Wolf im Yellowstone-Nationalpark
Bildrechte: NPS / Jim Peaco

Yellowstone-Nationalpark Trophische Kaskade: Wölfe sind "Architekten der Ökosysteme"

17. Februar 2025, 17:29 Uhr

Der Yellowstone-Nationalpark im Nordwesten der USA ist ein gutes Anschauungsobjekt für die trophische Kaskade. Sie besagt, dass Raubtiere der Pflanzenwelt guttun, weil die Übermacht der Pflanzenfresser abnimmt. Seit der Wiederansiedlung des Wolfes hat die Uferbewaldung im Yellowstone laut einer neuen Studie um das 15-fache zugenommen.

Die Nachricht, dass die Rückkehr des Wolfes in den Yellowstone-Nationalpark der dortigen Pflanzenwelt zugutekam, ist nicht sonderlich neu. Seit 1995 wurden dort wieder Wölfe angesiedelt, relativ bald wurde klar, dass das Prinzip der trophischen Kaskade auch dort funktioniert: Raubtiere fressen Pflanzenfresser oder vertreiben sie von Standorten, Pflanzenfresser fressen dadurch weniger Pflanzen, Pflanzenwelt erholt sich. Im Fall des Yellowstone-Nationalparks sind die Raubtiere vor allem Wölfe, aber auch Pumas und Bären, die Pflanzenfresser sind vor allem Wapitis (eine Hirschart, die in Nordamerika "elk" genannt wird), und die sich erholenden Pflanzen sind vor allem Laubbäume wie Weiden oder Zitterpappeln.

Vergleichsbilder: Pflanzenbewuchs im Yellowstone-Nationalpark vor (links) und nach (rechts) Wiederansiedlung von Wölfen
Vergleichsbilder aus der Studie: Pflanzenbewuchs im Yellowstone-Nationalpark vor (links) und nach (rechts) Wiederansiedlung von Wölfen Bildrechte: R.L. Beschta

Studien dazu gab es schon einige. Darunter auch Veröffentlichungen, die zu völlig anderen Schlüssen kamen. So heißt es in einer Untersuchung eines Forscherteams um Thompson Hobbs (Colorado State University) vom Januar 2024, "dass die Wiedereingliederung von Spitzenprädatoren in das Nahrungsnetz nach langer Abwesenheit die Auswirkungen ihres Verlusts aus dem Nahrungsnetz nicht rückgängig machen konnte".

Ganz anders die die Studie der Forschungsgruppe um William Ripple (Oregon Stat University). Sie hat sich über einen Zeitraum von 20 Jahren die Uferbewaldung im Yellowstone genauer angeschaut und kam zur Erkenntnis, dass der Effekt der Erholung der Pflanzenwelt nicht nur in den ersten Jahren, sondern selbst 25 Jahre nach der Rückkehr der Wölfe noch ungemein stark ist. Start der Beobachtung war 2001, als die Wölfe schon wieder ein paar Jahre zurück waren. Doch selbst seitdem hat das Volumen der Kronen der Uferweiden an den 25 untersuchten Standorten in den folgenden 20 Jahren um mehr als 1.500 Prozent zugenommen. Mit anderen Worten: 15-mal mehr oberirdische Biomasse in 20 Jahren.

"Unsere Analyse eines Langzeitdatensatzes hat bestätigt, dass die Erholung von Ökosystemen Zeit braucht, sagt Co-Autor Robert Beschta. "In den ersten Jahren dieser trophischen Kaskade begannen die Pflanzen nach jahrzehntelanger Unterdrückung durch den Wapiti erst wieder zu wachsen. Aber die Stärke dieser Erholung, die sich in der dramatischen Zunahme des Volumens der Weidenkronen zeigt, wurde in den folgenden Jahren immer deutlicher."

Außerdem, so Beschta, haben diese verbesserten Bedingungen lebenswichtige Lebensräume für Vögel und andere Arten geschaffen und gleichzeitig auch die anderen Bedingungen am Fluss verbessert. "Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Verwendung des Kronenvolumens von Ufergehölzen als Schlüsselmaßstab für die Bewertung der Stärke der trophischen Kaskade nützlich ist und möglicherweise die Methoden für Studien über Ufergebiete an anderen Orten verbessert."

Unsere Ergebnisse unterstreichen die Macht der Raubtiere als Architekten der Ökosysteme.

William Ripple, Studienleiter

Allerdings stellten die Studienautoren auch fest, dass der Grad der Erholung im Nationalpark sehr unterschiedlich ist und sich nicht alle Standorte so gut wie die Ufergebiete erholen. Ufergebiete seien aber von besonderer Bedeutung, weil sie wichtige Nahrungsquellen und Lebensraum für mehr Wildtierarten bieten als jeder andere Lebensraumtyp. Außerdem sind sie für ihre große Artenvielfalt, Struktur und Produktivität bekannt.

"Unsere Ergebnisse unterstreichen die Macht der Raubtiere als Architekten der Ökosysteme", sagt Studienleiter William Ripple. "Die Wiederansiedlung von Wölfen und anderen großen Raubtieren hat Teile von Yellowstone verändert, wovon nicht nur Weiden, sondern auch andere Baumarten wie Pappeln, Espen, Erlen und Beerensträucher profitieren. Es ist ein überzeugender Beleg dafür, wie Raubtiere, Beute und Pflanzen in der Natur miteinander verbunden sind."

Ein Wolf, Elstern und Raben bei einem Wild-Kadaver im Yellowstone-Nationalpark
Ein Wolf, Elstern und Raben bei einem Wapiti-Kadaver im Yellowstone-Nationalpark. Bildrechte: NPS / Jim Peaco

Biber machen die trophische Kaskade noch komplexer

Diese Beziehung zwischen Tier- und Pflanzenwelt kann allerdings noch vielschichtiger sein, auch im Yellowstone. Denn bei der Uferbewaldung kommen auch noch Biber ins Spiel und sorgen für eine noch komplexere Form der trophischen Kaskade. Wissenschaftler verglichen in früheren Studien Pappeln in Bereichen, in denen die Gefahr eines Wolfsangriffs entweder hoch oder niedrig war. Ergebnis: Die höchsten Pappeln wuchsen in Bereichen, in denen Biber-Dämme eine Überflutung der Bachauen herbeiführten, so dass die Wapitis nicht mehr an den Uferbewuchs herankamen.

Vermutet wird, dass die Wapitis vorher (nach der Ausrottung der Wölfe in den 1920er Jahren und bei fehlender Bejagung der Hirsche) so viel von den jungen Pappeln hatten fressen können, dass nicht mehr genügend Baumstämme für die Lebensraumgestaltung der Biber übrig gewesen waren, was damals auch zum Verschwinden der Biber geführt hatte.

Am Sonntag (16. Februar) um 21:00 Uhr läuft im MDR-Fernsehen die Doku "Warten auf den Wolf". Darum geht es: Wolfsland im frostigen Winter. Wer hier Wölfe sehen will, braucht viel Geduld. Das Leben wilder Wölfe aus nächster Nähe beobachten und künstlerisch festhalten – das ist der Traum, den der Maler Yves Fagniart und der Fotograf Olivier Larrey sich verwirklichen wollen.

Am östlichen Rand von Finnland warten sie in einer eingeschneiten kleinen Hütte auf die Tiere. Mehrere Wochen starren sie auf die Schneefläche vor ihnen. Sie unterhalten sich nur flüsternd und werden, bewegungslos und still, selbst Teil der poetischen Landschaft. Schwarze Kolkraben auf kahlen Baumstümpfen, ein neugieriger Vielfraß sind lange die einzigen Motive. Irgendwann ein nächtliches Heulen ... und endlich taucht der erste Wolf und schließlich ein ganzes Rudel auf.

Yves Fagniart und Olivier Larrey fotografieren und malen die Tiere nicht nur. In den atemberaubend nahen Kamerabildern des einen und den einfühlsamen Zeichnungen des anderen wird jeder einzelne Wolf zu einem ganz eigenen Wesen. Das Warten lohnt sich also, denn mit den beiden Männern kann auch das Publikum tief in die Welt der Wölfe eintauchen.

Links / Studien

Die Studie "The strength of the Yellowstone trophic cascade after wolf reintroduction" ist im Fachjournal "Global Ecology and Conservation" erschienen.
Die Studie vom Januar 2024 "Does restoring apex predators to food webs restore ecosystems? Large carnivores in Yellowstone as a model system" ist in Ecological Monographs erscheinen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Warten auf den Wolf | 16. Februar 2025 | 21:00 Uhr

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