Menschen stehen mit dem Rücken zur Kamera Schlange vor einem Wahllokal in Berlin, teilweise kurzärmelig, hineinmontiertes Gegenlicht von Sonne 3 min
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Eine Bundestagswahl im Winter, die dann doch eher eine Frühling ist: Das Wetter könnte sich auf das Wahlverhalten auswirken, zeigt die Forschungslandschaft. Und nicht nur das Wetter, auch das Klima. von Florian Zinner

MDR KULTUR - Das Radio Fr 21.02.2025 09:42Uhr 03:22 min

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Bundestagswahl Wetter und Wahlen: Heiter bis wolkig mit vereinzelt hoher Wahlbeteiligung?

22. Februar 2025, 05:00 Uhr

Eine Bundestagswahl im Winter statt im Spätsommer – daran muss man sich erstmal gewöhnen. Aber vielleicht nicht ganz so sehr, wie gedacht: Denn die Temperaturen, die am Wochenende für weite Teile Deutschlands vorhergesagt werden, könnten durchaus auch im September vorkommen. Und das Frühlingswetter selbst könnte es gerade den konservativen Parteien im Spektrum etwas schwerer machen. Aber es gibt noch mehr Zusammenhänge zwischen Wetter und Wahl.

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Es war ja eine durchaus exotische Vorstellung, sich durch Schnee und Eis ins Wahllokal zu schleppen. Nun bleibt das auch dieses Jahr aus und das Wahlwetter so, wie wir es im weitesten Sinne gewohnt sind. Gut, der 26. September 2021, Wahltermin der letzten Bundestagswahl, war zugegeben ein warmer Sommertag. Aber die Wahltermine davor – also der 24. September 2017 und der 22. September 2013 – unterschieden sich in ihren Bedingungen nur wenig von dem, was die Wettervorhersage für dieses Wahlwochenende bereithält. Der Winter hat die Bundestagswahl um gut eine Woche verpasst und die Demokratie dürfte Petrus dankbar sein:

"Auch wenn die Datengrundlage nicht eindeutig ist, deuten eben eine Vielzahl von Arbeiten darauf hin, dass schlechtes Wetter am Wahltag mit sinkender Wahlbeteiligung zusammenhängt – bei übermäßigem Niederschlag und Schneefall." Das sagt die Politologin Jessica Haak von der Uni Hamburg, die sich in Ihrer Arbeit einen Überblick über die Forschungslandschaft zum Thema Wetter und Wahlen verschafft hat. Sonniges und trockenes Wetter kann also tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben.

Regen und Schnee drücken die Wahlbeteiligung

Eine naheliegende Erklärung ist, dass Menschen die Kosten und Nutzen für eine Stimmabgabe abwägen: "Schlechtes Wetter erhöht dann die Kosten für die Stimmabgabe, weil es beispielsweise unangenehm ist, bei Regen zu den Wahllokalen zu gelangen und draußen in der Schlange zu stehen." Muss man natürlich abwägen, ob einem nasse Haare oder die Befähigung der Demokratie wichtiger sind, aber stimmt schon: Bei trockenem, mildem Wetter lässt sich die Stimmabgabe im Gegenzug mit einem Spaziergang verbinden.

Das Wetter könnte aber auch einen Einfluss haben, nicht nur ob, sondern wie gewählt wird, erklärt Haak: Mehrere US-amerikanische Studien zeigen, dass die Republikaner von Schnee und Regen am Wahltag profitieren und kommen zu dem Schluss, dass vor allem junge Personen und solche mit niedrigem Einkommen bei Niederschlag eher auf die Stimmabgabe verzichten würden. Genau diese Gruppe würde aber auch überproportional häufig die Demokraten wählen.

Profitieren konservative Parteien vom schlechten Wetter – oder müssen sie einstecken? Es ist kompliziert.

Nicht nur in Übersee scheint es da einen Zusammenhang zu geben. Jessica Haak: "Wir haben auch zwei Studien aus Deutschland und den Niederlanden, die nahelegen, dass Regen einen positiven Effekt für konservative Parteien hat. Allerdings geht aus diesen Studien nicht wirklich hervor, warum ausgerechnet konservative von schlechtem Wetter profitieren sollten."

Es ist davon auszugehen, dass Personen in Folge von Extremwetterereignissen den Klimawandel eher als wichtigeres Thema wahrnehmen.

Jessica Haak Politologin

Auch der Schweizer Ökonom Alois Stutzer sieht Zusammenhänge zwischen Wetter und Wahlverhalten. Im Januar sagte er in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel (hier der Artikel als pdf): "Gerade in ländlichen Gebieten, in denen der Weg zur Wahlurne durchschnittlich weiter ist als in Städten, kann schlechtes Wetter die Wahlbeteiligung senken. Auf dem Land könnte dies Parteien benachteiligen, die dort stärker vertreten sind." Außerdem verweist er darauf, dass Menschen bei gedrückter Stimmung – etwa durch nasskaltes Winterwetter – weniger aufgeschlossen für Veränderungen sind. Das könnte bestehenden Regierungen helfen – zumindest theoretisch. "Und deswegen finde ich es erstaunlich, dass sie nicht früher darauf gekommen sind, Wahlen im Winter zu organisieren."

Nicht das Wetter macht das Wahlergebnis

Generell sollte man dem Wetter am Wahltag nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Da wären so Faktoren wie Briefwahl oder Direktwahl oder generell ein verändertes Wahlverhalten, das nicht mehr den althergebrachten Mustern entspricht. Zudem betont Jessica Haak, dass Emotionen – also das, was das Wetter auslösen kann – eben nicht der einzige Faktor bei der Stimmabgabe sind.

Gerade in ländlichen Gebieten, kann schlechtes Wetter die Wahlbeteiligung senken.

Prof. Dr. Alois Stutzer, Uni Basel im Spiegel

Zusammenhänge mit dem Wahlverhalten lassen sich nicht nur beim Wetter, sondern auch beim Klima beobachten, so Haak. Ist davon auszugehen, dass Personen in Folge von Extremwetterereignissen den Klimawandel eher als wichtigeres Thema wahrnehmen, dann ist eben auch denkbar, dass sich diese Veränderungen in Wählerstimmen für die grünen Parteien übersetzen." Einen solchen Zusammenhang legen internationale Studien aus Australien und europäischen Ländern nahe, die zeigen, dass persönliche Erfahrungen mit Extremwetterereignissen grünen Parteien zugutekommen. In ihrer Dissertation beschäftigt sich Jessica Haak derzeit ebenfalls mit der Frage, wie Temperaturabweichungen das Wahlverhalten beeinflussen und kann bestätigen, dass dadurch Wahlentscheidungen zugunsten grüner Parteien getroffen werden.

Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Wahlverhalten

Eine prominente Erklärung dafür sei, dass der traditionell eher abstrakte Klimawandel und dessen Auswirkungen direkt spürbar sind. Das kann zumindest zu einem kurzfristigen Effekt führen, das Thema auch als politisch relevant anzusehen.

Der Einfluss sei aber insgesamt gering, so Jessica Haak, und lässt sich nicht automatisch auf alle Extremwetter übertragen. Beispiel: Nach der Flut im Sommer 2021 in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, zeigte sich ein eher durchmischtes Bild. "Einige Studien zeigen hier eben, dass in den direkt von den Sturzfluten betroffenen Gebieten die Unterstützung für die Grünen zugenommen hat", sagt Haak. "Andere hingegen weisen darauf hin, dass die Flutereignisse weniger zu einem Anstieg der Nachfrage nach politischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels geführt hat. Stattdessen scheint es hier eher wahrscheinlich, dass Wähler und Wählerinnen eben auf lokaler Ebene die amtsinhabenden Parteien belohnt haben, die Wiederaufbauhilfen in Aussicht gestellt haben."

Soll heißen: Ganz so einfach ist das alles nicht. "Forschung in diesem Bereich zeichnet sich durch eine sehr große Vielfalt hinsichtlich der verwendeten Daten und Methoden aus", resümiert Jessica Haak. Das heißt so viel wie: Die Frage nach den Zusammenhängen zwischen Klima, Wetter und Wahlverhalten sind durchaus komplex und unterschiedliche internationale Studien können nur schwer miteinander verglichen werden. Fängt ja schon beim Wetter an: Ob das nun als gut oder schlecht empfunden wird, ist nicht nur eine Frage der Messdaten, sondern eben auch der Gefühlslage im Augenblick.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 22. Februar 2025 | 00:00 Uhr

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