Energiewende Energiepreise: Was kann eine neue Bundesregierung bewirken?
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18. Februar 2025, 10:27 Uhr
Was kann eine neue Bundesregierung nach der Wahl gegen die hohen Preise für Strom- und Gas unternehmen? Experten analysieren die Handlungsspielräume in der Energiepolitik.
Die hohen Strompreise gelten als eines der akuten Probleme des Industriestandorts Deutschland. In den USA, in China, aber auch in Frankreich und Japan ist Elektrizität günstiger. Laut Branchendienst Prognos kostete die Kilowattstunde in diesen Ländern im Jahr 2023 zwischen 8,4 und 11,3 Cent. Deutsche Industriebetriebe bezahlten 20,3 Cent. Ein Jahr später sind die Preise laut dem Branchendienst BDEW zwar gesunken. Mit 17 Cent liegen sie aber immer noch über den Preisen der Mitbewerberländer.
Stromsteuer senken: Was wird dann aus der Rente?
Was könnte eine neue Regierung dagegen unternehmen? Ein Vorschlag lautet meist: Die Nebenkosten senken. Doch das geht nur noch begrenzt. Das energieintensive produzierende Gewerbe beispielsweise zahlt nur noch ein Mindestmaß an Abgaben, weniger lassen die Wettbewerbsregeln nicht zu. Eine neue Regierung könnte diese Abgabensenkung nun auch noch für das übrige Gewerbe und für Privathaushalte beschließen. Dann aber fehlt das Geld an anderer Stelle.
Die Stromsteuer zum Beispiel finanziert einen Teil der Rente, um die Lohnnebenkosten zu senken. Fällt sie weg, sinkt entweder die Rente oder die Rentenbeiträge müssen steigen. Für Privathaushalte würde das schlicht eine Umschichtung der Kosten aus der einen in die andere Tasche bedeuten. Für das ernegieintensive produzierende Gewerbe hat die Ampel-Regierung bereits fast alle Umlagen und Steuern auf den Strompreis gesenkt oder abgeschafft.
Netzentgelte bleiben hoch, bis der Ausbau abgeschlossen ist
Ein anderer großer Punkt sind die sogenannten Netzentgelte. Sie gelten als einer der Hauptgründe für hohe Strompreise in Deutschland. Mit dem Netzentgelt bezahlen Stromkunden den Ausbau der Stromleitungen. Dazu zählen auch die sogenannten Stromautobahnen wie Südlink, die Energie aus dem windreichen Norden in den stromhungrigen Süden transportieren sollen. Weil Bürger an vielen Orten gegen Hochspannungsmasten protestieren, werden jetzt teure Erdkabel verlegt. Die Netzentgelte bleiben hoch, bis der Ausbau abgeschlossen ist.
Allerdings hat die alte Regierung bereits eine kleine Reform eingeleitet: Seit erstem Januar werden die Netzentgelte dort gesenkt, wo es ein großes Angebot an erneuerbar erzeugtem Strom gibt. Das schafft Anreize für Unternehmen, energieintensive Anlagen wie Serverparks in Regionen aufzubauen, in denen viel Strom durch Windturbinen und Solarparks gewonnen wird.
Preise an Sonnen- und Windstunden anpassen
Ein nächster Schritt könnte auch eine zeitliche Flexibilisierung der Kosten sein. Hier kann eine neue Regierung entscheiden, die Netzentgelte an das Stromangebot anzupassen. Gibt es beispielsweise im August ein großes Überangebot an Solarstrom, könnten auch die Netzentgelte verbilligt werden, um den Verbrauch zu diesen Zeiten anzuregen.
Das würde zugleich ein anderes Problem angehen: das schwankende Angebot von Sonne und Wind. "Als Erstes muss der Ausbau erneuerbarer Energien – und hier insbesondere Windkraft und Solarenergie – vorangetrieben werden, um die Preise zu senken", sagt Jens Schneider, Professor für vernetzte Energiesysteme an der Leipziger HTWK. Doch mehr Angebot allein korrigiert weiterhin nicht die Schwankungen.
Weil sich das Wetter innerhalb Deutschlands meist nicht groß unterscheidet, stehen auch Solar- und Windstrom zu jeweils ähnlichen Zeiten zur Verfügung. Deshalb gibt es an dunklen und windstillen Tagen im Winter eine sogenannte Dunkelflaute, wenn so gut wie kein Strom erneuerbar erzeugt werden kann. Und es kommt zu einem Überangebot mit negativen Strompreisen, wenn an einem windigen Tag im August erneuerbarer Strom im Überfluss vorhanden ist.
Wann kommen die großen Stromspeicher?
Darauf müsste nun einerseits die Industrie reagieren und – wo es möglich ist – Prozesse an das Stromangebot anpassen. Zum anderen braucht es große Stromspeicher. Der Transfer von Strom aus dem Tag in die Nacht werde dabei auf absehbare Zeit kein Problem mehr sein, sagt Dominik Möst, Professor für Energiewirtschaft an der TU Dresden. "Die Anmeldungen an Batteriekapazitäten bei den Netzbetreibern sind immens und diese sind insbesondere für Ein- und Ausspeicherungen über wenige Stunden sehr gut geeignet." Doch für den Transfer von größeren Energiemengen vom Sommer in den Winter fehlt es bislang an Kapazität. Nennenswert sind hier nur die Pumpspeicherwerke in Norwegen, Österreich und in der Schweiz. Wasserstoff als Energiespeicher könnte einmal an diese Stelle treten, doch das sieht Möst noch in weiter Ferne. "Das ist gegenwärtig einfach viel zu teuer."
Weder Möst noch Schneider glauben, dass es hier mehr staatliche Subventionen braucht, um solche langfristige Speicherkapazität zu schaffen. "Die Preissignale sind in Form von einerseits Negativpreisen und andererseits Preisspitzen da", sagt Möst. "Das kann tatsächlich der Markt regeln, wenn man ihn lässt", sagt Schneider, der aber hinzufügt: "Dazu benötigen wir eine Beschleunigung der Digitalisierung in der Energiewirtschaft, Stichwort Smart Meter Rollout!" Deutschland sei da in Europa eines der Schlusslichter, weil es zu protektionistisch agiere. Auch hier hätte eine neue Regierung also Spielräume.
Dieser Text stammt aus dem aktuellen Klima-Newsletter:
Rolle rückwärts: Ob Kohle den Strom wirklich billiger macht?
Wenn ein neuer Bundeskanzler ähnlich wie der aktuelle US-Präsident entscheidet, Klimaschutz keine Priorität mehr einzuräumen, wäre auch eine Art "Rolle rückwärts" denkbar. Der Kohleausstieg könnte verschoben werden, damit fossile Energie das Stromangebot billiger macht. Das hat allerdings zwei Haken: "Da kann eine neue Bundesregierung auch nichts direkt machen, denn der Preis bildet sich am Markt und die Menge der CO2-Zertifikate wird auf EU-Ebene festgelegt und die entsprechende EU-Direktive enthält klare Vorgaben bis 2030", sagt Christoph Weber, Professor für Energiewirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Eine neue Bundesregierung müsste also grundsätzliche Änderungen am Emissionshandel beschließen oder das System ganz verlassen, was sehr, sehr weitreichende Konsequenzen hätte.
Das andere Problem ist das Merit-Order-Prinzip am europäischen Strommarkt. Demnach bestimmt immer das teuerste Kraftwerk im aktuellen Strommix den Strompreis. Solange also teure Erzeugung wie Gaskraftwerke einspringen, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen, bestimmen sie den Strompreis. Das würde den Betreibern von Kohlekraftwerken satte Gewinne bescheren. Den Strompreis würde das aber nicht senken. Und als flexible Zuschaltreserve anstelle der Gaskraftwerke eignen sich Kohlemeiler nicht. Sie können nicht schnell gesteuert werden, sondern sind relativ langsam.
Fazit: Eine neue Regierung kann zwar entscheiden, den Klimawandel zu ignorieren, um kurzfristige ökonomische Ziele zu erreichen. Doch damit verschiebt sie die Kosten für den Umbau bestenfalls in die Zukunft. Im schlechtesten Fall treibt eine Regierung den Aufwand für den Umbau in nicht mehr zu bewältigende Höhen und die Wirtschaft der Zukunft damit in den Klimakollaps. Wirtschaftlich vernünftig und nachhaltig wäre also, den Umbau der Stromversorgung fortzusetzen.
Die Gaspreise: Vorerst kaum Spielräume
Bei den Gaspreisen wiederum hat eine neue Regierung wenig Optionen: Sie könnte die Sanktionen gegen Russland fallen lassen und billiges Gas per Pipeline importieren, doch das ist aus sehr vielen Gründen keine echte Option. Günstigeres LNG aus den USA zu importieren, mag dagegen im Interesse von Amerikanern und Europäern sein. Doch das per Schiff transportierte Flüssiggas wird nach Ansicht der Experten niemals so günstig sein, wie das Gas aus der Leitung, und viele Steuerungsmöglichkeiten hat eine neue Bundesregierung hier auch nicht.
Auch grüner Wasserstoff wird auf absehbare Zeit zu teuer bleiben für viele Prozesse in der Industrie. Dominik Möst schätzt, dass die Kosten pro Kilowattstunde bei konsequentem Auf- und Ausbau von Infrastruktur auf 12 Cent gesenkt werden können, vielleicht sogar auf 9 Cent.
Erdgas in Nordamerika kostet dagegen nur ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde. Solange Europa hier also nicht mit Zöllen ausgleicht, dürften bestimmte Industrien wie Chemie, Glas- oder Stahlerzeugung abwandern. Wasserstoff werde daher ein Kernthema vor allem für solche Bereiche werden, die sich nicht anders dekarbonisieren lassen, schreiben die Experten vom Thinktank Agora Energiewende.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Februar 2025 | 17:10 Uhr
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