlig sauber? Leider nicht ganz, sagen Forscher, die sich mit der Klimawirkung des Wasserstoffs auseinandergesetzt haben. Das extrem leichte Gas – chemisches Element H, meistens bildet es Doppelmoleküle (H2) – hat zwar eine deutlich bessere Klimabilanz im Vergleich mit CO2, das bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entsteht. Doch völlig klimaneutral ist Wasserstoff nicht, selbst dann nicht, wenn er zu 100 Prozent mit erneuerbar gewonnenem Strom produziert wurde.

Von Menschen erzeugter Wasserdampf regnet größtenteils ab

Das Problem ist dabei weniger der entstehende Wasserdampf, obwohl das Wasser in seinem gasförmigen Zustand das potenteste aller Treibhausgase ist. Sein Anteil am gesamten Treibhauseffekt der Atmosphäre beträgt etwa 60 Prozent. Allerdings verhält er sich völlig anders in der Atmosphäre als die Treibhausgase Methan und CO2: Wasserdampf kann sich nur bis zu einer relativen Luftfeuchte von 100 Prozent ansammeln. Danach kondensiert das Gas zu Wassertröpfchen oder Eis und fällt als Regen zur Erde.

In der Regel bleibt das Wasser also nur einige Tage in der Luft, während es bei Methan mehrere Jahre und bei CO2 oft einige Jahrhunderte sind. Der meiste Dampf steigt vor allem aus den Gewässern in die Luft aus, aus Meeren, Seen und Flüssen. Danach folgt die Verdunstung durch die Pflanzen. Dampf aus der Verbrennung von Wasserstoff in bodennahen Schichten würde hier kaum ins Gewicht fallen. "Der Mensch hat keinen Einfluss auf die Wasserdampfkonzentration in der Troposphäre", sagt der Umweltphysiker Justus Notholt von der Universität Bremen.

Wasserdampf: Rückkopplung mit menschgemachter globaler Erwärmung

Etwas Anderes wäre allerdings die Verbrennung von Wasserstoff in der trockenen Stratosphäre, also ab einer Höhe von zehn bis zwölf Kilometern. Dort, in der Reiseflughöhe eines Interkontinentalflugs, enthält die Luft nur wenig natürliche Feuchtigkeit. Daher wäre die Klimawirkung größer als am Boden. Ob sie aber auch stärker ist als bei der Verbrennung von Kerosin, ist unklar, denn auch traditionelle Treibstoffe setzen bei Verbrennung Wasserdampf frei.

Da der Wasserstoff nach Ansicht der meisten Ingenieure aber sowieso nicht geeignet ist, um Flüge auf der Langstrecke anzutreiben, stellt sich dieses Problem wahrscheinlich nie.

Anders ist das mit dem gefährlichen Feedbackeffekt, den Wasserdampf mit der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung hat: dem sogenannten Wasserdampfrückkopplungseffekt. Wird es wärmer, kann die Luft mehr Luftfeuchtigkeit binden. Diese wiederum trägt zu einem stärkeren Treibhauseffekt bei, was die Erwärmung weiter anheizt. "Dann kommt es aber auch zu vermehrter Wolkenbildung, die kühlen oder wärmen kann, was abhängig davon ist, welche Wolken sich wo bilden", sagt Markus Quante, leitender Umweltchemiker am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht bei Hamburg. In diesem Bereich gebe es noch große Unsicherheiten.

Leckagen: Entweichender Wasserstoff löst ungünstige Reaktionen in der Luft aus

Das größte Problem für das Klima geht nach Ansicht der Forschenden vom indirekten Einfluss des Wasserstoffs aus, wenn das Gas nämlich unverbrannt in die Atmosphäre entweicht, etwa durch kleine Lecks. Wasserstoff selbst hat zwar keinen Treibhauseffekt. Aber es reagiert in den oberen Luftschichten mit freien Hydroxidionen, chemische Bezeichnung OH, zu neuem Wasserdampf. Der heizt einerseits direkt das Klima an. Andererseits fehlen die Hydroxidionen, die sonst beim Abbau von Methan beteiligt wären. Der Eintrag von Wasserstoff in die Atmosphäre begünstigt also Treibhausgase.

Dieser Klimaeffekt könnte etwa doppelt so hoch sein wie vor wenigen Jahren angenommen wurde, sagt Markus Quante und verweist unter anderem auf eine Studie von Ilissa Ocko und Steven Hamburg von der Umweltschutzorganisation "Environmental Defense Fund". Den beiden Autoren zufolge war der Klimaeffekt des Wasserstoffs bislang häufig übersehen worden, da H2 nur wenige Jahre bis Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleibt, bis er mit anderen Molekülen reagiert hat. Die bisherigen Studien zu Treibhausgasen fokussieren dagegen auf Zeiträume ab 50 Jahren bis zu mehreren Jahrhunderten und hier spielen Methan und CO2 die größten Rollen.

Wasserstoffsysteme sind nicht vollkommen Klimaneutral

Doch der Klimaeffekt von Wasserstoff könne durchaus groß sein, so Ocko und Hamburg. Werde er etwa aus Erdgas gewonnen und das CO2 der Herstellung abgeschieden (sogenannter blauer Wasserstoff), dann könnten die Klimaeffekte seiner Nutzung in den ersten Jahrzehnten ähnlich groß sein, wie bei der weiteren Verwendung fossiler Brennstoffe. Klimavorteile ergeben sich laut den beiden Autoren erst nach etwa 100 Jahren und mehr.

Aber selbst bei grün erzeugtem Wasserstoff, also solchem, der ausschließlich erneuerbar hergestellt wurde, könnte die Verringerung des Klimaeffekts in den ersten zwei Jahrzehnten gerade einmal 50 Prozent betragen. "Das ist weit entfernt von der allgemeinen Wahrnehmung, dass Systeme mit grünem Wasserstoff klimaneutral sind", so die Forschenden. Auch wenn weitere Studien notwendig seien, um die Auswirkungen des Wasserstoffeinsatzes je nach Anwendung und Produktionskette genau zu untersuchen, sei klar: "Wasserstoffemissionen sind für das Klima von Bedeutung und müssen von Wissenschaftlern, der Industrie und den Regierungen beachtet werden."

Fazit: Grüner Wasserstoff für das Klima immer noch besser als CO2-Emissionen aus fossilen

Quante zieht auf Basis der vorliegenden Daten ein relativ klares Fazit. Es sei zwar schwer zu beziffern, welchen Einfluss der unabsichtlich entweichende Wasserstoff haben werde. Trotzdem werde es voraussichtlich eine deutliche Verbesserung geben im Vergleich zur Emission von CO2. Nur bei blauem Wasserstoff kommen einzelne Berechnungen zu dem Ergebnis, dass es für das Klima wohl besser wäre, das verwendete Erdgas direkt zu nutzen.

Links/Studien

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 27. Juli 0023 | 06:42 Uhr

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