Studie Beeinflussen rechte Wahlerfolge und Gewalttaten die Arbeitsmigration?
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05. Februar 2025, 20:00 Uhr
Wie beeinflusst Fremdenfeindlichkeit die Zuwanderung nach Deutschland? Eine Forschungsgruppe vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung an der Uni Kiel, hat das untersucht.
Welche Wirkung haben rechte Wahlergebnisse und rechtsextreme Gewalttaten auf Arbeitsmigranten? Für die Analyse der Uni Kiel wurden zum einen Wahlergebnisse zwischen 2004 und 2017 betrachtet und zum anderen die Anzahl fremdenfeindlicher Vorfälle. Die Studie fokussiert sich dabei ausschließlich auf Menschen, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen, sowohl aus der EU, als auch aus dem Rest der Welt. Nicht mit einbezogen sind Studierende und Menschen, die Asyl erbitten.
Die Kieler Forschungsgruppe kommt zu diesen Schlussfolgerungen: Die Migration von Arbeitskräften wurde zwischen 2004 und 2017 von Fremdenfeindlichkeit beeinflusst, allerdings regional verschieden stark bzw. schwach. Demnach reagieren unausgebildete Personen und EU-Bürger stärker auf Wahlerfolge rechtsextremer Parteien. Gut Ausgebildete dagegen reagieren stärker auf rechtsextreme Gewalt.
Welche Rolle spielt die Herkunft?
Auch die Region, aus der Arbeitsmigranten kommen, spielt eine Rolle dabei, wie sich Wahlergebnisse oder rechte Gewalttaten auswirken. In Zahlen liest sich das so: Bei einem Anstieg der Wahlergebnisse rechtsextremer und -populistischer Parteien um ein Prozent, sank die Zuwanderungsrate um 0,00094 Prozentpunkte. Was heißt das konkret? Ein Blick auf die Landkreise hilft. Zum Beispiel Münster, hier gab es im in der Studie betrachteten Zeitraum die niedrigsten rechtsextremen Wahlergebnisse mit 5,2 Prozent, im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge die höchsten mit 37,6 Prozent.
Die Zuwanderung in den beiden Kreisen würde sich den Forschungsergebnissen zufolge um etwa zwei Personen pro 1.000 Erwerbstätigen unterscheiden. Ein weiterer Fund: Bei schlechter ausgebildeten und Personen aus EU-Staaten scheinen die Wahlergebnisse für oder gegen eine Region eine größere Rolle zu spielen, abhängig davon, wie viele oder wenige Menschen schon aus einem anderen Land im Landkreis lebten. Grund dafür könnte dem Forschungsteam zufolge sein, dass sie von den bereits Zugezogenen mehr Informationen über fremdenfeindliche Einstellungen erhielten. Rechtsextreme Gewalt dagegen scheint bei der Gesamtbetrachtung der Arbeitsmigranten keinen signifikanten Effekt zu haben, wohl aber bei gut ausgebildeten Immigranten.
So sehen andere in der Wissenschaft diese Studie
Für Eva Markowsky, Ökonomin an der Universität Potsdam, fehlt ein Aspekt in der Studie: das veränderte Migrationsgeschehen im Untersuchungszeitraum, das 2015, 2016 mit Asylsuchenden aus Syrien und Afghanistan und ukrainischen Geflüchteten seit 2022 komplett verschieden war: "Diese haben die fremdenfeindlichen Attitüden offenkundig verstärkt und spiegeln sich in starken Wahlergebnissen rechtsextremer Parteien wider. Dies hat – wie die Studie klar belegt – direkte Effekte auf die Arbeitsmigration." Sie vermutet, dass die Effekte auf die Arbeitsmigration entsprechend eher zugenommen haben.
Sulin Sardoschau, Migrationsökonomin von der Humboldt-Universität Berlin, verweist angesichts der Studienergebnisse auf ein Dilemma. Auch wenn die absoluten Migrationsraten in viele deutsche Regionen nicht sehr hoch seien, sei aber festzustellen, dass Gebiete mit starker rechter Mobilisierung womöglich weniger dringend benötigte Fachkräfte und Arbeitskräfte anziehen. "Dies kann eine ohnehin schon bestehende strukturelle Schwäche – gerade in ostdeutschen Regionen mit starker Überalterung – noch verschärfen, wenn der Fachkräftemangel weiter zunimmt," sagt die Ökonomin. Das daraus resultierende Problem betrifft Sardoschau zufolge schlussendlich alle in Deutschland: "Eine geringere Zuwanderung hoch- und niedrigqualifizierter Arbeitskräfte kann Wachstumschancen und demographische Stabilität schwächen."
Bezogen auf den betrachteten Studienzeitraum sagt sie: "Seit 2017 hat sich das Auftreten der AfD und das allgemeine politische Klima weiterentwickelt. Ob sich die Effekte aktuell verstärkt oder abgeschwächt haben, hängt davon ab, inwieweit die öffentliche Sichtbarkeit rechtsgerichteter Ideologien und Gewalttaten zugenommen oder abgenommen hat. Das Modell legt aber nahe, dass ein anhaltend hoher Zuspruch für rechte Parteien und möglicherweise auch rechte Gewalttaten zumindest kein förderlicher Faktor für Arbeitsmigration in betroffenen Regionen ist."
Was Kollegen kritisch an der Studie sehen
Martin Huber, Spezialist für Politikevaluation von der Universität Freiburg in der Schweiz, sieht die Methodik der Studie kritisch. Die Analyse berücksichtige zwar Unterschiede in gewissen wirtschaftlichen Faktoren zwischen Regionen und zeitlich unveränderlichen regionalen Merkmalen. Sie enthalte somit Annahmen über den Einfluss von Fremdenfeindlichkeit auf die Wohnortwahl, zum Beispiel, dass sich dieser Effekt weder zeitlich noch mit der Intensität der Fremdenfeindlichkeit verändere. Dieser Ansatz sei nicht mehr ganz zeitgemäß.
Jennifer Hunt, Professorin für Arbeitsökonomie an der Rutgers Universität in den USA, sagt: "Es scheint einleuchtend, dass Einwanderer Gebiete meiden, die einwanderungsfeindlich sind. Allerdings könnten einwanderungsfeindliche Gebiete Sündenböcke suchen, weil die Wirtschaft schlecht läuft, und die geringe Zuwanderung in diese Gebiete könnte daher zumindest teilweise auf wirtschaftliche Faktoren und nicht auf Fremdenfeindlichkeit zurückzuführen sein."
Auch Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, vermisst einen Faktor, der in der Arbeitsmigrations eine Rolle spielen könnte – der Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland: "Ich hätte gerne gesehen, ob die Ergebnisse auch in den neuen und alten Bundesländern gelten, wenn diese getrennt untersucht werden."
Links/Studien
Die Studie "Do xenophobic attitudes influence migrant workers’ regional location choice?" finden Sie über folgendedigitale Identifikationsnummer: DOI: 10.1371/journal.pone.0316627
lfw/msc
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR aktuell | 29. Januar 2025 | 17:45 Uhr
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