Nahe Seitenansicht: Gesicht von Friedrich Merz angeschnitten, nachdenklich auf Hand vorm Mund gestützt. Ins Bild montierte, ebenfalls angeschnittene Erdkugel. Erweckt den Anschein, als würde Person nachdenklich auf die Erde blicken. 7 min
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Klimapolitik in Deutschland Neuwahl 2025: Das Klima im Merzen

13. Dezember 2024, 16:39 Uhr

Im Februar wird gewählt, aller Voraussicht nach. Bei all den Krisen, die es für die neue Regierung zu bewältigen gilt, tun sich Klima und Biodiversität als existenziellste Problemstellungen des Planeten mitunter schwer, in die politische Poleposition zu rücken. Dennoch befindet sich die Republik mittendrin, in einer Energiewende, Mobilitätswende und Phase der Klimaanpassung. Und auf dem Weg zu Netto-Null. Nur, bleibt's dabei?

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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  • Für das ambitionierte Ziel, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll, sieht es gut aus – auch wenn auf das Bundes-Klimaschutzgesetz weitere Änderungen zukommen könnten
  • Bei der Energiepolitik entsprechen Äußerungen zu Atom- und Fusionsenergie durch CDU und CSU keinem realpolitischen Szenario
  • Die Subventionierung klimafreundlicher Heizungen könnte bald wegfallen – könnte sie aber bei jeder Regierung, so ein Experte

Blicken wir erstmal auf das, was ist – und das ist in aller Grundsätzlichkeit ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich da Bundes-Klimaschutzgesetz nennt. In seinen Grundzügen stammt es noch aus der letzten Großen Koalition. Seitdem wurde es von der aktuellen Regierung durch eine zweite Novelle, von Umweltverbänden durch Klagen und von Gerichten durch Rechtsprechungen … nun, verfeinert. Es sieht eine Netto-Null bei den Treibhausgasemissionen bis 2045 vor, was mit verschiedenen Etappenzielen erreicht werden soll.

Das Gesetz ist nicht nice-to-have, sondern hat sein völkerrechtliches Fundament durch die Tatsache, dass sich Deutschland 2015 zum Klimaschutzabkommen von Paris bekannt hat. Und dass damit nicht zu spaßen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, in dem es klargemacht hat, dass "was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen" auch in Klimadingen gilt. Große notwendige Emissionsreduktionen könnten nicht einfach auf junge oder künftige Generationen ausgelagert werden, weil es deren Freiheit einschränke. Schließlich waren andere Generationen auch schon freie Bürgerinnen und Bürger mit freier Fahrt. Egal, wie eine künftige Klimapolitik tickt – sie muss zumindest mit unseren Grundrechten in Einklang stehen.

Icon: Symbolische Erdkugel mit Afrika und Europa im Zentrum, daran oben links das Grad-Zeichen. Text:  MDR Klima-Update. Kostenfrei, wöchentlich. Foto: Weiß gekleidete Frau mit Rücken zur Kamera kippt aus Eimer grüne Farbe auf Leinwand in trockener Gegend.
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Ein Bundes-Klimaschutzgesetz ist ein Bundes-Klimaschutzgesetz

Sollte, wie derzeit angenommen, im kommenden Jahr eine CDU-geführte Regierungskoalition das Zepter in die Hand nehmen, ist also schon einmal nicht zu erwarten, dass dies ein Ende des Bundes-Klimaschutzgesetzes bedeutet, auch wenn die Union gemeinsam mit AfD und Linken der letzten Revision vom Hochsommer nicht zugestimmt hat. Diese Revision sieht übrigens vor, dass neue Bundesregierungen zu Beginn der Legislaturperiode ein Maßnahmenpaket vorlegen müssen, wie die Klimaziele für 2040 erreicht werden sollen – also eine Reduktion der Emissionen um 88 Prozent im Vergleich zu 1990. Wir sind gespannt.

Grafik zeigt, wie Sympathisantinnen und Sympathisanten der einzelnen Parteien die Geschwindigkeit bei Klimaschutzmaßnahmen sehen. Während es Grünen-Anhängern viel und SPD-Anhängern teilweise zu langsam geht, ist es bei Unions-Anhängern ausgeglichen. AfD-Anhängern geht es in der Regel zu schnell.
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Inwiefern es weitere Änderungen am Gesetz geben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt freilich ein Blick in die Glaskugel – aber zumindest ist es nicht unwahrscheinlich: Zurzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht noch mit einer Verfassungsbeschwerde der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des BUND gegen die aktuelle Fassung des Klimaschutzgesetzes. Die sei nicht ambitioniert genug und die Maßnahmen reichten nicht mal, um die weniger ambitionierten Ziele zu erreichen, so die DUH. Gut möglich, dass sich die kommende Regierung mit den Konsequenzen eines weiteren Urteils beschäftigen muss.

Nun gut, es dürfte ohnehin jedes Urteil fürs Klima im Interesse der neuen Regierung liegen. So hat sich auch die CDU zur bundesdeutschen Klimaneutralität bis 2045 bekannt. Kanzlerkandidat Merz will sein Klimaschutzverständnis aber mit anderen Tönen angeschlagen wissen: Nicht Verbote sollen vordergründig sein, sondern Anreize. Im Umkehrschluss zielt das auf Mechanismen wie den CO2-Preis ab, der einem das Ausstoßen von Emissionen vergrämen soll. Das ist ein alter Hut und wird auf diese Weise auch bei einer Regierung unter Beteiligung der Union dazu führen, dass mit Gas zu heizen und mit Sprit Auto zu fahren eine teure Angelegenheit bleibt.

Technologieoffenheit: Unions-Gebot der Stunde?

Gleichzeitig wirbt Merz für Technologieoffenheit (ein Begriff, mit dem man auch in der Ampel schon so seinen Spaß hatte) und argumentiert, dass es anmaßend wäre, zu wissen, welche Technologie in fünfzig Jahren die richtige sei. Windkraft bezeichnete er in einem ZDF-Talk indes als Übergangstechnologie (Merz findet Windräder unästhetisch, muss man dazu wissen). Die letzte CDU-Kanzlerin, nannte im Übrigen Atomkraft einst eine Übergangstechnologie, bevor sie deren Aus vorantrieb. Diese Haltung hat sie erst kürzlich bekräftigt, aus CDU und CSU hallte es bald Widerspruch.)

Und damit sind wir auch beim Kern der Frage, wie es nach der Neuwahl 2025 um den Bundesklimaschutz steht. Das ist letztendlich die Frage nach der Energiepolitik. Denn Klima- und Energiepolitik trennt so schnell nichts voneinander. Friedrich Merz träumt da schon mal von der Kernfusion. Letztendlich träumt nicht nur er, sondern ein größerer Teil der Menschheit schon länger davon, Energie zu erzeugen, wie es die liebe Sonne droben im Weltall tut. Ein neckischer Zungenschlag in Kernfusionsfachkreisen beantwortet die Frage, wann Fusionsreaktoren einsatzbereit sind, im Übrigen immer mit: In 25 Jahren. Egal, wann die Frage gestellt wird.

Das ist etwas, was ich im Moment nicht sehe.

Prof. Dr.-Ing. Jochen Linßen über Fusionsreaktoren

Von 25 bis 30 Jahren spricht auch der Energie- und Infrastrukturexperte Jochen Linßen vom Forschungszentrum Jülich auf einem virtuellen Podium des Science Media Centers. "Da müsste man schauen, ob es dann in diese Welt, die man bis dahin dann betreten hat, wirklich hineinpasst. Und das ist etwas, was ich im Moment nicht sehe." Denn so ein Fusionsreaktor würde eine ordentliche Grundlast im Energiesystem liefern. Und bei eben dem ist man nun eigentlich gerade bestrebt, es möglichst flexibel und polyzentrisch aufzubauen, statt alles auf ein paar wenige Karten zu setzen. Ähnliches gilt für die Kernkraft.

Ein AKW ist keine flexible Gerätschaft, die bei einer Dunkelflaute mal eben an die Seite der Verbraucher springt, auch wenn insbesondere aus der CSU entsprechende Forderungen laut werden, die alten Meiler wieder anzuwerfen und neue zu bauen. Schon rein technisch ist eine Wiederinbetriebnahme nicht ohne Weiteres möglich. (Bayerns wohl berühmtestes Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, Vorlage für das AKW aus Gudrun Pausewangs "Die Wolke", musste sich dieses Jahr bereits von seinen Kühltürmen verabschieden. Und der EnBW-Konzern hat erst kürzlich betont, dass eine Wiederinbetriebnahme ausgeschlossen sei.)

Und, wie zahlreiche Neubauprojekte zeigen, die zudem noch die zeitgenössischen Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen, ist Atomkraft weder die schnelle Lösung, die es für den Klimaschutz braucht, noch eine kostengünstige. Um gegen Erneuerbare mit ihren vergleichsweise günstigen Stromerzeugungskosten konkurrieren zu können, seien massive Subventionen und politische Garantien fällig, betont Jochen Linßen. Und auf die Frage nach der Endlagerung des radioaktiven Mülls gibt es in Deutschland ohnehin bisher nur eine Antwort: nicht in meinem Vorgarten. Dieser Überzeugung sind auch Friedrich Merz und Markus Söder.

Energiepolitik: Günstig. Sauber. Ausfallsicher.

Wenn die kommende Regierung also ihre Hausaufgaben macht, stehen die Fragen nach einer günstigen, sauberen Energieversorgung im Mittelpunkt – aber auch nach einer ausfallsicheren. Christian Rehtanz, Institutsleiter am Institut für Energiesystem der TU Dortmund, verweist dabei auf einen Fakt, der sich schlecht schönreden lässt: "Wir waren vor wenigen Jahren ein Stromexportland. Wir sind seit 2023 ein Stromimportland. Also da fehlen wirklich große Mengen an Kraftwerken, die eigentlich hätten durch Gaskraftwerke schon ersetzt werden müssen." Und zwar nach Möglichkeit solche, die auch mit grünem Wasserstoff klarkommen, der in der Zeit hergestellt wird, in der Sonne und Wind etwas übers Ziel hinausschießen. Die neue Regierung muss also nicht nur den Ausbau von Erneuerbaren weiter vorantreiben, sondern sich auch mit damit einhergehenden Aufgaben befassen.

Und vielleicht geht das ja einfacher als es derzeit ausschaut. Technologien werden, ehe man sich versieht, markttauglich, weil plötzlich die Preise purzeln. So war es mit der Photovoltaik und so ist es mit Batteriespeichern, die günstiger und leistungsfähiger denn je sind und ebenfalls ein gangbarer Weg, überschüssige erneuerbare Energie zu speichern und in schlechten Zeiten abzugeben. "Das ist etwas, wo man auch immer wieder schön
daran sieht, wie der technologische Reifegrad plötzlich neue Möglichkeiten eröffnet", sagt Christian Rehtanz und prognostiziert bei den Batteriepreisen einen weiteren Abwärtstrend. "Wir hätten vor Jahren mit den damaligen Windkraftanlagen niemals die Energiewende durchbekommen. Mit heutigen großen Anlagen, viel effizienter, geht das auf einmal."

Wir waren ein Stromexportland. Wir sind ein Stromimportland.

Prof. Dr.-Ing. Christian Rehtanz

Nur auf die Fusionsenergie sollte man eben besser erstmal keine Wetten abschließen, sondern noch mindestens 25 Jahre warten. Und lieber darauf wetten, dass es noch, im Falle einer Regierungsbildung unter Beteiligung der Union, pardon, hitzig im Heizungskeller wird. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat unlängst angekündigt, das – während seiner Entstehung umfangreich diskutierte – Gebäudeenergiegesetz rückgängig zu machen. Und Unionsfraktionsvize Jens Spahn kündigte an, dass so auch Förderungen eingespart werden sollten. Stattdessen wolle man auf das regulierende Element des CO2-Preises setzen und die Menschen im Land wieder in die Welt der freien Heizungswahl zurück entlassen.

Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich. Letztendlich dürfte eben dieser CO2-Preis dafür sorgen, dass – gerade bei langfristiger Planung – klimafreundliche Heizungslösungen die Nase vorn haben. Nur, dass es dann eben keinen Wärmepumpen-Rabatt mehr geben wird. Andererseits ist der so oder so nicht in Stein gemeißelt, sagt Christian Rehtanz. "Der Staat wird nicht bis in alle Ewigkeiten fürchterlich teure Wärmepumpen finanzieren können." Mit dem derzeitigen CO2-Preis seien Anreize aber noch nicht hoch genug – oder eben die potenziellen Ersparnisse –, freiwillig auf eine klimafreundliche Technik umzustellen. Klar ist: Das Gesetz setzt schlichtweg europäisches Recht um – etwas, das so oder auch anders ohnehin passieren muss.

Und was ist mit dem Deutschlandticket?

Die Galionsfigur aller Klimaschutzbemühungen der Ampel, was ist eigentlich damit? Fürs Erste gilt die Finanzierung des Deutschlandtickets als gesichert, auch mit den Stimmen der Union. Friedrich Merz kündigte bereits an, dass man "sowas wie das Deutschlandticket" auch künftig fortführen wolle, sieht aber schon jetzt schwierige Verhandlungen für die Zeit nach 2025.

Die Finanzierung eines Deutschlandtickets lässt sich eben nicht auf einem Bierdeckel ausrechnen. Nun kann man Merz da vorhalten, dass fehlender Optimismus in einer verzwickten Lage nicht gerade sachdienlich ist. Nicht vorhalten kann man ihm indes, dass er so gar kein Interesse an Klimaschutzthemen hätte. Und das ist, ganz im Sinne des Optimismus, für die kommende Legislaturperiode erstmal eine gute Nachricht. Und für die Wälder im Merz’schen Sauerland.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. Dezember 2024 | 16:10 Uhr

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